zum Hauptinhalt
Da flog er noch auf Air Berlin: Hartmut Mehdorn in seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender - bei einer Pressekonferenz im Jahr 2012.

© Robert Schlesinger/dpa

Exklusiv

Insolvente Fluggesellschaft: Hartmut Mehdorn rechnet mit Air Berlin ab

Der Ex-Chef kritisiert den Pakt mit Lufthansa, den Vertrag seines Nachfolgers und die Politik: "Berlin wird wie ein Dorf behandelt."

Das nahe Aus für die insolvente Fluggesellschaft Air Berlin befeuert die Debatte um die Hauptstadt als Luftverkehrsstandort. Hartmut Mehdorn, ehemaliger Chef der Deutschen Bahn, von Air Berlin und der Flughafengesellschaft, bedauert, dass mehr als die Hälfte der Flotte samt Streckenrechten an den Marktführer Lufthansa geht. „Monopolisten tun uns nicht gut“, erklärte der streitbare Spitzenmanager dem Tagesspiegel in einem Interview. „Fast egal wohin wir fliegen, Berliner müssen in Frankfurt oder München umsteigen. Berlin wird wie ein Dorf behandelt“, fügte er hinzu.

Mit Schuld an dem Aus für Air Berlin sei die vom Bund Anfang 2011 eingeführte Luftverkehrssteuer, die das Unternehmen jährlich 100 Millionen Euro gekostet habe. „Es war klar, dass die schwarze Null damit nicht zu erreichen war.“ Eine am Montag vorgelegte Studie der Beratungsgesellschaft PwC kommt zu dem Ergebnis, dass eine Abschaffung dieser Steuer Berlin als drittgrößtem Luftfahrtstandort innerhalb von zwei Jahren 4,6 Millionen zusätzliche Passagiere bescheren würde – wegen dann sinkender Ticketpreise. 2016 hatten Tegel und Schönefeld 33 Millionen Fluggäste gezählt. PwC geht zudem von zwei Millionen zusätzlichen Touristen aus.

Vorwürfe an den Berliner Senat

Als zweiten Grund für die Misere nannte Mehdorn „die schwache und taube Verkehrspolitik“ des Senats. Die drehe sich nur um Radfahrer und die Beschränkung des individuellen Autoverkehrs, „aber nicht darum, wie man Berlin per Fernbahn, Fernstraßen, Flughafen und Wasserstraßen adäquat anbindet“, kritisierte der 75-Jährige.

Auch die CDU forderte eine Reaktion auf den Ausfall der Fluggesellschaft und die dadurch wohl sinkende Zahl von Direktflügen ab Berlin. Der Spandauer CDU-Bundestagsabgeordnete Kai Wegner forderte für die aktuellen Koalitionsverhandlungen im Bund einen klaren Fahrplan für einen Komplettumzug der Bundesregierung von Bonn nach Berlin. „Nach der Pleite von Air Berlin kostet der doppelte Regierungssitz noch mal mehr Geld, Zeit und Mühe“, sagte Wegner.

Er reagierte damit auf Berichte, wonach das Verkehrsministerium Beamten empfehle, Dienstreisen nach Bonn auf das „notwendige Maß“ zu beschränken. Die Lufthansa hatte zuletzt angekündigt, dass sie kurzfristig nicht viel mehr Maschinen auf Berlin-Strecken einsetzen kann, dafür aber größere Jets schicken will.

Am Freitag soll der letzte Air-Berlin- Flieger in München starten und gegen 22.45 Uhr in Tegel landen. Möglicherweise haben bis dahin auch rund 4000 Mitarbeiter ihre Kündigung erhalten, während das Gehalt des amtierenden Chefs Thomas Winkelmann bis ins Jahr 2021 garantiert ist. „Vertrag ist Vertrag“, sagte sein Vorgänger Hartmut Mehdorn dazu. Aber: „Wenn Winkelmann Moral hat, begnügt er sich mit der Summe von zwei Jahresgehältern.“ (mit AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false