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Zu wenig Autos mit zu kurzer Reichweite und zu hohem Preis und dazu noch zu wenig Ladesäulen - das alles bremst derzeit den Absatz von Elektroautos.

© Petair - Fotolia

Elektromobilität: Harte Regeln, weiche Anreize

Die Kaufprämie bleibt liegen, Kunden sind verunsichert: Experten diskutieren beim Tagesspiegel, wie Autodeutschland an den Strom kommt.

Elektromobilität ist in Mode, sie ist chic, teuer und in aller Munde – nur Geld lässt sich damit nicht verdienen. Die Autohersteller haben Milliarden investiert, der Bund hat mit Milliarden gefördert, 80 Elektroauto-Modelle stehen in Deutschland inzwischen zur Auswahl. Doch die Käufer zögern – obwohl der Staat ihnen seit Mai bis zu 4000 Euro „Umweltbonus“ beim Kauf eines E-Mobils dazugibt. Zugleich tickt die Uhr: Ab 2021 müssen die Autokonzerne strengere CO2-Grenzwerte einhalten, sonst drohen empfindliche Strafen. Und bis 2050, so sieht es das Pariser Klimaabkommen vor, sollte die Weltwirtschaft klimaneutral sein.

Wie kommt Autodeutschland an den Strom? Beim ersten Tag des 6. eMobility Summits des Tagesspiegels gingen die Vorschläge der Experten, wie die Verkehrswende zu schaffen sei, weit auseinander. Ein häufig geäußerter Befund: Die Kunden sind verunsichert, was sie von der neuen Technik halten sollen, das Angebot an E-Autos ist immer noch klein und exklusiv, und die Ladeinfrastruktur weist immer noch zu große Lücken auf.

Henning Kagermann, der Vorsitzende der Nationalen Plattform Elektromobilität (NPE), warnte jedoch vor schnellen Schlussfolgerungen. „Es ist zu früh, negativ zu sein“, sagte er. Erst 2017 werde man sehen, ob die Kaufprämie Wirkung zeige und die Entwicklung der Elektromobilität Fahrt aufnehme. Kagermann glaubt, dass die deutsche Autoindustrie ihrem Führungsanspruch bislang gerecht geworden ist. „Sie hat einen guten Job gemacht.“ Zu lange habe hingegen die Diskussion über eine direkte Förderung der Verbraucher gedauert. „Jetzt gibt die Prämie uns die Chance, bis 2020 doch noch eine Million E-Autos auf die Straße zu bringen“, sagte Kagermann. Aktuell sind es kaum mehr als 60 000.

Daimler will bis 2015 zehn neue E-Modelle auf den Markt bringen. „Wir geben Strom“, sagte Vorstandsmitglied Ola Källenius. Doch nur ein „einstelliger Prozentanteil“ vom Umsatz (rund 150 Milliarden Euro) entfalle aktuell auf die Elektromobilität, 2020 könne er zweistellig werden – und bis 2025 bei der Hälfte liegen. Vorausgesetzt das optimistischste Szenario der Daimler-Strategen tritt ein und ein Viertel aller Neuwagen auf dem Markt ist 2025 elektrisch. Daimler hält allerdings auch nur 15 Prozent für denkbar, das heißt: 85 Prozent aller Neuwagen hätten einen Verbrennungsmotor.

Würde ein Verbot von Benzinern und Dieselautos ab 2030 die Wende zur Elektromobilität beschleunigen, wie der Bundesrat empfiehlt? Claudia Kemfert vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) schlägt zunächst eine höhere Dieselbesteuerung vor, um die indirekte Subventionierung zu beenden. Trotz der Befreiung von der Kfz-Steuer glaubt die Ökonomin: „Elektroautos haben tendenziell einen steuerlichen Nachteil.“ Kemfert plädiert außerdem für die Einführung einer blauen Plakette, die der Bund unlängst verworfen hat. Auch Winfried Herrmann, grüner Verkehrsminister im Autoland Baden-Württemberg, würde Diesel, die keine Euro 6-Norm einhalten, gerne aus den Innenstädten verbannen. Im Bundesrat hat sich das Land indes beim Thema Verbote enthalten. „Die radikalen Schritte schreitern in der Politik immer“, sagte der grüne Minister.

Eine Kombination aus „harter Regulierung und weichen Anreizen“ hält Gareth Dunsmore für ideal. Der Leiter für Elektroantriebe bei Nissan Europe ist sich sicher, dass Deutschland ein Leitmarkt der Elektromobilität werden wird. „Lassen Sie sich nicht demotivieren“, appellierte er.

Mit 300 Millionen Euro fördert der Bund den Ausbau der Ladeinfrastruktur. 15 000 Ladestellen sollen bis 2020 errichtet werden. 400 Schnelllader sollen Autofahrer an den Autobahnraststätten finden. Bis Ende 2017 soll dieses Netz fertig sein, wie Norbert Barthle, parlamentarischer Staatssekretär im Verkehrsministerium, hofft. „Alle Hersteller sollten die Technik für schnelles Laden in ihren E-Autos serienmäßig anbieten“, forderte der CDU-Politiker. Beim neuen E-Smart von Daimler, der 2017 auf den deutschen Markt kommt, kostet der Schnelllader extra.

Und wie hart kann die Regulierung sein? Die Konzerne müssten ihre hohen Investitionen in die Elektromobilität finanzieren können, sagte Wolfgang Scheremet, Leiter der Abteilung Industriepolitik im Wirtschaftsministerium. „Wer Verbote ausspricht, riskiert die Akzeptanz der Bevölkerung.“ Doch die Nutzer wollen einfache Lösungen. Zum Beispiel Ladesäulen, an denen alle Abrechnungssysteme und Stecker funktionieren. „Wenn ich mit meinem E-Auto zum Flughafen Tegel fahre, kann ich dort nicht nachladen“, berichtete NPE-Chef Kagermann.

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