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Here hat eine Flotte von 400 Fahrzeugen, die Daten sammeln.

© Doris Spiekermann-Klaas

Audi, BMW und Mercedes tauschen Daten aus: Kartendienst Here spannt sein Netz auf

Einige hundertausend Autos liefern künftig Daten zum Verkehrsgeschehen, der Kartendienstleister Here sammelt sie. Das Ziel: der beste Algorithmus für autonomes Fahren.

Das selbst fahrende Auto der Zukunft denkt voraus – gefüttert mit Daten, die der Berliner Kartendienstleister Here gesammelt hat. Das ist die Vision: Die im Auto eingebauten Sensoren wissen zum Beispiel, ob, wann und wo es regnet und wie beschleunigt oder gebremst werden muss. Die Kameras an Bord lesen Verkehrsschilder, während der Fahrer vor einem nahenden Stau-Ende gewarnt wird oder Empfehlungen für einen Parkplatz erhält. Der Clou: Viele Fahrzeuge unterschiedlicher Hersteller bringen ihre gesammelten Daten auf einer Plattform zusammen, die die Fahrer sekundenschnell und millimetergenau über das Verkehrsgeschehen informiert.

Im ersten Halbjahr 2017 soll aus der Vision Realität werden. Audi, BMW und Mercedes, die Here 2015 zusammen für 2,6 Milliarden Euro gekauft haben, werden dann einen weiteren, bedeutsamen Schritt gemeinsam unternehmen: Sie lassen einige hunderttausend vernetzte Fahrzeuge Daten ihrer Sensoren austauschen, zunächst in Europa, später auch in Nordamerika. Dabei geht es unter anderem um Informationen zu Verkehrsfluss und Staus, Unfallstellen und Glatteis sowie Straßenschildern, wie das Unternehmen ankündigte. Der Service soll zunächst nur mit Daten von Audi, BMW und Mercedes-Benz an den Start gehen.

Weitere Unternehmen und Behörden sollen Teil des Datennetzes werden

Doch das Datennetz soll in Zukunft noch viel weiter aufgespannt werden. Die Daten aus den Fahrzeugsensoren sollen auch für andere Autohersteller, Diensteanbieter, Smartphoneproduzenten, App-Entwickler, aber auch Gemeinden oder Straßenverkehrsbehörden zur Lizenzierung zugänglich sein. Zudem könnten auch diese ihre Informationen in die Plattform einbringen. „Schon heute zeigen wir, wie weit uns ein offener, sicherer und vor allem gemeinsamer Ansatz bringen kann. Unsere vier neuen Dienste sind erst der Anfang“, sagt Here-Chef Edzard Overbeek. Here stehe erst am Anfang.

Aber die Zeit drängt. Here braucht weitere Partner, um die Großen der Branche, die eigene Kartendienste haben, ernsthaft angreifen zu können: Google, Apple oder Tomtom. „Denkbar sind Partner aus der IT-Industrie, aus der Logistik oder aus dem Handel“, hatte Overbeek Ende August gesagt. Man spreche mit „Dutzenden von Interessenten über eine Beteiligung“. Zu den Gesprächspartnern sollen etwa Amazon oder Microsoft gehören. Interesse an einem Einstieg bei Here hatten im Frühjahr auch die Zulieferer Continental und Bosch signalisiert. Seitdem ist es aber ruhig um Here geworden.

Es geht um die Frage, wer in der Industrie die leistungsfähigsten Standards für die Automatisierung setzt. Wer die meisten Daten und Nutzer sammelt, bietet den zuverlässigsten Algorithmus für autonomes Fahren. Volvo und Toyota haben sich zum Beispiel mit dem Fahrdienst Uber zusammengetan, der ebenfalls einen Kartendienst aufbauen will. Toyota greift aber zusätzlich auf Here zurück. Volvo selbst hat zudem einen eigenen Cloud-Dienst eingeführt. Fiat- Chrysler arbeitet mit Google zusammen.

Smartphones setzen Industrie zusätzlich unter Druck

Das Vordringen der Smartphones ins Auto setzt die Industrie zusätzlich unter Druck. Verbraucher wollen die gewohnten Dienste und Apps auch in den Fahrzeugen nutzen. Apple bietet Herstellern für die Integration von iPhones im Auto die Plattform Carplay an und Google hat das Pendant Android Auto für Smartphones mit seinem Betriebssystem. Beide Anbieter haben eigene Kartendienste, die mit der eingebauten Software der Autos konkurrieren. Here erklärt, seine Daten könnten in verschiedene Apps integriert werden.

„Als Unternehmen, dem Datenschutz ein großes Anliegen ist, erfüllt Here auch alle entsprechenden Datenschutzrichtlinien“, teilte der Kartendienst weiter mit. Die Daten der Fahrzeugflotten würden „anonymisiert und ohne persönliche Kennung sein“. Datenschützer sind indes skeptisch. „Die Erklärungen der Autohersteller waren und sind verbesserungsfähig“, sagte Marion Jungbluth vom Bundesverband der Verbraucherzentralen. Fahrer wüssten oft gar nicht, welche Daten gesammelt würden und wer sie verwende. „Alle Daten im Auto sind sensibel, weil sie schnell personalisiert werden können“, sagte Jungbluth. Immerhin einen Vorteil habe Here: Der Anbieter stamme – anders als etwa Apple oder Google – aus Europa und müsse die hier geltenden Datenschutzrichtlinien einhalten. mit dpa

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