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Mitarbeiter fehlen immer öfter wegen psychischer Leiden. Foto: Julian Stratenschulte/ dpa

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Arbeitswelt: Eine Lösung für den hohen Stresspegel finden

Arbeitsministerin Nahles ist mit ihrer "Anti-Stress-Verordnung' noch nicht weit gekommen. Nun gründet sie mit Gewerkschaften und Arbeitgebern einen „Runden Tisch“.

Wenn die Arbeitgeber von Flexibilität sprechen, werben sie für mehr Freiheiten für ihre Mitarbeiter, die so individueller entscheiden können, wann und wo sie ihre Aufgaben erledigen. Sprechen die Gewerkschaften von dem Begriff, meinen sie Entgrenzung und Stress. Weil das Problem, dass psychische Erkrankungen in der heutigen Arbeitswelt stetig zunehmen, durch die widersprüchlichen Auffassungen ungelöst bleibt, will das Bundesarbeitsministerium mit den Interessensvertretern jetzt an einem „Runden Tisch“ zu Lösungen kommen.

„Durch die Digitalisierung können sich Risiken für psychische Erkrankungen weiter verstärken“, erklärte Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) und forderte einen „Arbeitsschutz 4.0“ sowie eine bessere Prävention in den Betrieben. Anders als bei Gefahrstoffen, Lärm oder mangelnder Beleuchtung fehlen bei potenziellen psychischen Belastungsfaktoren klare Anforderungen an die Arbeitgeber.

Digitalisierung wird als Belastung gesehen

Am Mittwoch hatte der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) eine Studie vorgestellt, nach der mit dem Einsatz digitaler Arbeitsmittel das Gefühl steigt, unter höherem Druck zu stehen und mehr in der gleichen Zeit leisten zu müssen. Die Mehrheit der Befragten fühlt sich oft gestresst. Fast jeder Zweite fand, dass die Arbeitsbelastung durch die Digitalisierung größer geworden ist. DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach trat deswegen erneut für eine „Anti-Stress-Verordnung“ ein und warnte, die digitale Welt verstärke Arbeitshetze und -intensität in allen Branchen. Deshalb müsse der Runde Tisch „schnelle und konkrete“ Ergebnisse erarbeiten.

Nahles hatte die Prüfung einer „Anti-Stress-Verordnung“ in den Koalitionsvertrag aufgenommen und eine Debatte zu dem Thema angestoßen – bislang allerdings ohne greifbares Ergebnis. Die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) sollte deswegen ausarbeiten, ob und wie es überhaupt möglich ist, Belastungsschwellen für Stress festzulegen.

In ihrem Abschlussbericht von diesem Freitag nennt die Behörde kritische Faktoren wie zum Beispiel permanent unterbrochen zu werden, nicht abschalten zu können oder unter einem zu hohen Leistungsdruck zu stehen – und gibt zehn Handlungsempfehlungen. Dazu zählt, Arbeitszeiten festzulegen statt ständige Erreichbarkeit zu verlangen und eine wirkliche Erholung von der Arbeit zu gewährleisten. Ähnlich wie bei der Anti-Stress-Verordnung der IG Metall klingen die Ideen jedoch bekannt und allgemein. Das Problem ist nämlich: Stress und Sorgen können nicht so einfach gemessen werden wie Krach. Normwerte als strenge Vorgaben lassen sich nur schwer festlegen.

Frühverrentung wegen psychischer Belastung

Dazu kommt: Die Frage, was genau die Ursache für Stress ist, ist sehr individuell. Sind es immer die digitalen Arbeitsmittel oder sind es nicht auch manchmal das zu wenige Personal, Führungsdefizite oder ein schlechtes Betriebsklima? Grundsätzlich ist Stress kein Problem, solange sich Arbeitnehmer ausreichend ausruhen können, Feedback bekommen und sich wertgeschätzt fühlen.

Der Runde Tisch mit dem Titel „Dialog: Psychische Gesundheit in der Arbeitswelt“ soll bis Ende 2018 tagen. Fachleute der BAuA werden dem Gremium beisitzen. Außerdem werden Fachleute aus der öffentlichen Verwaltung, aus verschiedenen Wirtschaftsbranchen und der Wissenschaft angehört werden. Alexander Gunkel vom Arbeitgeberverband sagte, Ziel sei es, „gemeinsam Wege zu finden, psychische Fehlbelastungen möglichst zu vermeiden“. Nahles betonte in dem Zusammenhang noch einmal die Relevanz der Diskussion: Fast jede zweite Frühverrentung sei mittlerweile die Folge psychischer Belastungen.

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