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Ei des Anstoßes: Das Warnsystem funktioniert nicht, klagt Foodwatch.

© dpa

Fipronil-Skandal: Offenbar mehr belastete Eier in den Handel gelangt

Vermutlich sind bereits deutlich früher und mehr belastete Eier in den Handel gelangt als bisher bekannt. Verbraucherschützer kritisieren: Konsumenten werden zu spät gewarnt.

Von Maris Hubschmid

Der Skandal um mit Fipronil belastete Eier wirft immer neue Fragen auf: Womöglich sind weit mehr als die zuletzt genannten 10,7 Millionen Eier in den Handel gelangt. Die Zahl der betroffenen Betriebe und möglicherweise belasteten Eier verändere sich fortlaufend, hieß es am Donnerstag aus dem Ernährungsministerium. Verlässliche Zahlen könne man deshalb nicht nennen. Nach jüngstem Kenntnisstand ist in Niedersachsen bereits am 9. Februar das mutmaßlich mit Fipronil belastete Reinigungsmittel DEGA 16 in Ställen zum Einsatz gekommen. Die niederländischen Behörden hätten sogar schon im November 2016 einen anonymen Hinweis erhalten, dass mit Fipronil versetztes Desinfektionsmittel in der Geflügelhaltung im Einsatz sei, erfuhr der Tagesspiegel aus Ministeriumskreisen. Die Niederländer seien aber zu der Einschätzung gekommen, dass keine Verbrauchergefährdung vorliege.

Sieben Produkte positiv auf Fipronil getestet

Weshalb sie nicht dennoch die Nachbarländer informierten, ist unklar. Richtig ist wohl, dass die Gesundheit zu keinem Zeitpunkt akut gefährdet war. Um den empfohlenen Grenzwert von Fipronil zu überschreiten, hätten Erwachsene Experten zufolge sieben Eier am Tag essen müssen – Kinder allerdings bloß eins. Auch in vielen verarbeiteten Produkten stecken Eier. Eine Auswertung eihaltiger Lebensmittel aus Brandenburg, Thüringen, Hessen und Mecklenburg-Vorpommern brachte unter 42 Proben sieben positive. Der Bund habe alle Länder aufgefordert, Proben einzureichen, insgesamt sollen 700 Produkte untersucht werden. Niederländische Eier aus den verdächtigen Chargen seien in sämtliche Bundesländer gelangt, heißt es. Insgesamt sind 20 EU-Länder und sechs Drittstaaten betroffen.

Die Organisation Foodwatch kritisierte am Donnerstag die Informationspolitik im Fall Fipronil und den grundsätzlichen Umgang mit Lebensmittelwarnungen. Diese kämen bei den Menschen oft nicht an, heißt es im Fazit des Berichts „Um Rückruf wird gebeten“, den die Verbraucherorganisation in Berlin vorstellte. In etlichen Fällen entschieden sich Unternehmen und Behörden zu spät, manchmal auch gar nicht für eine erforderliche Rückrufaktion und die Information der Öffentlichkeit. Die Verbraucherschützer bemängeln dabei ausdrücklich auch das staatliche Portal „lebensmittelwarnung.de“, das sie als gescheitert bezeichnen. Fast jeder zweite Rückruf erscheine verzögert, steht in dem Report, für den 92 Rückrufaktionen ausgewertet wurden. Dabei reiche die Verspätung von Tagen bis hin zu Wochen.

Verantwortung liegt bei den Herstellern

Agrarminister Christian Schmidt (CSU) räumte Mängel ein. Derzeit werde geprüft, wie man das Verbraucherschutzportal „gemeinsam mit den Ländern benutzerfreundlicher gestalten“ könne, erklärte der Minister am Donnerstag. „Die Erfahrungen der letzten Wochen zeigen: Beim Thema Verbraucherinformation können wir noch besser und vor allem schneller werden.“ Auch habe er seine für die Lebensmittelüberwachung zuständigen Amtskollegen in den Ländern darauf hingewiesen, dass das Vorgehen besser koordiniert werden sollte.

Insgesamt rufen Hersteller Foodwatch zufolge erheblich öfter Produkte zurück als noch vor einigen Jahren. Demnach wurden in den vergangenen fünf Jahren mehr als 500 Mal Lebensmittel zurückgerufen – also im Durchschnitt mehr als zwei pro Woche. Nach Angaben des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit gingen die meisten Fälle auf Verunreinigungen wie Salmonellen oder Listerien zurück. In immerhin 27 Prozent der Fälle waren Fremdkörper wie Plastik- oder Glasstücke in die Produkte gelangt. Foodwatch mahnte mangelhafte Regeln im deutschen und europäischen Lebensmittelrecht an: Der Staat dürfe die Risikoeinschätzung nicht den Unternehmen überlassen.

Tatsächlich sind in Deutschland zuallererst die Hersteller dafür verantwortlich, dass ihre Produkte verkehrsfähig sind. Dass der Fall Fipronil überhaupt entdeckt wurde, ist einem Zufall zu verdanken: Ein belgischer Hersteller, der Zutaten routinemäßig überprüfen ließ, hatte diesmal ein anderes Labor mit der Kontrolle beauftragt. Dieses testete die Eier auch auf Fipronil.

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