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Hoffentlich hält das auch und rollt wie geplant und vorgeschrieben!

© DPA

BER, BMW, ICE: Deutschland, einig Pannenland?

Eine an Rohstoffen arme Industrienation muss ihre Exportprodukte in Referenzprojekten vorstellen. Aber wohin soll man Technik, die schon zuhause nicht läuft, eigentlich verkaufen? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kevin P. Hoffmann

Wenigstens die Kommunikationsabteilung der Deutschen Bahn bewies Haltung in der Stunde der Krise. „Das ist unerfreulich“, kommentierte eine Konzernsprecherin den Umstand, dass der Premieren-ICE voller geladener Gäste auf der neuen Rennstrecke zwischen Berlin und München ohne erkennbaren Grund stehengeblieben war. „Das ist nicht das, was wir uns vorstellen – und unsere Kunden auch nicht“, brachte sie das Problem auf den Punkt. Erfrischend klare Aussagen ohne Rumgeschwurbel. Für diese Direktheit, die Fähigkeit, schmerzhafte Wahrheiten ohne Umschweife auszusprechen, sind Deutsche bekannt – wenn auch nicht sonderlich beliebt. Gleiches galt bisher auch für die sprichwörtliche „deutsche Ingenieurskunst“.

Noch ist nicht geklärt, was den Schnellzug ausbremste. Und für den Imageschaden ist es auch unerheblich, denn der ist längst da. Diese Panne fügt sich in ein trauriges Bild – nur wenige Tage nachdem mit BMW ein weiterer weltbekannter Autohersteller vom Dieselskandal angesteckt worden ist, und nur wenige Tage, bevor die deutsche Hauptstadt offiziell erklären muss, dass ihr Flughafenbau erst im Jahr 2020 oder 2021, also mit acht- bis neunjähriger Verspätung, in Betrieb gehen kann.

„Dem Ingenieur ist nichts zu schwör“

Zehn Milliarden Euro haben Steuerzahler spendiert, 26 Jahre hat es bis zu dieser schnellen Zugfahrt gebraucht, mit Siemens ist der größte heimische Technologiekonzern maßgeblich mit dem Bau des Zugs befasst. Und dann klappt es nicht? Es geht nicht um Fairness, vielleicht war ja sogar Sabotage im Spiel. Das interessiert weltweit aber niemanden mehr. Eine an Rohstoffen arme Industrienation ist darauf angewiesen, dass ihre potenziellen Exportprodukte in Referenzprojekten begutachtet werden können. Wenn derartige Vorhaben noch nicht mal reibungslos auf dem Heimatmarkt funktionieren, wohin will man die Produkte denn dann verkaufen?

„Dem Ingenieur ist nichts zu schwör.“ Dieser inoffzielle Leitspruch einer ganzen Zunft stammt aus der Feder von Erika Fuchs, der 2005 verstorbenen Übersetzerin der „Lustigen Taschenbücher“. Sie legte ihn dem tüftelnden Enterich Daniel Düsentrieb in den Schnabel. Nachzulesen war diese Anekdote erst vor wenigen Monaten wieder in den „VDI nachrichten“, dem Zentralorgan des stolzen Vereins Deutscher Ingenieure von 1856. Dort befasst man sich regelmäßig – aber vielleicht noch nicht oft genug – mit Fragen wie: Sind wir fit für die Zukunft? Was bedeuten uns traditionelle Werte wie Pünktlichkeit und Präzision? Sind wir kreativ und flexibel genug? Ist unsere Zunft offen für die klügsten Köpfe aus aller Welt? Und ist unser Berufsbild auch attraktiv genug, um mehr Frauen zu begeistern?

Die Antworten darauf sind relativ klar, werden angesichts der Nachrichten von Bahn bis BER immer klarer. Die Lösungen für diese Probleme sind es nicht. Aber noch ist der Zug nicht abgefahren. Und es war ja auch nur eine „unerfreuliche“ Panne an einem ICE, keine Katastrophe. Dringenden Anlass zum Nachdenken bietet sie dennoch.

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