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Persönlich. Filialleiter Kemper lädt seine Kunden zum Kaffee ein.

© Thilo Rückeis

Filialen der Zukunft: Banken suchen eine neue Strategie

Die Bankkunden wandern ins Internet ab. Wie die Geldhäuser die Kunden wieder in die Filialen locken wollen.

Von Carla Neuhaus

Berlin - David Kemper mag es ordentlich. Hier schiebt er einen Schreibtischstuhl an den Tisch heran. Dort ordnet er ein paar Zeitschriften auf dem Beistelltisch. „Unsere Filiale soll ein Ort zum Wohlfühlen sein“, sagt er. Der 36-Jährige leitet die Zweigstelle der Berliner Bank in Prenzlauer Berg, die erst kürzlich nach einem Umbau neu eröffnet worden ist. Im Eingangsbereich führt ein Teppich zum Empfangstresen, daneben stehen Sessel und Couchtisch. „Viele der Kunden meinen, es sehe hier jetzt aus wie in einem Hotelfoyer“, sagt Kemper.

Wie die Berliner Bank verpassen fast alle Filialbanken ihren Zweigstellen derzeit einen Umbau. Die Räume werden heller, es entstehen mehr ruhige Ecken für die Beratung. Die Banken wollen die Kunden auf diese Weise wieder in die Filiale locken. Denn viele machen ihre Bankgeschäfte mittlerweile per Smartphone oder Tablet-PC, schließen Verträge online ab und informieren sich verstärkt im Netz, statt sich persönlich beraten zu lassen.

Für die Banken wird das zum Problem. Denn die Filialen sind extrem teuer. „Sie machen 45 bis 50 Prozent der Kosten im Privatkundengeschäft aus“, sagt Til Klein, Partner bei der Unternehmensberatung Boston Consulting Group. Die Kosten fallen umso stärker ins Gewicht, je weniger Kunden vorbeikommen und je weniger Verträge vor Ort abgeschlossen werden.

Die Folge: Die Institute schließen Filialen – und bauen die Zweigstellen, die übrig bleiben, um. Die Berliner Bank – seit 2010 eine Niederlassung der Deutschen Bank – hat seit Januar bereits neun Filialen geschlossen, acht weitere machen bis 2014 zu. Gleichzeitig investiert das Institut fünf Millionen Euro in den Neubau einer Zweigstelle und den Umbau von vier Filialen. Die Berliner Volksbank hat in den letzten zwei Jahren bereits 20 Filialen geschlossen oder zusammengelegt. Gleichzeitig hat sie mehreren Einheiten ein frisches Aussehen verpasst.

Selbst die Commerzbank, die im ersten Halbjahr rote Zahlen schrieb und mit einer Reihe von Problemen kämpft, investiert in ihr Netz: Bis 2016 will das Institut rund eine Milliarde Euro ins Privatkundengeschäft stecken. Ein Teil dieses Geldes fließt auch nach Berlin. In der Uhlandstraße eröffnet die Commerzbank im Dezember eine Pilotfiliale, in der sie neue Konzepte testen will. Wer dort zum Beispiel eine Kreditkarte beantragt, soll sie sofort mitnehmen können und nicht erst auf die Post warten müssen.

Die Bankfiliale habe „im Zeitalter des Internets deutlich mehr Potenzial, als viele denken“, glaubt Martin Zielke, Privatkundenvorstand der Commerzbank. Denn die Kunden wollten auf die Möglichkeit, sich persönlich beraten zu lassen, nicht gänzlich verzichten. In Zukunft würden die Unterschiede zwischen Direktbanken, die ihre Produkte nur im Internet verkaufen, und den klassischen Geschäftsbanken verschwimmen. Filialbanken bauen ihre Präsenz im Netz aus, während auch die Internetbanken verstärkt den persönlichen Kontakt zum Kunden vor Ort suchen. „Sie stellen Außenmitarbeiter ein oder gründen Kooperationen mit Filialbanken oder Handelsketten“, sagt Klaus Schilling von der Beratungsfirma Steria Mummert.

Die Beziehung der Bank zu ihren Kunden wandelt sich. Die Zeiten, in denen die Zweigstelle einer Art Behörde glich, sind lange vorbei. „Die Kunden stellen heute höhere Anforderungen an die Bank“, sagt Alexander Hein, der das Finanzcenter der Berliner Volksbank am Kurfürstendamm leitet. Auch seine Zweigstelle ist kürzlich komplett umgebaut worden. Früher wurden die Kunden hier an einem großen Stehtisch in der Mitte der  Filiale bedient. „Marktplatzanordnung“ nannten die Banker das – der Kunde sollte möglichst schnell und effizient bedient werden. „Heute haben wir dagegen viel mehr Rückzugsmöglichkeiten“, sagt Hein. Vorne steht jetzt ein Empfangstresen, weiter hinten trennen milchige Glaswände einzelne Beratungszimmer ab.

Ein räumlicher Umbau wird allerdings nicht reichen, um die Kunden dazu zu bringen, in die Filialen zu kommen, sind sich die Fachleute einig. Wer heute in eine Zweigstelle gehe, werde dort noch viel zu häufig von den Beratern als reiner „OfflineKunde“ wahrgenommen, kritisiert Jürgen Moormann, Bankenprofessor an der Frankfurt School of Finance. „Die Banken müssen in Zukunft viel stärker auch neue Technik in der Filiale einsetzen, die online und offline verbindet.“

Wie das funktionieren kann, testet die Deutsche Bank in der Friedrichstraße: In ihrer „Bank der Zukunft Q110“ steht mitten im Raum ein Tisch, dessen Oberfläche einem überdimensionalen Tablet- Computer gleicht. Die Kunden werden aufgefordert, darauf kleine Bildchen anzuklicken und damit auszudrücken, wofür sie sparen: Ein Haus, ein Auto, fürs Alter? „Der Touchscreen hilft, um ins Gespräch zu kommen und die erste Hemmschwelle zu überwinden“, sagt Filialleiterin Nadin Chucher. Noch ist ihre Zweigstelle allerdings die einzige im großen Konzern der Deutschen Bank, in der der Tablet-Tisch zum Einsatz kommt.

Auch andere Institute experimentieren mit iPads in der Beratung, setzen sie bislang aber kaum flächendeckend ein. So hat die Berliner Bank die Mitarbeiter in der neugestalteten Filiale in Prenzlauer Berg mit Tabletcomputern ausgestattet. „Über die Tablets können wir auf unseren Kalender zugreifen oder Formulare runterladen“, sagt Filialleiter Kemper. Allerdingst stoßen die Banker beim Einsatz der neuen Technik schnell an ihre Grenzen. Persönliche Daten von Kunden dürfen sie darauf zum Beispiel weder speichern noch abrufen.

Auch andere Ideen scheitern in der Umsetzung am Datenschutz. So haben gleich mehrere Banken Konzepte für die Videoberatung in der Schublade liegen – tun sich mit der Umsetzung aber schwer. Die Berliner Volksbank plant etwa, Experten für die Baufinanzierung per Videoschalte ins Beratungsgespräch vor Ort zuzuschalten. Davon sollen vor allem kleinere Filialen profitieren. Doch noch fehlt die geeignete Software, die nicht so leicht gehackt werden kann.

David Kempers Strategie für die Zukunft ist derweil ganz altmodisch. „Bei uns sollen die Kunden auch einfach mal auf einen Kaffee vorbeikommen“, wünscht sich der Filialleiter aus Prenzlauer Berg.

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