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Im Kiez. Das Konzept der Berliner Architektengruppe Collignon setzt auf kompakte Wohneinheiten.

© Visualisierung: Dr. Wolfgang Schroeder GmbH & Co. KG

Neubau in Schöneberg: Eine Brücke ins Grüne

An der Bautzener Straße entsteht ein neues Stadtquartier mit 300 Mietwohnungen. Ein Geh- und Radweg entlang der S-Bahn soll direkt zum Park am Gleisdreieck führen.

Ende Mai öffnet an den Yorckbrücken beim Hellweg-Baumarkt ein neuer Biohändler. Gegenüber an der Bautzener Straße drehen sich die Kräne für den Neubau von 300 Wohnungen und Gewerbe. Und quer dazwischen steht eine sanierte Eisenbahnbrücke, Baujahr 1883, an beiden Seiten wie abgehackt. Ein paradoxer Anblick. Was soll das gute Stück, die „Brücke Nr. 5“, an dieser Stelle, werden sich viele Autofahrer fragen, die beinahe pausenlos unter den Yorckbrücken zwischen den Stadtteilen Schöneberg und Kreuzberg hin und her pendeln.

In der Architektenzeichnung für das neue Stadtquartier Bautzener Straße verbindet das historische Brückenbauwerk elegant das Wohngebiet mit der nördlichen Seite der Yorckstraße, da, wo jetzt der Biomarkt steht. Allerdings stößt der Brückenstummel dort fast gegen eine Wand. Das Dach des Neubaus ist offensichtlich höher als das Brückenniveau. Waren in Tempelhof-Schöneberg etwa Schildbürger am Werk?

Baustadtrat Jörn Oltmann bestätigt die etwas kuriose Situation: „Der Niveauunterschied ist in der Wahrnehmung tatsächlich recht deutlich.“ Und er liefert eine Erklärung. Dies werde optisch durch die Attika hervorgerufen. „Bei der späteren Konstruktion ist dies jedoch nicht mehr von starker Erheblichkeit. Die neu an die Yorckbrücke 5 angeschlossene Brücke bekommt einen Rad- und Fußwegeaufbau, der weiter über das Dach in leichtem Anstieg verläuft. Die Attika des Biomarktes erhält dann einen Einschnitt, um die Aufnahme des Weges auf dem Dach zu ermöglichen.“ So weit die Theorie. Die künftigen Mieter der Neubauwohnungen zwischen Bautzener Straße und S-Bahn-Gleisen könnten mit dem Fahrrad problemlos in Richtung Potsdamer Platz rollen, zweifellos ein Standortvorteil.

Auf der anderen Seite der Gleise wird ebenso eifrig gebaut

Um die Wohnanlage selbst wurde jahrelang gestritten. Umweltschützer und auch einige Anwohner hätten lieber die alte Eisenbahnbrache mit den eher unauffälligen Autoschrotthändlern behalten. Die sieben quer zu den Gleisanlagen stehenden Wohnblöcke mit sechs Geschossen inklusive eines Staffelgeschosses versperren nun den Altmietern die Sicht nach Südosten. Auch wird es künftig nicht mehr so ruhig sein an der Bautzener Straße. Die wachsende Stadt bringt Veränderung und Verdichtung.

Von der baulichen Anmutung erinnert das neue Quartier in der Bautzener Straße an das Projekt der Genossenschaft Möckernkiez nur 300 Meter weiter. Dort wird auf der anderen Seite der Gleise auf Kreuzberger Terrain ebenso eifrig gebaut wie in Schöneberg. Im Bereich zwischen Yorck- und Möckernstraße sind 471 Wohnungen für Genossenschaftsmitglieder geplant. Neben den zu zahlenden relativ hohen Einstiegsmieten von durchschnittlich elf Euro pro Quadratmeter mussten allerdings zuvor noch Anteile von 920 Euro pro Quadratmeter Wohnfläche berappt werden.

Auf der Schöneberger Seite will der Bauherr, die Dr. Wolfgang Schroeder GmbH & Co. KG aus Dortmund, „mehr Verbindungen, mehr Miteinander“ und, wie es in einem Werbeprospekt heißt, „mehr sozialverträglichen Wohnraum“ schaffen. 45 der rund 300 Mietwohnungen sollen öffentlich gefördert und für 6,50 Euro pro Quadratmeter angeboten werden. Das Konzept der Berliner Architektengruppe Collignon setzt auf kleine, kompakte Wohneinheiten. Mehr als die Hälfte der Wohnungen hat weniger als 65 Quadratmeter Fläche. Die Nachfrage nach kleinen Einheiten sei stark angestiegen, heißt es bei der Schroeder-Immobiliengesellschaft.

Erste Mieter können im Herbst 2018 einziehen

Im Kiez. Das Konzept der Berliner Architektengruppe Collignon setzt auf kompakte Wohneinheiten.
Im Kiez. Das Konzept der Berliner Architektengruppe Collignon setzt auf kompakte Wohneinheiten.

© Visualisierung: Dr. Wolfgang Schroeder GmbH & Co. KG

Im Gewerbeteil wird ein Rewe-Lebensmittelmarkt mit 1 600 Quadratmetern Verkaufsfläche entstehen. Die Neubewohner und Nachbarn können sich auf ein Fitnessstudio und kiezverträgliche Angebote wie Blumenladen und Zeitungskiosk freuen. Im separat stehenden Gebäude der Kindertagesstätte sollen 27 Mädchen und Jungen Platz finden. Auch an Parkmöglichkeiten haben die Investoren gedacht. Für den Einkauf bei Rewe stehen in der Tiefgarage 50 Plätze zur Verfügung, für die Mieter weitere 140; rund 300 Fahrräder können in den Häusern abgestellt werden.

Inzwischen haben die Dortmunder bereits einen Berliner Partner für die Vermietung der Wohnungen gefunden. Maren Vorwerk, Assistentin der Geschäftsführung bei der Dr. Wolfgang Schroeder GmbH & Co. KG: „Das wird die Allod-Immobilienverwaltung machen. Im Sommer kommt ein Vertriebscontainer an die Bautzener Straße. Dort können sich Interessenten Grundrisse anschauen und andere Fragen klären.“ Die Allod mit Firmensitz in Marienfelde ist aktuell auch an der Halleschen Straße am Anhalter Bahnhof in der Erstvermietung für das Neubauprojekt „Truly“ aktiv.

Für Stadtrat Oltmann steht die "Brücke Nr. 5" oben auf der To-do-Liste

Die Neumieter in der Bautzener Straße werden in etwas mehr als einem Jahr erwartet. „Wir gehen davon aus, dass die ersten Wohnungen im dritten Quartal 2018 bezugsfertig sind“, sagt Vorwerk. Baustadtrat Oltmann begrüßt das Projekt: „Ich schätze das Bauvorhaben als gewinnbringend für den nahe liegenden Kiez ein.“

Ob die neuen Mieter – und auch die Altbewohner – aber schon mit dem Rad oberhalb der Yorckstraße zum Gleisdreieckpark oder zum Potsdamer Platz fahren können? „Das liegt nicht in unserer Hand. Wir haben in einem städtebaulichen Vertrag zugesichert, dass wir die Kosten übernehmen. Für die Umsetzung der Maßnahme sind aber die Berliner Behörden verantwortlich“, sagt die Sprecherin der Investorengruppe.

Für Stadtrat Oltmann jedenfalls steht die „Brücke Nr. 5“ ganz oben auf der To-do-Liste: „Wir sind im Kontakt mit der Senatsverwaltung und wollen den Rad- und Fußweg über die Brücke realisieren. Die vorgetragenen Sicherheitsbedenken, was den Aufprallschutz betrifft, nehmen wir ernst.“ Der Bezirkspolitiker setzt darauf, dass „in den nächsten Wochen die entscheidenden Weichenstellungen“ vorgenommen werden.

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