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Lange hochprofitabel war das Geschäft mit der Braunkohle, doch der Fall der Börsenstrompreise macht selbst Tagebaue unwirtschaftlich.

© Arno Burgi/dpa

Braunkohle in der Lausitz: Verkauft

Jetzt ist es beschlossene Sache: Das deutsche Braunkohlegeschäft von Vattenfall geht an den tschechischen Konzern EPH. Dazu gibt es eine Mitgift in Milliardenhöhe.

Der Ausstieg aus der Braunkohle kostet Vattenfall Milliarden. Am Montag veröffentliche der schwedische Staatskonzern Details des Verkaufs an das tschechische Energieunternehmen EPH und dessen Finanzpartner PPF Investments. Vattenfall hat die Braunkohletochter mit zusätzlichen Mitteln aufgehübscht: Die Tschechen übernehmen nun ein Unternehmen mit rund zwei Milliarden Euro in der Kasse sowie mit zusätzlichen Rückstellungen für Rekultivierungen der Tagebaue in Höhe von gut 1,5 Milliarden Euro. Einen Kaufpreis zahlen EPH und PPF nicht.

Da die Braunkohleaktivitäten in der Lausitz mit rund drei Milliarden Euro in der Bilanz von Vattenfall stehen, wird der Verkauf nach Angaben der Schweden zu einem Verlust von bis zu 2,9 Milliarden Euro im zweiten Quartal führen. Bereits vor einem Jahr hatte Vattenfall 1,6 Milliarden Euro auf die Braunkohle abgeschrieben. Nicht verkaufen werden die Schweden so genannten Hedges im Wert von rund einer Milliarde Euro, mit denen sich der Konzern gegen den Fall der Börsenstrompreise abgesichert hat.

Knapp 8000 Mitarbeiter sind betroffen

Der Absturz dieser Preise und die Debatte über die Verstromung der Braunkohle überhaupt haben den Rahmen gesteckt, in dem sich der Verkauf abspielte. Die schwedische Regierung hatte bereits vor rund zwei Jahren den Ausstieg aus der Braunkohle beschlossen; nur ohne Braunkohle kann Vattenfall seine konzerneigenen Klimaziele erreichen. Der Verkauf umfasst alle Kraftwerke und Tagebaue in Deutschland: Die Kraftwerke Jänschwalde, Boxberg, Schwarze Pumpe sowie der 50-Prozent-Anteil am Kraftwerk Lippendorf sowie die Tagebaue Jänschwalde, Nochten, Welzow- Süd, Reichwalde und der kürzlich ausgekohlte Tagebau Cottbus Nord. Alles in allem sind knapp 8000 Mitarbeiter betroffen.

Betriebsräte und Gewerkschaft reagierten positiv auf den Verkauf an die Tschechen, die sich „zu einem partnerschaftlichen Miteinander bekannt“ hätten, wie der IG BCE-Vorsitzende Michael Vassiliadis sagte. Zu EPH gehört bereits das Braunkohleunternehmen Mibrag in Sachsen-Anhalt. Hier hat die IG BCE gerade erst in einem Vertrag betriebsbedingte Kündigungen bis 2020 ausgeschlossen und fordert ein solches Abkommen nun auch für die 7500 Noch-Mitarbeiter von Vattenfall.

Spätestens 2022 sollen die Preise wieder steigen

Den Gewerkschaften war ferner wichtig, dass der neue Eigentümer nicht auf schnellen Profit zielt. In den ersten drei Jahren nach dem Verkauf darf keine Dividende ausgeschüttet werden und in den folgenden zwei Jahren „ist die Gewinnabschöpfung vertraglich auf eine betriebsübliche Rendite begrenzt“, teilte Vattenfall mit. Mit dem Kauf der Braunkohle setzen die Tschechen auf steigende Preise spätesten 2022, wenn hierzulande das letzte AKW vom Netz geht und der Kohlestrom immer dann gebraucht wird, wenn die Erneuerbaren nicht liefern. Umwelt- und Klimaschützer kritisierten den Verkauf. „Statt einer gut geplanten Rückführung der Braunkohleaktivitäten droht ein wirtschaftliches Ausbluten ohne ökonomische und ökologische Perspektive für die Region“, kommentierte der WWF. Ähnlich äußerte sich das Beratungsunternehmen Agora Energiewende. Das Geschäft könnte „auf den Rücken der Kohle-Kumpel in der Lausitz und der Steuerzahler in Brandenburg und Sachsen“ enden. Solchen Befürchtungen beförderte Vattenfall selbst mit dem Hinweis, dass der Milliardenkosten verursachende Ausstieg noch günstiger sei als die künftig möglichen Verluste „angesichts der prognostizierten Großhandelspreise für Strom“. Aktuell bekommen die Erzeuger für eine Megawattstunde rund 20 Euro; um Geld zu verdienen, wären aber mindestens 30 Euro erforderlich.

Vattenfall will in Deutschland bleiben

Mit dem Verkauf der Braunkohle trennt sich Vattenfall von rund der Hälfte seiner Mitarbeiter hierzulande. Konzernchef Hall betonte, „Deutschland bleibt ein wichtiger Markt für Vattenfall.“ Man habe mehr als drei Millionen Kunden, davon der ganz überwiegende Teil in Berlin und Hamburg. Vattenfall bewirbt sich wieder um die Konzession für den Betrieb des Stromnetzes in Berlin (siehe auch Seite 16). Aktuell hat Vattenfall in Berlin knapp 4000 Mitarbeiter, davon mehr als 3000 in der Fernwärme und beim Stromnetz. In der Deutschlandzentrale in Mitte gibt es 400 Beschäftigte, knapp 300 sind in einer IT-Tochter beschäftigt. Rund 400 Arbeitsplätze hat Vattenfall im Berliner Kundenservice abgebaut, dessen Dienstleistungen von Call- Centern in Sachsen und Thüringen übernommen wurden. Ein Bereich mit internen Dienstleistungen wie Personal und Buchhaltung soll ebenfalls ausgegliedert werden, davon wären nach Angaben der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi in Berlin 220 und mit Hamburg und der Lausitz 700 Arbeitskräfte betroffen.

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