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Tel Aviv ist für israelische Start-ups das, was Berlin für die deutsche Szene ist.

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Digitale Brücke: Deutsche und israelische Start-ups wollen sich besser vernetzen

Seit einem halben Jahrhundert pflegen Deutschland und Israel diplomatische und wirtschaftliche Beziehungen. Genug zu lernen gibt es für beide Seiten auch in Zukunft.

Berlin/Tel Aviv - „Israel mag ein kleines Land sein“, sagt Yakov Hadas-Handelsman. „Aber für manchen ist es ein Land der unbegrenzten Möglichkeiten.“ Mit „manchen“ meint der israelische Botschafter an diesem Dienstagvormittag in der Berliner Kalkscheune in Mitte vor allem die Start-up-Gründer. Ein paar Dutzend Jungunternehmer aus Deutschland und Israel sind gekommen, um symbolisch eine Innovationsbrücke zwischen beiden Ländern zu schlagen, 50 Jahre nach Aufnahme diplomatischer und wirtschaftlicher Beziehungen. „Deutschland und Israel haben eine gemeinsame Vergangenheit – aber vor allem eine gemeinsame Zukunft“, betont Wirtschaftsstaatssekretär Matthias Machnig, der der Einladung des IT-Branchenverbands Bitkom und der israelischen Botschaft gefolgt ist.

Zunehmend zieht es Start-up-Unternehmer aus Tel Aviv an die Spree, hat Bitkom-Präsident Dieter Kempf beobachtet. Allein, es sind ihm noch nicht genug. „Wir sollten mehr Unternehmer aus Israel hier haben“, wünscht sich Kempf. Von ihnen könnten deutsche Gründer viel lernen. Den Mut zum Risiko beispielsweise. Lediglich sechs Prozent der Hochschulabsolventen hierzulande hätten den Wunsch sich mit ihrer Idee selbstständig zu machen. Israel hingegen ist eine „Start-up-Nation“, wie Hadas-Handelsman sagt.

Tatsächlich: Auf acht Millionen Einwohner kommen in Israel nach offiziellen Zahlen 4000 Start-ups, also technologielastige junge Unternehmen oder Gründungen. Auf 2000 Israelis kommt somit ein Start-up. Mit gut einer Milliarde Dollar jährlich investieren Risikokapitalgeber dort etwa fünfmal so viel wie in Tech-Gründungen hierzulande.

„In Israel gibt es eine sehr enge Verzahnung zwischen Startups und Forschungseinrichtungen, vor allem aber auch Industrie“, beschreibt Florian Nöll, Vorstandschef des Bundesverbands Deutsche Start-ups, im Gespräch mit dem Tagesspiegel den in seinen Augen entscheidenden Erfolgsfaktor der israelischen Gründerszene. Dan Shechtman, Professor am Technion in Haifa, glaubt zudem, dass die vielen Unternehmensgründungen auch auf die Mentalität zurückzuführen sind. „Die Furcht vor dem Scheitern, die Furcht davor, eine Schande für sich selbst und die Familie zu sein, gibt es bei uns nicht“, sagt der Chemie-Nobelpreisträger im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Seit Jahren unterstützt er Studenten bei der Startup-Gründung. „Wenn du es hier versaust, fängst du halt noch mal von vorne an.“

Dass israelische Start-ups zunehmend Deutschland für sich entdecken, ist für die deutschen Start-ups ein Zeichen für eine Professionalisierung hierzulande. „Die Berliner Gründerszene ist in den letzten beiden Jahren sehr viel internationaler geworden“, konstatiert Nöll. Von Israel lernen kann nach Ansicht der Akteure hierzulande vor allem die Politik – sowohl bei den Anreizsystemen als auch bei der Organisation. In Israel laufen beim sogenannten Chief Scientist, einem verlängerten Arm des Wirtschaftsministeriums, alle Fäden zusammen. Förderprogramme beispielsweise werden zentral koordiniert und Fördergelder vergeben, wo in Deutschland viele zuständig sind. Allein in der Bundesregierung gibt es mit dem Wirtschafts-, dem Infrastruktur- und dem Innenministerium drei Ressorts, die sich für die Digitalisierung verantwortlich fühlen. Lernen können aber auch die Israelis von den Deutschen. „Viele israelische Gründer verkaufen ihre Unternehmen bei der erstbesten Gelegenheit“, sagt Ester Levanon, die frühere Chefin der israelischen Börse, im Gespräch mit dem Tagesspiegel. Einen Mittelstand wie in Deutschland gebe es nicht.

Das voneinander Lernen wollen die deutschen Start-ups in den kommenden Jahren gezielt fördern. Derzeit arbeiten Nöll und seine Kollegen an einer Allianz, um die Standorte in Israel und Deutschland besser zu vernetzen. Neben Schwesterorganisationen in Israel wollen sich Start-up-Förderer auf beiden Seiten und etablierte Unternehmen beteiligen. Im Sommer soll das Bündnis offiziell vorgestellt werden.Johannes Bockenheimer/Simon Frost

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