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VW-Fahrzeuge auf dem Gelände des Volkswagen-Werks in Salzgitter.

© dpa/Silas Stein

Diesel-Gipfel: Dabei darf es nicht bleiben

Der Diesel ist eine Übergangstechnologie ins elektrische Zeitalter. Doch dazu gehört viel mehr als ein Motor - die Politik muss handeln. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Alfons Frese

Viel Lärm um nichts. Die Einschätzung von Umweltschützern ist berechtigt. Die wussten indes schon vorher, dass beim „Nationalen Forum Diesel“ nicht das große Rehabilitationsprogramm für die 125 Jahre alte Motortechnologie gefunden werden würde. Die Tischrunde im Innenministerium mit ein paar Dutzend Beteiligten mutete eher an wie eine UN-Konferenz zum Weltklima als ein Arbeitskreis aus Managern und Politikern zur Verbesserung der Luft in der Stuttgarter Innenstadt. Und nun? Neue Software statt Fahrverbote? Wie alt wird der Diesel noch?

Zumindest die letzte Frage kann niemand beantworten. Auf absehbare Zeit – und das heißt, bis das Elektroauto wettbewerbsfähig wird hinsichtlich Preis und Reichweite und bis es genügend Ladesäulen gibt und leistungsfähige Stromnetze, wird der Diesel gebraucht, um die Grenzwerte für Kohlendioxid zu erreichen. Diese von der europäischen Politik gesetzten Grenzen sind ambitionierter als im Rest der Welt, und sie sind auch in den kommenden Jahren nicht ohne Diesel zu erreichen. Weil der Diesel weniger verbraucht als der Benziner und deshalb auch weniger Kohlendioxid in die Luft bläst. Gleichzeitig produziert der Diesel zu viel des gesundheitsschädlichen Stickoxids. Die deutsche Politik hat das geduldet, obwohl es gegen EU-Recht verstößt.

Wer kontrolliert die Ansage?

Nach dem Spektakel am Mittwoch gibt es nun die „freiwillige“ Zusage der Autoindustrie, ein paar Millionen Autos so nachzurüsten, dass im Schnitt der Stickoxidaustausch um 25 bis 30 Prozent sinkt. Wirklich? Wer kontrolliert diese Ansage – etwa das Kraftfahrt-Bundesamt oder der famose Alexander Dobrindt? Und was ist mit der Stickoxidbelastung insgesamt, also von allen Diesel-Fahrzeugen?

Die Autoindustrie ist sich angeblich des Vertrauensverlustes bewusst, den sie seit Aufdeckung des VW-Dieselbetrugs vor knapp zwei Jahren erfahren hat. Mit einer neuen Motorsteuerung, deren Wirksamkeit umstritten ist, und mit Prämien beim Kauf neuer Pkw wird das Vertrauen nicht zurückgewonnen. Autofahrer und Umweltschützer, Stadtbewohner, Fahrradfreunde und Autofeinde wollen Konsequenzen sehen und wissen, was in den kommenden zehn Jahren passiert. Mit den Autos und mit dem Verkehr.

Das „Nationale Forum Diesel“ war deshalb auch nur der – von Gerichten erzwungene – Start zu einer Mobilitätspolitik, die in der nächsten Legislaturperiode ein Schwerpunkt der Regierungsarbeit sein muss. Weil der Verkehr bislang am weitesten von der Erreichung der Klimaziele entfernt ist. Und weil die Autoindustrie so extrem wichtig für die deutsche Wirtschaft ist und man deren Schicksal nicht allein in den Händen von Managern wissen möchte, deren Selbstgefälligkeit und Kaltschnäuzigkeit die Branche so in Verruf gebracht haben.

Der Diesel ist eine Übergangstechnologie ins elektrische Zeitalter, aber zu diesem Übergang gehört noch viel mehr als ein Motor: Eine neue Aufgabenverteilung zwischen den Verkehrsträgern; Digitalisierung und autonomes Fahren inklusive Datensicherheit; Antriebe mit Gas und Strom und eine Beantwortung der Frage, wer künftig Batterien und Batteriezellen baut. Ganze Wertschöpfungsketten verändern sich und Arbeitsplätze sowieso. Der Übergang will organisiert sein in einem von der Politik gesetzten Rahmen, der alle Beteiligten und alle Belange umfasst. Darunter auch die Gesundheit der Großstadtbewohner.

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