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VW-Chef Matthias Müller, Harald Krüger (BMW) und Dieter Zetsche (Daimler) auf der Pressekonferenz nach dem Gipfel.

© dpa

Die Folgen des Gipfels: Der Diesel wird weiter Ärger machen

Die Konzerne geben sich hilfsbereit, doch die Zweifel an den Gipfel-Maßnahmen sind nicht nur bei Umweltverbänden groß. Wie es jetzt weitergeht.

Länger als geplant berieten Autoindustrie, Regierung und Ministerpräsidenten am Mittwoch auf dem Diesel-Gipfel.

Was haben die Konzerne konkret zugesagt?

Insgesamt sollen fünf Millionen Dieselfahrzeuge der Emissionsklassen Euro 5 und Euro 6 per Software-Update nachgerüstet werden. Für die Kunden soll dies kostenlos sein. Allein der Volkswagen-Konzern will einschließlich der im Abgasskandal angeordneten 2,5 Millionen Rückrufe etwa vier Millionen Diesel in Deutschland nachrüsten. BMW sagte Updates für 225.000 Fahrzeuge zu. Daimler hatte kürzlich die Nachrüstung von europaweit drei Millionen Wagen angekündigt, gut 900.000 fahren in Deutschland. Zahlen von Opel lagen noch nicht vor.

Reichen Software-Updates aus?

Die Zweifel sind groß, nicht nur bei Umweltverbänden, sondern auch in der Politik. Die Schätzungen, wie deutlich die NOx-Emissionen, um die sich die ganze Diesel-Debatte dreht, sinken, reichen von fünf Prozent (Umwelthilfe) bis 40 Prozent (Verkehrsministerium). Die Autobauer versprechen im Schnitt aller betroffenen Dieselfahrzeuge 25 bis 30 Prozent. Um die Luft in den Städten spürbar zu verbessern, muss aber mehr passieren. Hier sollen Maßnahmen greifen, die auch aus dem beschlossenen 500-Millionen-Euro-Fonds „Nachhaltige Mobilität für die Stadt“ finanziert werden, den Bund und Industrie jeweils zur Hälfte füllen.

Dazu zählen die Anschaffung von Elektrobussen (die importiert werden müssten), die Förderung der individuellen Elektromobilität, des Schienen- und Radverkehrs, die flüssigere Verkehrsgestaltung durch Digitalisierung und anderes. Der Bund erhöht die Mittel zur Förderung des Radverkehrs von 125 auf 200 Millionen Euro.

„Wer angesichts des Dieselskandals nur an Motoren denkt, denkt viel zu kurz“, sagte am Mittwoch Achim Berg, Präsident des IT-Verbandes Bitkom. „Wir dürfen jetzt nicht den Fehler machen, einfach nur Autos etwas sauberer zu machen – wir müssen die Chance ergreifen und damit anfangen, Mobilität völlig neu zu denken, und zwar vernetzt und digital.“ All dies wird aber nicht kurzfristig umzusetzen sein und auf die Luftreinhaltung wirken.

Die Industrie setzt vor allem auf die Flottenerneuerung. Mit Prämien sollen Euro-4-Fahrer dazu bewegt werden, moderne Euro-6-Diesel oder E-Autos zu kaufen. Weitergehende technische Abgas-Umrüstungen direkt an Motorbauteilen schließt zumindest VW-Chef Matthias Müller aus.

Wenn die Politik die Mobilitätswende nicht ausruft, dann tut es in Deutschland keiner. Die letzten, die es tun würden sind die deutschen Autohersteller unter ihrer jetzigen Ägide

schreibt NutzerIn W.Wang

Sind Fahrverbote jetzt aus der Welt?

Nein. Nach dem Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom vergangenen Freitag sind Software-Updates bei Euro-5- und Euro-6-Dieselfahrzeugen kein adäquates Mittel zur Verbesserung der Luftqualität in besonders belasteten Städten wie Stuttgart. Ob und wann es tatsächlich zu Fahrverboten für viele Dieselmodelle kommt und wie diese aussehen könnten, ist aber weiter offen. Denn das Land Baden-Württemberg will das Urteil zunächst prüfen und dann sehen, welche Schritte einzuleiten sind.

Wahrscheinlich ist, dass der Streit vor dem Bundesverwaltungsgericht in Leipzig weitergeht. Dort liegt schon ein ähnlicher Fall aus Düsseldorf zur Entscheidung. Das Verfahren werde voraussichtlich im ersten Quartal kommenden Jahres zur mündlichen Verhandlung bestimmt, hatte das Bundesverwaltungsgericht am Dienstag mitgeteilt.

Einem aktuellen Gutachten zufolge sind Fahrverbote für ältere Dieselautos in Stuttgart nicht zulässig, weil es keinen gesetzlichen Rahmen auf Bundesebene gibt. Landesbehörden könnten solche Maßnahmen nicht anordnen, argumentiert der Verfassungsrechtler Christofer Lenz in einer Analyse im Auftrag des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall. Die aktuelle Rechtslage erlaube es nicht, Fahrzeuge mit einer grünen Plakette aus einer bestehenden Umweltzone auszusperren – gleichgültig, ob Diesel oder nicht.

Was müssen Dieselfahrer jetzt tun?

Abwarten. Alle Halter von Euro-5- und Euro-6-Dieselfahrzeugen deutscher Hersteller, die nachgerüstet werden, bekommen in den kommenden Wochen Post, wahrscheinlich von ihrem Hersteller. Da es nach Lage der Dinge keinen vom Kraftfahrt-Bundesamt (KBA) verordneten Rückruf der Autos gibt – mit Ausnahme der manipulierten Modelle des VW-Konzerns –, ist die Umrüstung allein Sache der Autohersteller. Die Teilnahme wird für die Pkw-Halter freiwillig sein. Wie die Umrüstaktion dann abläuft, ist offen. Möglicherweise kombinieren die Werkstätten das Software-Update mit ohnehin anfallenden Servicemaßnahmen.

Fraglich ist, wie die nachgerüsteten Diesel dann gekennzeichnet und kontrolliert werden. Das KBA soll nach den Updates Tests vornehmen. Abgeschlossen sein soll die Nachrüstung aller Fahrzeuge bis Ende 2018. Die Politik diskutiert, ob sie Dieselfahrern Anreize für die Teilnahme an der Umrüstung bieten soll – etwa durch einen Nachlass bei der Kfz-Steuer. Der Anteil des Diesel sinkt: Im Juli waren 40,5 Prozent der neu zugelassenen Pkw Dieselautos – im Vergleich zum Vorjahresmonat ein Rückgang um 12,7 Prozent.

Was passiert in den nächsten Jahren?

Die Wahrscheinlichkeit, dass sich die nächste Bundesregierung mit Dieselumrüstung und Fahrverboten beschäftigen wird, ist sehr groß. Sollten Software-Updates und Flottenerneuerung die Luft nicht sauberer machen, muss „nachjustiert“ werden, wie CSU-Chef Horst Seehofer sagte. Es ist außerdem damit zu rechnen, dass der nächste Verkehrsminister eine Blaue Plakette einführen wird, mit der die Zufahrt in die Innenstädte reguliert wird – mit Ausnahmen.

Außerdem wird die Nationale Plattform Elektromobilität im Februar/März ihren nächsten Fortschrittsbericht vorlegen – und unter dem Eindruck des Diesel-Gipfels weitere Förderungen vorschlagen. Die Kaufprämie für E-Autos bleibt vorerst ein Ladenhüter: Bis Ende Juli wurden 26589 Anträge bei der zuständigen Behörde gestellt. Geplant waren fast drei Mal so viele.

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