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Carsten Kengeter, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Börse AG, ist mit dem Fusionsplan gescheitert.

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Börsenfusion endgültig vom Tisch: Deutsche Börse darf LSE nicht übernehmen

Das war es dann: Erwartungsgemäß hat die EU-Kommission die Übernahme der Londoner Börse durch die Deutsche Börse untersagt.

Die geplante Fusion von Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) ist gescheitert. Die EU-Kommission untersagte das Vorhaben am Mittwoch. Der Zusammenschluss zwischen Deutscher Börse und London Stock Exchange (LSE) „hätte den Wettbewerb erheblich eingeschränkt“, erklärte Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager. Ein Scheitern des ehrgeizigen Vorhabens, ein europäisches Schwergewicht unter den Finanzplätzen zu schmieden, hatte sich schon länger abgezeichnet. Die Deutsche Börse will jetzt aus eigener Kraft wachsen. Die EU-Wettbewerbshüter argumentierten, auf dem Markt für die Abwicklung festverzinslicher Finanzinstrumente hätte die Fusion „ein De-facto-Monopol“ geschaffen. „Die europäische Wirtschaft benötigt gut funktionierende Finanzmärkte“, betonte Vestager. „Dies ist nicht nur für Banken und andere Finanzinstitute wichtig. Die gesamte Wirtschaft profitiert davon, wenn Unternehmen auf wettbewerbsorientierten Finanzmärkten Geld aufnehmen können.“

Die Deutsche Börse will nun allein wachsen

Spätestens seit sich die LSE Ende Februar weigerte, eine weitere Auflage der EU-Wettbewerbshüter zu erfüllen und ihren Mehrheitsanteil an der italienischen Anleihen-Handelsplattform MTS zu veräußern, galt das Projekt als gescheitert. Ein Verkauf von MTS hätte aus Sicht der EU-Kommission das Problem gelöst, sagte Vestager.
Die Deutsche Börse bedauerte das Nein aus Brüssel. Zugleich betonte Vorstandschef Carsten Kengeter: „Die Deutsche Börse ist auch allein sehr gut aufgestellt, um im globalen Wettbewerb mit anderen Börsenbetreibern bestehen zu können.“ Die Wachstumsstrategie des Unternehmens ziele darauf ab, Kunden neue Produkte, Dienstleistungen und Technologien anzubieten. Mittelfristig erwarte er ein jährliches Wachstum des Konzerngewinns von zehn bis 15 Prozent.

Der Brexit kam dazwischen

Das Votum der Briten zum Austritt aus der EU hatte das im Februar 2016 angekündigte Milliardenprojekt zusätzlich erschwert. Vor allem die Frage des rechtlichen Sitzes wurde seither noch kritischer gesehen als zuvor. Bereits vor dem Brexit-Referendum hatten sich die beiden Börsenbetreiber darauf festgelegt, dass die Dachgesellschaft der geplanten europäischen Superbörse ihren Sitz in London haben soll. Das sorgte am Finanzplatz Frankfurt für viel Kritik.
Zusätzlich belastet wurde das Fusionsvorhaben durch Ermittlungen gegen Kengeter wegen des Verdachts auf Insiderhandel, die Anfang Februar bekannt wurden. Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den Manager wegen eines millionenschweren Aktiengeschäfts gut zwei Monate bevor die beiden Konzerne ihr Fusionsvorhaben öffentlich machten. Die Ermittler werfen Kengeter vor, schon im Sommer 2015 auf höchster Ebene Gespräche über den Zusammenschluss der beiden Konzerne geführt zu haben – und in diesem Wissen Mitte Dezember 2015 Aktien der Deutschen Börse gekauft zu haben. Die Öffentlichkeit informierten die Konzerne am 23. Februar 2016 über ihr Vorhaben. Die Aktienkurse beider Unternehmen legten in der Folge zu. Kengeter hält die Vorwürfe für unbegründet, Aufsichtsrat und Vorstand stellten sich hinter den Manager.

Kengeter hat noch ein anderes Problem

Kengeter hatte die Führung der Deutschen Börse am 1. Juni 2015 als Nachfolger von Reto Francioni übernommen. Kaum im Amt, untermauerte der gelernte Investmentbanker mit zwei kleineren Übernahmen den Anspruch, die Deutsche Börse an die Weltspitze zu führen. Immer wieder betonte er, der Finanzplatz Frankfurt sei „in einem harten globalen Wettbewerb“ zurückgefallen und „angewiesen auf Bündnisse“. Kengeter warnte: „Das größte Risiko für Frankfurt ist, nichts zu tun.“ Die starke US-Konkurrenz werde dann auch Europas Kapitalmarkt bestimmen. Kengeter sollte Chef des Gemeinschaftsunternehmens mit der LSE<TH>werden, die Mehrheit sollten die Aktionäre der Deutschen Börse mit gut 54 Prozent halten.

Das war schon der dritte Fusionsversuch

An der LSE hat sich die Deutsche Börse nunmehr schon zwei Mal vergeblich versucht: Im Mai 2000 scheiterte der Plan zu einer Fusion mit den Londonern. Im Frühjahr 2005 torpedierten dann angelsächsische Hedgefonds den erneuten Griff nach der LSE und jagten den damaligen Deutsche-Börse-Chef Werner Seifert aus dem Amt. Nun sind es Brüsseler Bürokraten, die den Visionen ein Ende bereiten. Ausgerechnet vor Kengeters 50. Geburtstag am kommenden Freitag. Erst kürzlich hielt der Manager, der sich gerne in Ausdauersportarten wie Berg-Marathon misst, einen Vortrag an der Frankfurter Uni. Thema: „Die große Kluft: Ökonomische Theorie und finanzielle Desaster. Wie können wir die Zukunft reparieren?“ Besser könnte ein Titel nicht passen. dpa

Friederike Marx, Jörn Bender

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