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Russisch Brot. Im vergangenen Jahr war Russland der größte ausländische Aussteller auf der Grünen Woche. Doch in diesem Jahr werden Besucher die Rusland-Halle vergeblich suchen.

© picture alliance / dpa

Grüne Woche in Berlin ohne Russland: Einer der größten Aussteller bleibt der Messe schweigend fern

Kaviar, Blinis, Wodka sind Vergangenheit - vorerst jedenfalls. Auf der weltgrößten Ernährungsmesse ist Russland erstmals nicht vertreten.

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Prächtig war sie immer die Halle, die Russland auf der Grünen Woche belegt hatte. Groß. Aufwendig. Mit Ständen aus Regionen, von denen nur Einser-Erdkundeschüler je gehört hatten. Kaviar häppchenweise, Wodka massenweise, dazu gesunde Cranberrysäfte aus Sibirien. Volkstänze hatte es früher in der Russland-Halle gegeben und jede Menge wichtig aussehender Funktionäre.

Doch im letzten Jahr hatte die Pracht schon ein wenig gelitten. Es hätte durchaus noch Raum gegeben in der 6000 Quadratmeter großen Halle für weitere Aussteller und Publikum – obwohl Russland damals noch immer der größte ausländische Aussteller auf der weltgrößten Landwirtschaftsmesse war.

Doch in diesem Jahr fehlt das Land komplett. „Russland hat sich nicht angemeldet“, sagte Wolfgang Rogall von der Messe Berlin dem Tagesspiegel. Demnach gab es keine offizielle Absage, keine Begründung für das Fernbleiben des Landes – „wir haben schlicht nichts gehört“.

Eine offizielle Anmeldefrist für die Messe gibt es nicht, in der Regel meldeten sich die Teilnehmer aber bis zum Herbst beim Veranstalter. Da in Russland Weihnachten traditionell am Dreikönigstag, dem 6. Januar, gefeiert wird und dort jetzt Ferien sind, rechne man nicht mehr mit einer Last-Minute-Zusage. „Zu diesem Zeitpunkt ließe sich das auch nicht mehr realisieren.“

2009 machte Putin noch einen Rundgang mit Merkel

Russland ist seit 1993 auf der Grünen Woche vertreten, seit 2006 als einer der größten Aussteller. Damals trat es als zweites Partnerland nach Tschechien auf. 2009 machte Präsident Wladimir Putin gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel einen Rundgang über die Messe.

„Russland hat die Gelegenheit immer sehr zum Kontaktknüpfen genutzt“, sagt Rogall. Traditionell werden im Rahmen der Grünen Woche auch lukrative Verträge geschmiedet, etwa über den Bau großer Geflügelfarmen. „Es kommt immer wieder vor, dass Länder ein oder mehrere Jahre aussetzen, zum Beispiel, wenn es einen Wechsel in der Regierung oder zuständigen Verwaltung gegeben hat“, erklärt Wolfgang Rogall. So fehle dieses Jahr auch Sudan.

Doch Sudan ist nicht Russland. Das osteuropäische Land war seit der ersten Teilnahme kontinuierlich dabei. Und das mit einer beeindruckenden Angebotsvielfalt: Mit Spezialitäten aus nahezu allen Landesregionen von St. Petersburg bis ins ferne Tomsk. In Halle 2.2. am Eingang Süd, wo sonst Russland anzutreffen war, wird in diesem Jahr nun die Blumenausstellung zu sehen sein. Das habe mit dem Boykott Russlands aber nichts zu tun, heißt es – man hätte so oder so umdisponieren müssen.

In diesem Jahr überschneiden sich Grüne Woche und Fashion Week, die am 18. Januar startet. Die Agrarmesse beginnt am Freitag nächster Woche. Die Gesamtfläche – zuletzt 120.000 Quadratmeter – werde insofern ohnehin etwas geringer ausfallen, sagt der Veranstalter, betont aber, dass die Netto-Ausstellfläche nahezu unverändert sei. Mit anderen Worten: Die Stände rücken enger zusammen, die Besucher müssen sich – noch – ein bisschen dichter drängen.

Größter ausländischer Aussteller wird neben dem offiziellen Partnerland Marokko nun Norwegen sein, das seine Beteiligung auf 80 Aussteller deutlich aufgestockt hat. Auch die Schweiz und Österreich hätten in diesem Jahr mehr Fläche gebucht, heißt es, dazu wird sich das Entwicklungsministerium erstmals in einer eigenen Halle unter dem Motto „Eine Welt ohne Hunger ist möglich“ präsentieren. Insofern sei Russlands Abwesenheit „gut zu kompensieren“.

Einfuhrstopp schadet deutschen Bauern

Die Messe, sagt Rogall, habe natürlich versucht, Russland auch in diesem Jahr für eine Teilnahme zu gewinnen. Offensichtlich ohne Erfolg.

Einer der Gründe für die Nicht-Teilnahme Russlands dürfte aber wohl der schwelende politische Konflikt mit der Europäischen Union sein. Die EU hatte in der Krim-Krise Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt, im Sommer 2014 hatte Russland im Gegenzug ein Embargo gegen westliche Agrarprodukte ausgesprochen, das auch heute noch gilt.

Der Einfuhrstopp hat den deutschen Bauern schwer geschadet. „Die deutschen Bauern verlieren jährlich knapp eine Milliarde Euro durch den Ausfall Russlands beziehungsweise die dadurch gesunkenen Preise wegen des Mengendrucks“, sagte der Sprecher des Deutschen Bauernverbands, Michael Lohse, am Freitag. Vor allem Schweinefleisch und Milch sind billig.

Auch Asien wird zur Problemregion

Vor dem Embargo hatten deutsche Schweinehalter 1,80 Euro pro Kilogramm Schlachtgewicht für ihre Tiere bekommen, jetzt sind es gerade einmal 1,28 Euro. Zudem wissen die Schweinemäster nicht, wohin mit den Teilen, die deutsche Verbraucher liegen lassen – Schweinebauch etwa, den die Russen gern essen, oder Füßchen, Schnauze und Ohren, die früher vor allem von Asiaten nachgefragt worden sind. Doch auch in Asien geht wegen der schwierigen Wirtschaftslage der Absatz zurück.

Den Bauern macht all das Sorge. „Wir vergleichen das Jahr für die deutsche Landwirtschaft durchaus schon wieder mit der Situation 2008/2009, dem Jahr der Finanz- und Wirtschaftskrise“, berichtet Lohse.

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