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Die Start-ups machen Banken verstärkt Konkurrenz.

© Fotolia, Montage: Gitta Pieper-Meyer

Geldgeschäfte der Zukunft: Start-ups machen den Banken Konkurrenz

Immer mehr Start-ups bringen Produkte auf den Markt, mit denen sie den klassischen Banken Konkurrenz machen. Sie bauen Bezahl-Apps, vermitteln online Kredite oder helfen bei der Geldanlage. Oft sind sie schneller und günstiger als die großen Institute.

Von Carla Neuhaus

Sein Portemonnaie vergisst Jonas Piela schon mal zuhause. Sein Smartphone nicht. Deshalb ärgert es ihn, dass seine Bank keine vernünftige App anbietet, mit er im Café per Handy bezahlen kann. Oder mit der sich Geld, das er geliehen hat, schnell per sms überweisen lässt. Jetzt entwickelt Piela mit acht Mitstreitern sein eigenes Girokonto. Ein Girokonto rein fürs Smartphone.

„We fix banking“ steht auf einem Schild, das in ihrem Berliner Büro an der Wand pappt. Wenn Pielas Konto namens Avuba Ende des Jahres auf den Markt kommt, soll es Bankgeschäfte leichter machen. Wer kleine Beträge überweisen will, muss dann keine Tannummer mehr eingeben. Ein- und Auszahlungen werden automatisch in Kategorien wie Miete oder Shopping einsortiert. Mit der Avuba-Karte soll man Geld zudem an jedem Bankautomaten abheben können – und zwar kostenlos. Das ist revolutionär. Vor allem weil Avuba eine Tech-Firma ist. Keine Bank.

Eine Banklizenz haben viele der kleinen Firmen nicht

Wie Piela bringen derzeit immer mehr Start-ups Produkte auf den Markt, mit denen sie den klassischen Banken Konkurrenz machen. Sie bauen Bezahl-Apps fürs Smartphone, vermitteln Kredite online oder kümmern sich um die Geldanlage. In der Gründerszene heißen sie Fintechs – ein Kunstwort aus den Begriffen Finanzen und Technologie. Nachdem Techfirmen mit ihren Onlineangeboten den Handel mit Büchern, Musik oder Kleidung verändert haben, ist jetzt die Bankbranche dran. Als Kunden wollen die Start-ups vor allem die „digital natives“ für sich gewinnen: junge Menschen, die mit Internet und Smartphone aufwachsen. Ihnen wollen die Gründer zeigen, dass Banking einfach geht, schnell und mobil. Sie folgen damit Microsoft-Gründer Bill Gates, der sagt: „Banking ist notwendig, Banken sind es nicht.“

Denn für ihr Geschäft brauchen die meisten Techfirmen keine Banklizenz. So vermittelt das Berliner Start-up Lendico Konsumentenkredite: Während die einen Nutzer über die Plattform im Netz Kredite nachfragen, stellen andere Verbraucher das Geld bereit und bekommen dafür Zinsen. Das Start-up ist dabei nur der Mittler, der Anleger und Kreditnehmern zusammenbringt. Die Zahlungen im Hintergrund übernimmt eine Bank.
Das zeigt zwar, dass es komplett ohne klassisches Geldhaus nicht geht. Allerdings verändert sich die Rolle der Banken. Würden die Geldhäuser nicht bald aktiv, könnten sie in zehn Jahren nur noch Dienstleister für Unternehmen sein, die heute noch Start-ups sind, sagt Claus-Peter Praeg. Er erforscht am Fraunhofer Institut für Arbeitswirtschaft und Organisation (IAO) die Zukunft der Banken. Die Entwicklung sei für die Geldhäuser gefährlich, da sie so den Kontakt zum Kunden verlieren würden, sagt er.

Der Marktanteil der Start-ups könnte 2020 bei 35 Prozent liegen

Das Problem: „Die Geldhäuser nehmen viele Start-ups noch nicht ernst und halten sie für kleine Nischenanbieter, die ihnen nicht gefährlich werden können.“ Doch das sei ein großer Fehler, meint Praeg. Die Unternehmensberatung Accenture rechnet damit, dass traditionelle Banken in den USA bereits bis 2020 etwa 35 Prozent Marktanteil an die Start-ups abgeben könnten.

Jüngere könnten eine Google- oder Facebook-Bank gar nicht so schlimm finden

Die Start-ups machen Banken verstärkt Konkurrenz.
Die Start-ups machen Banken verstärkt Konkurrenz.

© Fotolia, Montage: Gitta Pieper-Meyer

Die Gründer machen das, was eigentlich Aufgabe der Geldinstitute sein sollte: Sie übersetzen das klassische Bankgeschäft ins digitale Zeitalter. „Indem die Banken nicht handeln, machen sie es den Start-ups extrem leicht, in den Markt zu kommen“, bestätigt Jochen Gutbrod, der selbst lange in der Bankbranche gearbeitet hat und heute als Investor Fintech-Firmen finanziert. Jungen Menschen, sagt er, würden die Marken bekannter Banken viel weniger bedeuten als der älteren Generation, die es noch gewohnt ist, an den Bankschalter zu gehen. „Die Jungen könnten in Zukunft einer Google- oder Facebook-Bank mehr vertrauen als den heutigen Großinstituten.“ Und: Eine Google- oder Facebook-Bank ist längst keine Illusion mehr – eine Banklizenz haben beide IT-Firmen bereits beantragt. „Die Banker diskutieren viel über bessere Strategien für das digitale Geschäft“, sagt Karl Matthäus Schmidt, „aber umgesetzt haben sie davon bislang wenig.“ Schmidt kritisiert damit seine Kollegen, denn er ist Chef der Berliner Quirin Bank. In der Branche gilt er als Vordenker. Bereits mit Mitte 20, noch während des Studiums, hat er den Online-Broker Consors gegründet. Auch mit der Quirin Bank, die er seit 2005 leitet, geht er neue Wege: Über das neue Online-Portal Quirion können Kunden ihr Geld im Netz nach standardisierten Strategien anlegen. „Nicht jeder Kunde will persönlich beraten werden“, sagt Schmidt. „Manche wollen sich die für sie passende Anlage einfach online raussuchen.“

Kleine Banken und Start-ups sind im Vorteil

Dass das Berliner Geldhaus schneller als andere Institute mit so einem Produkt auf den Markt kommt, liegt auch daran dass das Haus mit 190 Mitarbeitern vergleichsweise klein ist. Denn bei einer Großbank müssen die Entscheidungen erst einmal durch eine Vielzahl von Abteilungen und Gremien durch. Zudem haben sie alte IT-Systeme, in die sich neue Technologien nur schwer integrieren lassen. „Große Banken können Innovationen deshalb gar nicht so schnell vorantreiben wie kleine, agile Start-ups“, sagt Wissenschaftler Praeg.

Brauchen Gründer nur ein bis drei Monate, um ein neues Produkt auf den Markt zu bringen, dauere das bei einer Bank zwei bis drei Jahre. Die Commerzbank hat deshalb im März den Main Incubator gegründet, der Start-ups aus der Fintech-Szene mit Beteiligungskapital und Know-how unterstützt. Ähnlich wie Telekom oder Microsoft will die Bank über solch ein Förderprogramm mit Gründern in Kontakt kommen. „Wir wollen die Zukunft mitgestalten“, sagt Bereichsvorstand Holger Werner. Wie viel Konkurrenz junge Start-ups den Geldhäusern machen können, wenn sie selbst nicht reagieren, zeigt die Entwicklung des Internetbezahldienstes Paypal. „Paypal ist am Anfang von vielen auch nicht ernst genommen worden“, sagt Praeg. Heute werden über das Bezahlverfahren bereits ein Viertel aller Onlinekäufe in Deutschland abgewickelt.

Zum Weiterlesen: Woran die Berliner Start-ups der Fintech-Szene gerade arbeiten

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