zum Hauptinhalt
Pflanzengift. Roundup von Monsanto gehört zu den weltweit meistgenutzten Pestiziden.

© Charles Platiau/Reuters

Bayer und Monsanto: Vergiftete Stimmung

Umweltschützer wollen Bayer auf der Hauptversammlung am Freitag in Bonn mit Schadenersatzklagen gegen Monsanto in den USA konfrontieren.

Die geplante Übernahme des US-Saatgutkonzerns Monsanto könnte für Bayer womöglich teurer werden als gedacht. Grund dafür sind mehrere Zivilprozesse, die derzeit in den USA anhängig sind. Die in Virginia ansässige und auf Sammelklagen gegen große Konzerne spezialisierte Kanzlei Miller klagt im Namen von rund 1500 US-Bürgern auf Schadensersatz, weil sie oder Angehörige an sogenannten Non-Hodgkin-Lymphomen erkrankt oder bereits verstorben sind – Krebs im Lymphgewebe. Die Betroffenen stammen aus verschiedenen US-Bundesstaaten. Sie alle haben bei ihrer Arbeit oder in ihrem Garten das von Monsanto hergestellte Totalherbizid „Roundup“ verwendet und bringen dies in Zusammenhang mit ihrer Erkrankung. Etwa die Hälfte der Kläger sind Landwirte. Roundup setzt sich laut Experten aus mindestens 15 unterschiedlichen Stoffen zusammen und enthält unter anderem den auch in Europa umstrittenen Wirkstoff Glyphosat.

Bayer will Monsanto für 59 Milliarden Euro kaufen

Bayer will Monsanto für umgerechnet 59 Milliarden Euro kaufen und damit zum weltgrößten Hersteller von Saatgut und Pflanzenschutzmitteln aufsteigen. Die geplante Fusion steht im Zentrum der Hauptversammlung des Konzerns am Freitag in Bonn. Kritische Umweltschützer, Gewerkschaften und Aktivisten wollen die Geschäftsleitung bei dem Treffen mit unangenehmen Fragen konfrontieren. So will das Bündnis „Coordination gegen Bayer-Gefahren“ bei dem Aktionärstreffen unter anderem fordern, dem Aufsichtsrat die Zustimmung für den geplanten Deal zu verweigern. Kartellbehörden rund um den Globus müssen die Übernahme genehmigen. Experten gehen davon aus, dass diese der Fusion unter Auflagen zustimmen werden. Der Zusammenschluss von Bayer und Monsanto wäre die bisher teuerste Übernahme eines ausländischen Unternehmens durch einen deutschen Konzern in der Geschichte der Bundesrepublik.

Die Kläger-Seite führt brisante Dokumente ins Feld

Sollten die Prozesse in den USA im Sinne der Kläger verlaufen, könnten auf Bayer Zahlungen in Millionenhöhe zukommen – pro Fall. Das sagt Rechtsanwalt Timothy Litzenburg, der mit den Klagen gegen Monsanto in den USA befasst ist. „Monsanto hat in der Vergangenheit dafür geworben, dass Roundup sicherer als Speisesalz und praktisch ungiftig für den Menschen ist“, heißt es auf der Homepage der Kanzlei Miller. „Mit dem Verkauf des Produkts hat das Unternehmen Milliarden Dollar verdient und dabei das Leben von amerikanischen Landwirten aufs Spiel gesetzt.“ Aber nicht nur aus finanziellen Gründen bergen die Verbraucherklagen in den USA für Bayer ein Risiko. Denn die Klägerseite verfügt über brisante Dokumente, die beweisen, dass Monsanto Druck auf Wissenschaftler ausgeübt hat, die mögliche gesundheitliche Gefahren für den Menschen durch die Nutzung von Roundup und dem dort enthaltenen Wirkstoff Glyphosat abschätzen sollten. Laut Rechtsanwalt Litzenburg haben zahlreiche Forscher kritische Testergebnisse und Hinweise auf schädliche Auswirkungen des Pflanzenschutzmittels über Jahrzehnte im Sinne von Monsanto gefälscht und dafür zum Teil auch Gefängnisstrafen verbüßt.

Roundup wird weltweit eingesetzt

Roundup gehört in Europa wie auch weltweit zu den in der Landwirtschaft am häufigsten eingesetzten Herbiziden. In Deutschland sind derzeit nach Recherchen des Tagesspiegels 96 glyphosathaltige Pflanzenschutzmittel zugelassen. Die Krebsagentur der Weltgesundheitsorganisation hatte den Wirkstoff im März 2015 als „wahrscheinlich krebserregend“ für den Menschen eingestuft. Die EU-Kommission hatte das Mittel vergangenes Jahr dann aber dennoch erneut zugelassen, nachdem sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union in der Frage wochenlang nicht einigen konnten. Nach Schätzungen der Vereinten Nationen sind weltweit pro Jahr 200 000 Todesfälle auf Pestizidvergiftungen zurückzuführen. Bei Bayer indes gibt man sich mit Blick auf Monsanto und die in den USA anhängigen Klagen dennoch gelassen. „Solange der Kauf nicht über die Bühne ist, sind wir Wettbewerber“, sagte ein Bayer-Sprecher dem Tagesspiegel vor dem Aktionärstreffen am Freitag. „Da sich die Klagen gegen Monsanto richten, kommentieren wir sie nicht.“

Zur Startseite