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Made in Germany. Der Leopard-II-Panzer von Krauss-Maffei Wegmann.

© picture alliance / dpa

Die deutsche Rüstungsindustrie: Union und SPD öffnen Rüstungsfirmen neue Exporttüren

EADS streicht Stellen, Altkanzler Schmidt wettert gegen Waffenexporte: Rüstungsfirmen sind etwa so beliebt wie Atomkonzerne. Doch Union und SPD kennen die Bedeutung der Hightech-Branche und öffnen ihr neue Exporttüren - in den nächsten Tagen.

Was für eine Woche: Sie begann am Montag mit der ruppigen Ankündigung des gelernten Fallschirmjägers Tom Enders, allein in Deutschland 2600 Stellen in seinem Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS zu streichen. Sie setzte sich fort mit Helmut Schmidt. Der ist immerhin Bundesverteidigungsminister a. D., Bundeskanzler a. D. und Namensstifter der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Schmidt ließ am Donnerstag die Titelseite seiner auflagenstarken Wochenzeitung „Die Zeit“ mit seinem Porträtbild samt den roten Lettern tapezieren: „Bremst die deutschen Waffenexporte“, stand da.

Die stets um Diskretion bemühte Rüstungsindustrie steht wieder im Fokus der missgünstigen Öffentlichkeit, so stark wie zuletzt im Juli, als im Wahlkampf neue Details über einen Panzerdeal mit Saudi-Arabien aus dem geheim tagenden Bundessicherheitsrat sickerten.

Der Hightech-Industriezweig sichert etwa 98 000 Arbeitsplätze

Georg Wilhelm Adamowitsch, einer der einflussreichsten Rüstungslobbyisten im Berliner Regierungsviertel, hat an dem Tag das wortgewaltige Plädoyer des Alt-Kanzlers auf dem Schreibtisch seines Büros in der Friedrichstraße liegen und sagt dazu nur: „Es steht uns nicht an, einen Mann, der sich um Deutschland verdient gemacht hat, zu kritisieren.“ Was soll er auch vorbringen gegen derartige Fundamentalkritik?

Seine Argumente hat Ex-Staatssekretär Adamowitsch längst in den Politikbetrieb eingespeist: Sein Hightech-Industriezweig sichert etwa 98 000 Arbeitsplätze und indirekt sogar ungefähr 219 000, wie das Wirtschaftsforschungsinstitut Wifor der TU Berlin für ihn 2012 errechnet hat. Demnach zahlen Waffenschmieden ihren Mitarbeitern im Schnitt 66 000 Euro im Jahr – das sind 79 Prozent mehr als im Gesamtdurchschnitt. Und die F&E- Quote, also der Anteil der Ausgaben für Forschung und Entwicklung im Verhältnis zur Bruttowertschöpfung, liegt mit gut 19 Prozent fast zehnmal so hoch wie im Schnitt aller Unternehmen. Hier kommt die Rüstungsbranche in die Nähe der Pharma- und Autoindustrie.

Die Branche setzt auf die Beschlüsse im Koalitionsvertrag

Adamowitsch könnte noch mehr solcher Zahlen präsentieren: Eine Mehrheit der Deutschen aber wäre trotzdem stolzer auf ihr Land, wenn es die Waffenschmieden nicht gäbe. So bleibt Adamowitsch, ein gesetzter Herr mit weißem Schnurrbart, gelassen: Wichtiger sind ihm konkrete Beschlüsse. Insofern dürften Rüstungslobbyisten die vergangenen Tage schon am heutigen Sonntag abhaken. Im Koalitionsvertrag finden sich genügend Passagen, aus denen der Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (BDSV) politische Unterstützung ableitet.

Wörtlich heißt es in dem Koalitionspapier: „Deutschland hat ein elementares Interesse an einer innovativen, leistungs- und wettbewerbsfähigen nationalen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie.“ Man setze sich für den Erhalt ausgewählter Schlüsseltechnologien und industrieller Fähigkeiten, insbesondere auch bei mittelständischen Unternehmen, ein. „Besser kann man das gar nicht formulieren“, sagt Adamowitsch. Das gilt auch für folgende Sätze im Vertrag: „Wir setzen auf eine verstärkte europäische und euroatlantische Rüstungskooperation, die konkrete gemeinsame Ausrüstungs- und Beschaffungsvorhaben nach den gleichen Standards für alle Nationen umsetzt.“

Deutschland ist die drittgrößte Rüstungsexportmacht der Welt.

Made in Germany. Das U-Boot der Klasse 212A von HDW (Thyssen-Krupp).
Made in Germany. Das U-Boot der Klasse 212A von HDW (Thyssen-Krupp).

© picture-alliance/ dpa/dpaweb

Wie ernst die Bundesregierung all das meint, dürfte Angela Merkel (CDU) bereits am kommenden Freitag auf dem EU-Gipfel in Brüssel beweisen. Da tagen die Staats- und Regierungschefs der Europäischen Union zum Schwerpunktthema Verteidigung. Adamowitschs Verband bereitet sich schon seit Januar auf diesen Termin vor, „da die Beschlüsse dieses Gipfels für die nächsten zehn Jahre in diesem Politikfeld die Richtung weisen werden“, wie es in einem Strategiepapier des BDSV heißt. Die Positionen darin seien mit der Regierung weitgehend abgestimmt, heißt es.

Die Argumentationskette von Bundesregierung und Industrie läuft so: Angesichts der schwierigen Haushaltslage in einigen Mitgliedsstaaten müssten Aufgaben „effizienter“ getätigt werden. Man verweist auf die EU-Kommission, die bereits im Juli 32 Handlungsvorschläge dazu vorgelegt hat. Im Prinzip soll die Beschaffung von Rüstungsgütern vereinheitlicht werden.

Konkret gehe es um „die Schaffung von Bedingungen, unter denen europäische Unternehmen in allen Mitgliedsstaaten ungehindert tätig werden können“, lautet die deutsche Lesart. Dann – so ist offenbar das Kalkül dahinter – könnte Deutschland, die drittgrößte Rüstungsexportmacht der Welt, ihre ganze Stärke ausspielen.

In Deutschland stellen Unternehmen noch ganze Waffensysteme her

Denn hierzulande gibt es, anders als in fast allen der 27 EU-Staaten, noch Hersteller, die komplette Waffensysteme fertigen – und nicht nur Komponenten. Bei diesen Systemherstellern ist Deutschland sehr gut aufgestellt und das in allen Segmenten: Zu Land entwickelt und montiert etwa Krauss-Maffei Wegmann aus München den Leopard II, einen Exportschlager. Die Rüstungssparte von Rheinmetall aus Düsseldorf produziert Kettenfahrzeuge oder Flugabwehrsysteme. In der Luft ist Deutschland etwa mit der nun von den Stellenstreichungen hauptsächlich betroffenen EADS-Tochter Cassidian vertreten, die mit der britischen BAE das Mehrzweckkampfflugzeug Eurofighter produziert. Cassidian verkauft auch satellitengestützte Grenzschutzsysteme, etwa nach Saudi-Arabien.

Zur See ist vor allem die Thyssen-Krupp-Tochter HDW, ehemals Howaldtswerke-Deutsche Werft, zu nennen. Die Tochtergesellschaft des strauchelnden Stahlkonzerns ließ am Donnerstag in Hamburg ihre Fregatte „Baden- Württemberg“ vom Stapel laufen, das mit knapp 125 Metern Länge angeblich größte in Deutschland gebaute Kriegsschiff seit 1945. Insofern war die Woche doch nicht so schlecht für die Branche.

Thyssen-Krupp produziert auch die U-Boot-Baureihen 212A und 214, die wegen ihres ultraleisen Brennstoffzellenantriebes kaum zu orten und daher bei vielen Streitkräften gefragt sind. Und die Bremer Lürssen-Werft, ein 1875 gegründetes Familienunternehmen, hat viele Anfragen aus Drittstaaten für seine Patrouillenboote und arbeitet an einer neuartigen Fregatte, die ab 2017 in Dienst gehen soll.

Von einer Harmonisierung der Beschaffung in der EU würden auch die etablierten Hersteller von Kleinwaffen profitieren, wie Heckler & Koch, dem Produzenten von Sturmgewehren und Maschinenpistolen aus Oberndorf am Neckar. Speziell dieses Segment nahm Alt-Kanzler Schmidt in seinem Plädoyer für schärfere Exportkontrollen ins Visier.

Die Sicherheits- und Verteidigungspolitik steht auf der Agenda des EU-Gipfels

Auf Vorbereitungstreffen zum EU-Gipfel am kommenden Freitag soll sich abgezeichnet haben, dass die Bundesregierung durchaus Unterstützung bei dem Plan, einen Binnenmarkt für Rüstungsgüter zu schaffen, finden könnte. Einige klamme Südländer sollen sogar Käufe deutscher Wehrtechnik in Aussicht gestellt haben – wenn sie im Gegenzug an anderer Stelle entlastet werden. Sogar eine Steuerbefreiung von Kriegswaffen soll ins Spiel gebracht worden sein. Das aber, so hört man in Berlin, wäre wohl dann doch zu viel der Unterstützung.

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