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Das Geschäft mit den Windrädern auf hoher See ist zwar riskant, aber auch lukrativ. Vor allem große Energiekonzerne investieren in diese erneuerbare Energie.

© Daniel Reinhardt/dpa

Internationaler Energiewende-Kongress: Erneuerbare Energien können das Klima retten

Eigentlich wollte Deutschland seine Erfolge präsentieren, doch der Kohlendioxid-Ausstoß ist 2015 wieder gestiegen. Zwei Tage lang beraten 1200 Energieexperten aus 74 Ländern in Berlin über die Umsetzung des Pariser Klimavertrags.

Pünktlich zum zweiten internationalen Energiewende-Kongress im Auswärtigen Amt hat Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) am Donnerstag die Kohlendioxid-Bilanz für 2015 veröffentlicht. Der deutsche CO2-Ausstoß ist im Vergleich zu 2014 gestiegen, um 5,7 Millionen Tonnen, oder 0,7 Prozentpunkte. Die Gastgeber Außenminister Frank-Walter Steinmeier und Vizekanzler Sigmar Gabriel (beide SPD) beschwiegen das in ihren routinierten Eröffnungsreden vor mehr als 1200 Teilnehmern aus 74 Ländern. Nach der Euphorie des Pariser Klimavertrags ist die Politik offenbar schon wieder in den Mühen der Ebenen angekommen. Steinmeier und Gabriel hüteten sich, irgendwelche konkreten Zusagen für mehr Klimaschutz zu machen.

Deutschland verfehlt das EU-Ausbauziel für erneuerbare Energien

Doch mit dem aktuellen Ausbautempo dürfte Deutschland selbst das von der Europäischen Union vorgegebene Ausbauziel für erneuerbare Energien nicht erreichen. Bis 2020 sollen 18 Prozent des gesamten Energieverbrauchs aus sauberen Energiequellen gedeckt werden. Dass das aktuelle Ausbauniveau nicht reicht, hat das Öko-Institut in einer Studie zu den Kosten des Windkraft-Ausbaus an Land im Auftrag der baden-württembergischen Landesregierung gerade errechnet. Dass Deutschland die Energieeffizienzrichtlinie nicht angemessen umsetzt, hat die EU-Kommission inzwischen mehrfach moniert. Die deutsche Klimabilanz sieht mit Blick auf 2020 also eher ernüchternd aus.

Beschwerden aus Osteuropa

Vielleicht war Gabriel deshalb eher defensiv. Ganz anders traten die Regierungsvertreter der osteuropäischen Nachbarn auf. Michal Kurtyka, Energiestaatssekretär in Polen, nutzte seinen Auftritt, um alle Probleme des stark kohlehaltigen und schwer subventionierten polnischen Stromsystems auf die deutsche Energiewende zu schieben. Diese brauche dringend eine „Netzwende“, verlangte er und beklagte die Subventionen für erneuerbare Energien. Seine Kollegin aus dem tschechischen Industrieministerium Lenka Kovacovská warf Deutschland vor, für die „Marktstörungen“ auf dem Strommarkt mehr oder weniger allein verantwortlich zu sein. Energiestaatssekretär Rainer Baake (Grüne) verwies derweil auf den nunmehr kontinuierlichen Dialog mit den Nachbarn über die energiepolitischen Pläne Deutschlands.

Erneuerbare Energien und Effizienz reichen für das Klimaziel

Es waren die Chefs der Internationalen Energieagentur IEA, Fatih Birol, und der Internationalen Agentur für Erneuerbare Energien Irena, Adnan Amin, die die Stimmung wieder hoben. Birol berichtete, dass bereits im zweiten Jahr in Folge der globale CO2-Ausstoß gebremst worden ist. Er wuchs zumindest nicht mehr. Und Amin berichtete, dass die Pariser Klimaziel erreichbar sind, wenn der globale Anteil erneuerbarer Energien bis 2030 verdoppelt werde und das mit einer konsequenten Effizienzpolitik verbunden werde, um die sich Birol verstärkt kümmern will. Atomenergie oder andere umstrittene Technologien wie die CO2-Abscheidung und unterirdische Lagerung (CCS) seien zur Einhaltung der Klimaziele gar nicht nötig, vermittelten die beiden, ohne es auch auszusprechen. Aber ihre Zahlen sprechen für sich.

Speicher werden erst bei mehr als 80 Prozent erneuerbarer Energie gebraucht

Einen optimistischen Ausblick auf die Machbarkeit der Energiewende gab auch Boris Schucht, Chef des Übertragungsnetzbetreibers 50Hertz, der im Nordosten die Stromversorgung garantiert. Schucht wies darauf hin, dass sein Unternehmen bereits jetzt mehr als 45 Prozent nicht kontinuierlicher Energien wie Solar- und Windstrom im Netz habe. Seiner Einschätzung nach müsse die Speicherfrage auch vorläufig gar nicht geklärt werden. Bis zu einem Anteil erneuerbarer Energien von 70 bis 80 Prozent "gibt es im System genügend flexible Kapazitäten, um die Netzsicherheit zu gewährleisten", sagte er - sehr zum Ärger der Batterie- und anderer Speicherindustrien. Er sei als Ingenieur selbst überrascht, wie gut auch Wind- oder Solarparks Regelenergie für die Netzstabilität zur Verfügung stellen könnten, berichtete er.

Mit dieser Investitionsstrategie zum Ausbau erneuerbarer Energien „kann die Weltwirtschaft wachsen, und gleichzeitig aus klimaschädlichen Energien wie Kohle, Öl und Gas aussteigen“, sagte Amin. Lenka Kovacovská hat er damit zwar nicht überzeugt. Aber ihre Bitte, „die Atomenergie nicht zu diskriminieren, wenn die Bevölkerung sie denn akzeptiert“, klang dann doch etwas kleinlaut.

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