zum Hauptinhalt
In deutschen Metropolen wächst die Nachfrage nach Büros. Davon werden mehr gebaut als dringend benötigte Wohnungen.

© Roland Holschneider/pa/dpa

Wohnungsbau: Gute Geschäftslage, schlechte Aussichten

BFW und Bulwiengesa stellen Studien vor. Mittelstand beklagt erschwerten Zugang zu Bauland.

Bis zum Jahr 2022 müssen in Deutschland jährlich rund 400 000 neue Wohnungen gebaut werden, um der steigenden Nachfrage vor allem in Ballungsgebieten Rechnung zu tragen. Trotz der positiven Stimmung im Bausektor hält der Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW) es aber für unwahrscheinlich, dieses Ziel zu erreichen. „Trotz der derzeit guten Geschäftslage blickt die mittelständische Immobilienbranche skeptisch in die Zukunft“, sagte BFW-Vizepräsident Frank Vierkötter bei der Vorstellung des „BFW-Neubauradars“ am Mittwoch in Berlin.

Die Konjunkturumfrage hat sich in den vergangenen Jahren zu einem Stimmungsbarometer für die Branche entwickelt. Mehr als die Hälfte der 1600 befragten Mitgliedsunternehmen gaben an, dass sich die Rahmenbedingungen für Neubauinvestitionen im vergangenen Jahr weiter verschlechtert hätten.

Das geht auch aus der aktuellen „Projektentwicklerstudie deutsche A-Städte 2017“ des Analyse- und Beratungsunternehmens Bulwiengesa hervor, die den Markt für Projektentwicklungen in Berlin, München, Hamburg, Frankfurt am Main, Düsseldorf, Köln und Stuttgart untersucht. „Neue Lust auf Büros“, so ließe sich die Lage auf dem deutschen Immobilienmarkt zusammenfassen, sagte der Bulwiengesa-Vorstand Andreas Schulten bei der Präsentation der Ergebnisse am Mittwoch in Berlin. „Der Bereich ist nicht länger das hässliche Entlein.“

Die größte Hürde für Investitionen sei das Bauland

Dieser Titel geht wohl eher an den Wohnungsbau. „Zusatzkosten, die durch den Bau von Sozialwohnungen und Auflagen der Energieeinsparverordnung entstehen, erschweren preisgünstiges Bauen“, sagte Schulten. Laut Bulwiengesa-Studie legte das Wohnsegment 2016 lediglich um 3,4 Prozent zu – wenig im Vergleich zu den Vorjahren mit einem Wachstum zwischen zehn und 20 Prozent.

Auch der BWF geht davon aus, dass die Baufertigstellungszahlen nach einem kurzen Anstieg – der den niedrigen Zinsen zu verdanken ist – langfristig auf 250 000 Wohneinheiten pro Jahr oder noch darunter zurückgehen werden. Dies habe vor allem zwei Gründe: Die größte Hürde für Investitionen sei das Bauland. 98 Prozent der befragten Unternehmen gaben an, dass der Zugang zu Bauland erschwert sei. Ein Viertel der Mittelständler sieht sich bei der Vergabe gegenüber kommunalen Trägern benachteiligt. Für jeden fünften sei das Höchstpreisverfahren der hemmende Faktor. Weil sich die Planungs- und Genehmigungsverfahren oft hinziehen, würden die Projektkosten am Ende zusätzlich um durchschnittlich zehn Prozent steigen.

„Regulatorische Restriktionen wirken sich vor allem auf Wohnprojektentwicklungen aus“, klagte auch Andreas Schulten. Die Kommunikation mit den Behörden sei ebenfalls eine Hürde. Deshalb würden viele Unternehmen lieber Büros bauen. Das Bürosegment in Deutschland wuchs im vergangenen Jahr um rund 8,3 Prozent. Gerade in Berlin ist die Nachfrage groß, der Leerstand entsprechend gering.

Die Städte sollten Steuern erheben, wenn Eigentümer ihr Baurecht nicht ausüben

Trotzdem kurbelt neben dem Büromarkt auch das Wohnsegment den Immobilienmarkt der Bundeshauptstadt an, zeigt die Bulwiengesa-Studie. Von den rund 600 000 Quadratmetern Projektvolumen entfielen 2016 rund 550 000 auf Wohnungen. Berlin bleibe damit der am stärksten wachsende Markt für Projektentwicklungen, heißt es, während der Markt in München stagniere und in Stuttgart sogar rückläufig sei.

Laut BFW-Vize Vierkötter ist in Sachen Wohnungsneubau vor allem die Politik gefragt. „Unternimmt sie nichts, wird weniger gebaut.“ Das Genehmigungsverfahren müsse beschleunigt und über Umweltauflagen neu nachgedacht werden. Vor allem die vorgeschriebenen Maßnahmen zur Energieeffizienz würden die Kosten beim Wohnungsbau erhöhen. Für 47 Prozent der vom BFW im „Bauradar“ befragten Unternehmen sind diese in der Tat der größte bauordnungsrechtliche Kostentreiber, gefolgt von Auflagen zu Brand- und Schallschutz.

Rund ein Drittel der Unternehmen gab an, Gebäude bereits im KFW-55-Standard zu erstellen. Ebenso viele Betriebe nehmen Fördermittel in Anspruch. „Diese Deckungsgleichheit zeigt, dass der derzeitige Standard gerade noch wirtschaftlich darstellbar ist und nicht weiter verschärft werden darf“, warnte Vierenkötter. „Im Energieeinsparrecht sind die Unternehmen ohne Förderung am Ende ihrer Möglichkeiten.“

Um einem Anstieg der Kosten vorzubeugen, müsse „bereits der Anfang der Kette reguliert werden“, findet Andreas Schulten. Denn manch Eigentümer lässt angesichts der aktuell niedrigen Zinsen seine Flächen lieber brachliegen, anstatt sie zu verkaufen und das Geld zur Bank zu tragen – und hofft auf weiter steigende Preise. „Ein nachvollziehbares Verhalten“, nennt das Frank Vierkötter. Andreas Schulten ist da weniger gelassen: „Das ist Spekulation. Es ist unfassbar, was da passiert.“ Auch wenn die Lage in den deutschen Städten sicher sehr unterschiedlich sei, müsse hier die Politik eingreifen. „Der Bund sollte die Städte verpflichten, Steuern zu erheben, wenn Eigentümer Baurecht haben, es aber nicht ausüben.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false