zum Hauptinhalt
Ladehemmungen. Seit Jahren hält die Bundesregierung am Ziel fest, mindestens eine Million Elektrofahrzeuge bis 2020 auf Deutschlands Straßen zu bekommen. Derzeit sind es rund 50.000. Seit Anfang Juli wollen Bund und Hersteller die Käufer mit einem Bonus motivieren. Der Fördertopf reicht für rund 300.000 Fahrzeuge.

© Petair / Fotolia

E-Autos: "Umweltbonus" hilft nicht der Umwelt, räumt die Regierung ein

Seit Anfang Juli können Käufer von E-Autos einen "Umweltbonus" von bis zu 4000 Euro beantragen. Das macht aber fast niemand. Und der Luftqualität hilft es wohl auch nicht.

Das milliardenschwere Förderprogramm, mit dem die Bundesregierung Deutschland zum elektromobilen Musterland machen will, trägt den Namen „Umweltbonus“. Wer dachte, dass die Regierung damit die Luftqualität in Städten verbessern möchte, sieht sich nun leider ent- beziehungsweise getäuscht: „Der Absatz von circa 300.000 Elektrofahrzeugen alleine hat auf die Reduktion von Luftschadstoffen einen geringen Einfluss“. So lautet die überraschend ehrliche Antwort von Dorothee Bär (CSU), Parlamentarische Staatssekretärin im Bundesverkehrsministerium, auf eine Kleine Anfrage der Grünen-Fraktion im Bundestag.

Die Abgeordneten hatten wissen wollen, mit welcher Reduktion von Stoffen wie Kohlendioxid (CO2), Stickoxiden, Stickstoffoxiden und nitrosen Gasen (NOx) die Regierung rechne, sofern das Förderziel erreicht werde.

Im Mai hatten sich Kanzleramt, Finanz-, Wirtschafts- und Verkehrsministerium nach Beratungen mit der Autoindustrie darauf verständigt, mit einer Kaufprämie den Absatz von E-Fahrzeugen anzukurbeln, um so das Ziel der Regierung zu erreichen, bis zum Jahr 2020 rund eine Millionen Elektrofahrzeuge auf die Straßen zu bekommen. Derzeit sind erst rund 50.000 dieser Fahrzeuge beim Kraftfahrzeugbundesamt zugelassen.

Käufer eines rein batterieelektrischen Fahrzeugs oder eines neuen Autos mit Brennstoffzelle können seit dem 2. Juli beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (Bafa) in Eschborn einen Zuschuss in Höhe von bis zu 4000 Euro beantragen. Davon übernimmt der Bund die Hälfte, die andere Hälfte müssen die Autohersteller dem Käufer als Nachlass gewähren. Für Plug-in-Hybride – also Fahrzeuge mit Verbrennungs- und Elektromotor, die sich an der Steckdose laden lassen – gibt es 3000 Euro „Umweltbonus“.

Kritiker sagen: Die Industrie solle motiviert genug sein

Insgesamt 1,2 Milliarden Euro Steuergeld investiert der Bund für diese Kaufprämie und den Ausbau der Ladeinfrastruktur. Teile der Opposition und der wirtschaftsliberale Flügel in der Unionsfraktion hatten die Kaufprämie für E-Fahrzeuge schon damals als überflüssige Beihilfe für die Autoindustrie gescholten. Ein Argument: Die Industrie müsste nicht nur wegen des Diesel-Skandals auch ohne Steuergelder ausreichend motiviert sein, die Verkehrswende auf den Weg zu bringen.

Natürlich gibt es auch Argumente dafür, der Verbreitung von E-Fahrzeugen, die in anderen Ländern besser vorankommt, einen staatlichen Schub zu geben. Stephan Kühn, verkehrspolitischer Sprecher der oppositionellen Grünen, der den Fragenkatalog an die Bundesregierung mitformuliert hatte, ärgert sich unter anderem über die Komplexität der geltenden Regelungen. „Der Bundesregierung hat bei der Elektromobilität einen für Verbraucherinnen und Verbraucher schwer durchschaubaren Förder-Dschungel geschaffen.“ Kaufinteressenten könnten derzeit nicht einfach davon ausgehen, dass sie alle Anreize für Elektroautos in Anspruch nehmen können.

Eigentlich sollte mit dem Elektromobilitätsgesetz definiert werden, was genau ein Elektrofahrzeug ist – und inwieweit der Gesetzgeber den Käufern Privilegien im Straßenverkehr zubilligt. So erhalten heute auch sogenannte Leichtfahrzeuge wie der Renault Twizzy grundsätzlich Bevorrechtigungen, zum Beispiel ein E- Kennzeichen, kostenloses Parken, Nutzung von Busspuren – sofern die Kommunen davon Gebrauch machen. Bevorrechtigungen erhalten auch Hybrid-Fahrzeuge, sofern sie eine rein-elektrische Mindestreichweite von 40 Kilometern erreichen. Bei der Kaufprämie spiele das aber keine Rolle, hier gelten andere Regelungen, ärgert sich der Grüne Kühn. „Elektromobile Leichtfahrzeuge erhalten keinen Umweltbonus, obwohl diese Fahrzeuge nun tatsächlich emissionsarm sind. Große und schwere Hybrid-SUV mit minimaler elektrischer Reichweite hingegen schon“. Deren Umweltvorteil existiere nur auf dem Papier.

„Wenigstens ist die Bundesregierung ehrlich und erkennt, dass mit dieser Kaufprämie kein wesentlicher Beitrag zur Reduktion von Luftschadstoffen gelingen wird“, sagt Kühn. Dabei sei genau das richtigerweise ein zentrales Argument für die Förderung gewesen.

Bei dem Fördertempo langt der Bonus 16 Jahre

Exakt 1523 Anträge auf den Bonus sind im ersten Monat seit Beginn der Förderung Anfang Juli erteilt worden, teilte das zuständige Bafa am Freitag mit. Zwei Drittel davon für reine Elektrofahrzeuge, ein Drittel für Hybride. Wird die Prämie weiterhin nur in diesem Tempo beantragt, dauert es mehr als 16 Jahre bis der Absatz der gewünschten 300000 E-Fahrzeuge gefördert ist.

Derzeit kann man den Bonus für 84 verschiedene Fahrzeugtypen beantragen. Die Hersteller Audi, BMW, Citroën, Ford, Hyundai, Kia, Mercedes, Mitsubishi, Nissan, Peugeot, Piaggio, Renault, Smart, Streetscooter, Toyota, Volkswagen und Volvo beteiligen sich mit wenigstens einem Modell an dem Programm und gewähren den nötigen Rabatt. Beliebtestes bisher geförderter E-Fahrzeug waren Varianten des französischen Renault ZOE vor dem BMW i3 (Hier die Bafa-Übersicht, Stand 21. Juli).

„Um den Markthochlauf für batteriebetriebene Autos und Brennstoffzellenfahrzeuge tatsächlich anzukurbeln, müsste die Prämie höher liegen“, lautet das Fazit des Grünen Verkehrsexperten Kühn. Er hatte bei der Regierung auch nachgefragt, warum Staat und Hersteller nur maximal 4000 Euro Bonus zahlen. Schließlich sei der Preisunterschied bei Anschaffungskosten und Gesamtbetriebskosten reiner Elektrofahrzeuge zu vergleichbaren Fahrzeugen mit Verbrennungsmotor erheblich höher. Der Wirtschaftlichkeitsvergleich könne von Modell zu Modell und in Abhängigkeit von den Kraftstoffpreisen unterschiedlich ausfallen, antwortete Staatssekretärin Bär. „Im Übrigen hat die Richtlinie zur Förderung des Absatzes von elektrisch betrieben Fahrzeugen nicht das Ziel der Überbrückung der gesamten Kostendifferenz zwischen elektrischen und konventionell betrieben Fahrzeugen.“

Eine oft angeführte Begründung für die Zurückhaltung der Autokäufer ist die mangelhafte Ladeinfrastruktur. Auch hier stockt die Förderung. Die erste Förderrichtlinie und der erste Förderaufruf sollen „möglichst noch 2016“ gestellt werden, teilt die Regierung mit. Ab Anfang 2017 sollen die Anträge bewilligt werden – deutlich später als geplant.

In eigener Sache: Am 25. und 26. Oktober 2016 veranstaltet der Tagesspiegel in seinem Berliner Verlagshaus den 6. eMobility-Summit für die bei dem Thema führenden Köpfe aus Forschung, Industrie und Politik. Hier geht es zur Anmeldung.

Zur Startseite