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Die britischen Touristen Katie Smith and Desmond Morland freuten am Montag im Nissi Beach Resort auf Zypern über eine Zwangsverlängerung ihres Urlaubs - ausgelöst durch die Insolvenz der britischen Monarch Airlines.

© AFP PHOTO / Amir MAKAR

Dritte Airline-Pleite in 2017: Das Ikarus-Syndrom der Luftfahrt-Branche

Nach der Pleite von Alitalia und Air Berlin, ist nun auch die britische Monarch Airlines insolvent. Es wird klar: Das Wachstum dieser Branche hat Grenzen.

Desmond Morland und Katie Smith, ein junges Paar aus England, saßen am Montag gut versorgt mit kühlen Drinks am Nissi Beach Ressort in Agia Napa, Zypern, und lachten einem Fotoreporter der Agentur AFP in die Kamera: Cheers, auf die Urlaubsverlängerung! Die beiden Kunden der britischen Ferienfluggesellschaft Monarch Airlines hatten von der Pleite derselben erfahren und freuten sich über ihr Glück, an einem sonnigen Ort gestrandet zu sein. Doch nicht alle der 110 000 Monarch-Passagiere, die derzeit im Ausland auf einen Heimflug warten, dürften so empfinden.

Für sie hat die britische Luftverkehrsbehörde CAA die „bisher größte Rückholaktion in Friedenszeiten“ gestartet, wie es hieß: Bis Dienstagabend sollten 23 000 Urlauber mit gecharterten Maschinen zurückgeflogen worden sein – die meisten davon aus Spanien, Frankreich, Italien, Kroation und Portugal. Zwei Wochen dürfte die ganze Aktion dauern und umgerechnet rund 60 Millionen Euro kosten. Wer diese trägt, ist noch unklar. Zudem sind mit dem überraschend gestellten Insolvenzantrag der vor 60 Jahren gegründeten Fluglinie 300 000 Buchungen für insgesamt 750 000 Urlauber über Nacht ungültig geworden.

Es ist die dritte Pleite einer europäischen Fluggesellschaft nach der von Alitalia im Mai und der von Air Berlin im August – und ein Symptom dafür, dass der Luftverkehrsmarkt in Europa vor einer Neuordnung steht. Zusammengedacht mit jüngsten Flugplanstreichungen des Marktführers Ryanair zeigt sich, dass das Wachstum eines immer billigeren Luftverkehrs seine Grenzen erreicht hat. Wie Ikarus aus der griechischen Mythologie kommt ein erfolgsverwöhnter Wirtschaftszweig der Sonne mittlerweile zu nah – und stürzt ab.

Während die Eigentümer und Regierungen der Airlines aus Italien und Deutschland sich noch bemüht hatten, den Sinkflug in die Insolvenz möglichst kontrolliert ablaufen zu lassen, damit möglichst wenige Mitarbeiter und Fluggäste in Mitleidenschaft gezogen werden, kam die Monarch-Pleite für die meisten Marktbeobachter überraschend. Nur Stunden nachdem die Insolvenzverwalter der Beratungsgesellschaft KPMG die Kontrolle der Gesellschaft mit Sitz am Flughafen Luton nördlich von London übernommen hatten, entließen sie am Montag 1858 der insgesamt rund 2100 Mitarbeiter fristlos.

Zwar hatte Monarch Airlines, die mit 40 Zielen in Europa deutlich kleiner ist als Alitalia und Air Berlin, das vergangene Geschäftsjahr mit einem Minus von 291 Millionen Pfund (340 Millionen Euro) abgeschlossen. Gleichwohl erklärte der Monarch-Chef Andrew Swaffield, dass die Airline in diesem Jahr 14 Prozent mehr Passagiere befördert habe. Es gab Hoffnung, aber es langte nicht. Man habe 100 Millionen Pfund weniger verdient als im Vorjahr. Grund für die Pleite seien auch die Terroranschläge in Tunesien und Ägypten gewesen sowie das angespannte Verhältnis zur Türkei.

„Wir haben eine Überkapazität im Luftverkehrsmarkt in Europa. Das sind eigentlich beste Zeiten für Passagiere“, sagte Aage Dünhaupt vom Brüsseler Branchenverband Airlines for Europe (A4E). Er bezeichnete die Situation für Passagiere und Mitarbeiter zugleich als „sehr belastend“. Zugleich erinnerte Dünhaupt an eine Feierstunde anlässlich des Beginns der Liberalisierung des EU-Luftverkehrsmarktes vor 25 Jahren. Da hätten Vertreter der EU-Kommission vorgerechnet, dass eine vierköpfige Familie Anfang der 1990er Jahre für einen Hin- und Rückflug von Mailand nach Paris umgerechnet 1600 Euro bezahlen musste. Heute könne sie (mit etwas Buchungsglück) ab etwa 100 Euro fliegen.

Allein in den vergangenen zehn Jahren sind die durchschnittlichen Ticketpreise um rund 20 Prozent gefallen, heißt es beim Verband A4E, der zugleich kritisiert, dass die Steuern und Flughafengebühren im selben Zeitraum in ähnlichem Umfang gestiegen sind. Europas Regierungen schöpfen also einen Teil des Wachstums für die Steuer ab – was nicht nur Umweltpolitiker ausdrücklich begrüßen. Insgesamt kann man die Geschichte des Luftverkehrs als Fortschritt im Sinne der Verbraucher feiern, aber auch als Erfolg eines Industriezweiges, der in Europa 320 000 Mitarbeiter beschäftigt.

80 000 mal pro Woche startet ein Flieger in den Himmel über den EU-Ländern, 550 Millionen Fluggäste registrieren die Airlines in diesem Breiten pro Jahr. Diese Zahlen lassen sich kaum ins Unendliche steigern. Zudem dürfte die Gesetzgeber angesichts der dritten Pleite auch den Druck auf die Airlines erhöhen, ihre Kunden automatisch gegen einen Totalausfall wie jetzt bei Monarch abzusichern. Eine Pflicht, wie bei Reiseveranstaltern heute schon üblich, will die Branche aber nach Möglichkeit vermeiden.

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