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Der Mieterbund plädiert für eine reine Bodensteuer.

© Frank Rumpenhorst/dpa

Reform der Grundsteuer: Grundsteuerberechnung auf dem Prüfstand

Seit mittlerweile 22 Jahren streiten Bund und Länder über eine Reform der Grundsteuer. Jetzt verhandelt das Bundesverfassungsgericht.

Die Richtwerte für die Grundsteuerberechnung beschäftigen heute die Richter am Bundesverfassungsgericht. Bis zu einer Entscheidung vergehen in der Regel mehrere Monate. Die kommunalen Spitzenverbände fordern von der nächsten Bundesregierung und den Bundesländern eine schnelle Reform der Grundsteuer. Zu einer Reform gebe es keine Alternativen, teilten die Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, des Deutschen Landkreistags und des Deutschen Städte- und Gemeindebundes am vergangenen Donnerstag in Berlin mit.

„Das neue Regierungsbündnis muss daher einen entscheidenden Schritt gehen und die Reform politisch auf die Agenda setzen“, forderten Helmut Dedy (Deutscher Städtetag), Hans-Günter Henneke (Deutscher Landkreistag) und Gerd Landsberg (Deutscher Städte- und Gemeindebund). Aus ihrer Sicht kann das vom Bundesrat im vergangenen Jahr eingebrachte Modell Grundlage sein. Die Reform solle insgesamt nicht zu einer höheren Belastung der Grundstücks- und Immobilienbesitzer führen. Hintergrund der Kritik an der Grundsteuer sind Verzerrungen durch die seit Jahrzehnten unterbliebene Neubewertung von Grundstücken und Immobilien.

Die Einheitswerte sind veraltet und ungerecht

Seit mittlerweile 22 Jahren streiten Bund und Länder über eine Reform der Steuer, die Grundstückseigentümer zahlen müssen. Im Jahr 2014 erklärte der Bundesfinanzhof (BFH) die Vorschriften zur Erhebung der Grundsteuer wegen völlig veralteter Richtwerte ab 2009 für verfassungswidrig.

Weil damit die Bescheide der Finanzämter seitdem nur vorläufigen Charakter haben, blicken die bundesweit 113000 Städte und Gemeinden nun mit Argwohn nach Karlsruhe. Dem Deutschen Städtetag zufolge ist die Grundsteuer mit 13 Milliarden Euro im Jahr eine der wichtigsten kommunalen Einnahmequellen.

Allerdings stützt sich die Bewertung des zu versteuernden Grundvermögens auf Grundstückswerte, die im Jahr 1964 und für Ostdeutschland sogar im Jahr 1935 galten. Damit ist für den BFH klar, dass diese sogenannten Einheitswerte je nach Gebäudealter und Lage stark von den aktuellen Verkehrswerten abweichen und damit ungerecht sind: Weil die Einheitswerte so sehr veraltet sind, fragt sich das Bundesverfassungsgericht, ob sie gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Grundgesetz Art. 3 Abs. 1) verstoßen.

Dass sich der Streit über ein Reformmodell für die Besteuerung der bundesweit 35 Millionen Grundstücke so lange hinzieht, hat einen simplen Grund: Nach Angaben des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) führt jede Reform zwangsläufig zu erheblichen Umverteilungen zwischen Ländern, Kommunen und Grundstückseigentümern.

Die Berechnung der Grundsteuer ist kompliziert

Die Berechnung der Grundsteuer ist kompliziert: Der Einheitswert des Grundbesitzes wird mit einer Steuermesszahl multipliziert, deren Größe davon abhängt, ob das Grundstück unbebaut ist oder darauf ein Ein- oder Mehrfamilienhaus steht. Die Steuermesszahl für unbebaute Grundstücke liegt in der Land- und Forstwirtschaft bei sechs Promille, ansonsten bei dreieinhalb Promille. Den so ermittelten Wert multiplizieren die meisten Gemeinden dann mit einem von ihnen festgelegten Faktor von mehreren hundert Prozent.

Im Jahr 2015 lag die Grundsteuer für ein Einfamilienhausgrundstück in Großstädten mit mehr als hunderttausend Einwohnern laut IW bei durchschnittlich 577 Euro im Jahr und für eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus bei 229 Euro. Diese Steuern ändern sich je nach Reformmodell: Für unbebaute Grundstücke mussten Eigentümer 2015 in den Großstädten 210 Euro Grundsteuer zahlen. Bei einem Bodensteuermodell würde der Betrag auf rund 950 Euro in die Höhe schnellen. Dies wäre für das IW ein klares Signal an die Eigentümer, „Grundstücke nicht ungenutzt zu lassen“.

Die Länder sprachen sich zuletzt dafür aus, dass unbebaute Grundstücke künftig nach dem Bodenrichtwert bemessen werden, der sich aus den durchschnittlichen Verkaufspreisen der Vergangenheit ergibt. Bei bebauten Grundstücken sollte zusätzlich noch der Wert des Gebäudes ermittelt werden.

Kommunen und Immobilienbesitzer werden nun in Karlsruhe voller Spannung beobachten, an welchen Stellschrauben nach Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts für ein gerechteres Steuermodell gedreht werden muss.

Millionen Grundstücke müssten neu bewertet werden

Die Länder sind sich zwar einig, dass am Ende eine einfache und in der Fläche „aufkommensneutrale“ Reform herauskommen muss. Dem IW zufolge könnte es dabei aber durchaus zu höheren Belastungen für einzelne Grundstücke kommen und insoweit Gewinner und Verlierer geben. Ein Teil dieser Verlierer scheint bereits festzustehen: Hausbesitzer können höhere Grundsteuern als Betriebskosten auf ihre Mieter abwälzen.

Das dürfte allerdings nicht so schnell passieren. Je nach Modell dauert die Neuberechnung der Einheitswerte dem Deutschen Städtetag zufolge bis zu zehn Jahre. Bei einer Neuregelung der Grundsteuer müssten alle rund 35 Millionen Grundstücke sowie land- und forstwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland neu bewertet werden. Dabei würde neben dem Wert der Grundstücke auch der Wert der Gebäude angemessen berücksichtigt werden. „Das wäre insgesamt gesehen gerecht“, sind Dedy, Henneke und Landsberg überzeugt.

Die Verfassungshüter sehen dieses Problem ebenfalls und wollen deshalb den „Erstellungsaufwand einer Neuregelung“ erörtern.

Reine Bodensteuer statt Grundsteuer?

Eine Initiative unter Beteiligung des Deutschen Mieterbundes fordert die Umgestaltung zu einer reinen Bodensteuer, bei der die Bebauung unberücksichtigt bleibt. Das würde die Grundsteuer für Mehrfamilienhäuser senken und zu einer Mehrbelastung für Einzelhäuser und unbebaute Grundstücke führen, teilten der Direktor des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, Dirk Löhr von der Hochschule Trier und Ulrich Kriese vom NABU mit.

Beide Reformalternativen (Bundesratsmodell; reine Bodensteuer) liegen jedoch insbesondere bei niedrigeren Bodenwerten nicht dramatisch auseinander, so haben Studien ergeben. Sie führen etwa bei Ein-/ Zweifamilienhausgrundstücken zu tendenziell ähnlichen Ergebnissen.

Ein gravierender Nachteil des Bundesratsmodells ist die überproportional hohe Belastung von Neubauten. Und weil die reine Bodensteuer die Gebäude steuerfrei belässt, verschiebt sich mit ihr ein nennenswerter Teil der Steuerlast auf Baulücken und andere unbebaute, aber bebaubare Grundstücke.

(AFP/dpa/Tsp)

Jürgen Oeder, Sönke Möhl

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