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Alles griffbereit. Im Cockpit muss der Pilot jederzeit in der Lage sein, alle Hebel, Schalter und Knöpfe problemlos zu erreichen.

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Update

Diskriminierung bei Bewerbung: Zu klein fürs Cockpit - Lufthansa zahlt Klägerin 14.000 Euro

Die Lufthansa hat eine Bewerberin wegen ihrer Körpergröße abgelehnt. Für ihren geplatzten Traum hat Alina S. nun einen finanziellen Ausgleich erstritten.

Sie wollte unbedingt Pilotin werden, hatte alle Tests beim Auswahlverfahren bestanden. Trotzdem lehnte die Lufthansa Alina S. ab. Der Grund: ihre Körpergröße. Für die Pilotenausbildung bei der Lufthansa müssen Bewerber mindestens 1,65 Meter groß sein. Nun war die 19-Jährige aber dreieinhalb Zentimeter zu klein. Was sie angeblich unfähig machte, ein Flugzeug sicher zu steuern.

Vor dem Bundesarbeitsgericht schloss die Klägerin am Donnerstag einen Vergleich mit der Lufthansa. Demnach zahlt Europas größte Fluggesellschaft 14.175 Euro an die junge Frau.

Langjähriger Streit vor Gericht

Vorangegangen war ein Verfahren beim Arbeitsgericht Köln. Dort hatte Alina S. geklagt, die Lufthansa habe sie diskriminiert. Ihr Anwalt argumentierte im Gerichtssaal, Frauen seien im Schnitt kleiner als Männer. Also könnten auch weniger Frauen die erforderliche Mindestgröße für den Pilotenberuf erfüllen. Das Arbeitsgericht stimmte ihm im November 2013 zu, wies die geforderte Entschädigung von 135.000 Euro aber trotzdem zurück.

Weil die Körpergröße im Tarifvertrag stehe, habe die Fluggesellschaft als Arbeitgeber nicht vorsätzlich oder grob fahrlässig gehandelt. Die Klägerin legte Revision ein, scheiterte im Juni 2014 erneut. Dieses Mal vor dem Landesarbeitsgericht Köln. Die Richter hatten Verständnis für die Klage. Mehr als 40 Prozent der Frauen, aber nur vier Prozent der Männer über 20 Jahre seien kleiner als 1,65 Meter, sagte der Vorsitzende Richter. Aber: Der Klägerin sei durch die Ablehnung kein materieller Schaden entstanden und die Vorschrift sei tarifrechtlich geregelt. Heute hat das Bundesarbeitsgericht in Erfurt den Fall verhandelt.

Was das Gesetz verbietet

Im Grunde können Arbeitgeber sich aussuchen, wen sie einstellen. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verbietet aber eine Ablehnung wegen des Alters oder Geschlechts, wegen der Religion, Herkunft oder einer Behinderung. Mit einer Ausnahme: Wenn die Art der Tätigkeit eine wesentliche Anforderung an Alter oder Geschlecht stellt. So scheiterte 2009 die Klage eines Mannes vor dem Bundesarbeitsgericht, der sich erfolglos auf eine Stelle als Erzieher in einem Mädcheninternat beworben hatte. Inklusive Nachtschichten.

Im Cockpit muss der Pilot in der Lage sein, alle Hebel, Schalter und Knöpfe zu erreichen. Über sich an der Decke und quer über die Armatur hinweg. Deswegen die Vorschrift: nicht kleiner als 1,65 Meter, nicht größer als 1,98 Meter. Trotz ihres Urteils stellten die Richter das Einstellungskriterium beim letzten Prozess infrage. Bei der Lufthansa-Tochter Swiss müssen Anwärter 1,60 Meter groß sein. Bei der Bundeswehr ist eine Ausbildung zum Piloten prinzipiell möglich, wenn der Bewerber zwischen 1,55 Meter und 2,06 Meter groß ist. Vielleicht, sagte der Vorsitzende Richter Jochen Sievers, helfe es ja, einfach ein Kissen unterzuschieben. „Wenn andere Fluggesellschaften die Flugsicherheit nicht gefährdet sehen, dann stellt sich natürlich die Frage, warum das bei der Lufthansa so sein soll.“

Alina S. geht am 28.11.2013 in den Gerichtssaal des Arbeitsgerichtes in Köln.
Alina S. geht am 28.11.2013 in den Gerichtssaal des Arbeitsgerichtes in Köln.

© dpa

Streitfälle in anderen Branchen

Lufthansa-Sprecher Michael Lamberty kündigte damals an, mit den Gewerkschaften über das Thema zu sprechen. „Ich kann mir vorstellen, dass wir dieses Detail noch mal aufnehmen“, sagte er. Tatsächlich überarbeitet das Unternehmen momentan die Kriterien für ihre Pilotenauswahl und Ausbildung. Ziel sind einheitliche Verfahren für alle Fluggesellschaften. Lufthansa wie Eurowings. Wie lange das Prozedere dauern und ob sich am Ende etwas an der Vorschrift zur Körpergröße ändern wird, konnte Sprecher Helmut Tolksdorf jetzt noch nicht sagen. Was die Airline in der Vergangenheit bereits gelockert hat, sind Vorgaben zum Sehvermögen. Laserkorrekturen sind akzeptiert.

Zu klein, zu dick – solche Streitfälle gibt es nicht nur in der Flugbranche. Auch bei der Polizei wird eine gewisse Statur, Fitness und psychische Belastbarkeit erwartet. Die Bundespolizei schreibt für den mittleren und höheren Dienst vor: Frauen müssen mindestens 1,63 Meter, Männer 1,65 Meter groß sein. Als eine kleinere Frau von der Bundespolizei abgelehnt wurde, urteilte das Verwaltungsgericht Schleswig vor fast einem Jahr, dies sei nicht zulässig. Die Ablehnung sei eine Form von Diskriminierung, die durch keinen sachlichen Grund gerechtfertigt sei.

Beamte sollen nicht teuer werden

Die Polizei sieht das anders. Die Beamten müssten im Einsatz mit einer gewissen Präsenz auftreten, und sie bräuchten bei sehr kleiner Statur speziell angefertigte Uniformen, die teuer seien. Weiter heißt es bei den Einstellungskriterien: Polizeianwärter dürfen weder Unter- noch Übergewicht haben. Generell werden Bewerber für die Beamtenlaufbahn aus diesem Grund aussortiert. Damit soll vermieden werden, dass die unkündbaren Angestellten den Staat später zu viel kosten.

Eine 42-Jährige wurde wegen zu vieler Kilos auch von einem gemeinnützigen Verein aus dem Gesundheitsbereich als Geschäftsführerin abgelehnt. Diskriminierung, meinte sie. Das Arbeitsgericht Darmstadt lehnte ihre Klage im Juni 2014 aber ab. Der Verein fühlte sich durch das Urteil bestätigt. Mit Kleidergröße 42 wäre die Frau für einen Verein, der für gesunde Ernährung und Sport stehe, kein vorzeigbares Beispiel gewesen.

Ein „angemessenes Körpergewicht“, ein „gepflegtes Äußeres“ und ein „freundliches Auftreten“ sind die Voraussetzungen, die auch Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter erfüllen müssen. Zum Beispiel bei der Lufthansa. Um an die Gepäckboxen über den Sitzreihen heranzukommen, müssen die Mitglieder des Bordpersonals außerdem 1,60 Meter groß sein. Mindestens.

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