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Blick auf den Flughafen Tegel.

© dpa

Dobrindt zu Tegel-Frage: Wen kümmert schon das Recht?

Niemand kommt mit rationalen Überlegungen gegen Emotionen an, weil Tegel funktioniert. Wirklich alarmierend ist, dass etwa anderes kaum interessiert. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Ausgerechnet Alexander Dobrindt. Der Minister, der Berlins Wirtschaftsbossen 2016 den Tipp gab, sich Richtung Flughafen Leipzig zu orientieren, weil der BER nie eine Drehscheibe werde, findet es nicht schlimm, Tegel offen zu lassen. Deutlicher hätte der CSU-Mann, der den Gesellschafter Bund vertritt, nicht dokumentieren können, dass ihm Berlin herzlich egal ist.

Es ist ja auch wie verhext. Immer wieder tauchen neue Belege auf, die an der Fertigstellung des neuen Flughafens zweifeln lassen. Es sind Dokumente des Versagens, die das Vertrauen in die Funktionsfähigkeit staatlicher Projektsteuerung erschüttern. Das BER-Desaster ruiniert den Ruf Berlins, und es führt zu immer neuen Argumentationsketten, warum der parallele Weiterbetrieb von Tegel weder rechtlich ein Problem noch wirtschaftlich ein Fass ohne Boden sei, vielmehr eigentlich die geniale Lösung , der die Politik sich nur aus Sturheit verweigere.

Natürlich muss in Tegel ohnedies ein hoher Betrag investiert werden, um diesen heruntergewirtschafteten Flughafen auch nur für die Zeit bis 2020 funktionsfähig zu machen. Natürlich muss Geld für den ab 2019 zwingend vorgeschriebenen Schallschutz bereitgestellt werden – ganz sicher keine Milliarde, wie behauptet wird. Und wen interessiert schon, dass in Berlin mangels Masse eine Aufteilung zwischen internationalem Flugverkehr in Schönefeld und europäischem in Tegel nicht möglich ist? Wer nimmt schon zur Kenntnis, dass, vor die Wahl gestellt, natürlich jede Airline den zentralen Flughafen wählen wird?

Wie beschämend

Nein, niemand kommt mit rationalen Überlegungen gegen die Emotionen an, weil TXL eben funktioniert und niemand weiß, wann das in Schönefeld der Fall sein wird; weil Tegel so schön mittendrin liegt, der BER hingegen vor allem aus Westberliner Sicht schwer erreichbar und jwd ist. Die Politik muss sich darauf einstellen, dass der Volksentscheid am 24. September quer durch die Parteien ein Pro-Tegel-Mehr von annähernd 80 Prozent bringt. Dann sollte niemand sagen, dieses Votum sei nicht bindend. Keine Partei, keine Koalition, kann an einem solchen Ergebnis vorbeigehen. Es wäre politischer Selbstmord.

Die Situation wird das Abgeordnetenhaus zu dem Versuch zwingen, die Rechtslage zu ändern – also den Landesentwicklungsplan Flughäfen so zu modifizieren, dass er künftig zwei statt nur einen Standort zulässt. Dazu bedarf es der Zustimmung des Landtages von Brandenburg. Ob die erreicht werden kann, ist unklar. Dem dritten Gesellschafter, dem Bund, ist alles recht, was Berlin schädigt und die Flughäfen München und Frankfurt stärkt. Der Verkehrsminister hat, siehe oben, schon erklärt, dass er mitmacht, und die Berliner CDU jubelt darüber. Wie beschämend!

Wirklich alarmierend an der ganzen Entwicklung ist, dass die Ausgangslage und das geltende Recht kaum einen interessieren. Wenn beide Flughäfen offen bleiben, wird die jetzige Situation der doppelten Lärmbelästigung und der doppelten Risiken des Flugverkehrs festgeschrieben. Genau um dies zu verhindern, war 1996 die vom Bundesverwaltungsgericht bestätigte Entscheidung für einen Single-Airport gefallen. Glaubt denn ernsthaft jemand, ein Verkehrsflughafen mitten in der Stadt, mit kilometerlangen Wohngebieten in der Einflugschneise, könne heute noch irgendwo in Europa genehmigt werden?

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