zum Hauptinhalt
Offene Stellen gibt es vor allem im Baugewerbe, in der Industrie, im Handel und bei Unternehmensdienstleistern.

© Alexander Heinl/ dpa

Arbeitsmarkt: Zahl der Jobsuchenden ist leicht gestiegen

Die Arbeitslosenzahl steigt wegen des Sommerlochs leicht an. Hartz-IV-Bezieher und Jugendliche sollen besser betreut werden.

Für Arbeitslose standen die Chancen lange nicht so gut, einen Job zu finden, wie heute. Doch an jenen, denen die Suche besonders schwer fällt, geht der Aufschwung weiterhin vorbei. 900.000 Menschen sind in Deutschland länger als ein Jahr arbeitslos. Seit Jahren ändert sich daran kaum etwas. Wie auch nicht an der Zahl der rund vier Millionen Hartz-IV-Bezieher.

Detlef Scheele, Chef der Bundesagentur für Arbeit (BA), will sich seit Beginn seiner Amtszeit vor vier Monaten um das Problem kümmern. Spätestens bis zum Jahresende soll ein neues Projekt anlaufen, verkündete er nun. Ein Punkt sei die Prävention: Scheele will Jugendliche mit einer Datenbank auf dem Weg von der Schule bis ins Berufsleben lückenlos begleiten. Keiner dürfe in diesem Lebensabschnitt verloren gehen, macht er immer wieder klar. Zu viele Jugendliche landeten als Un- oder Angelernte perspektivlos in der Arbeitslosenstatistik. Scheele strebt außerdem eine engere Kooperation der Jobcenter mit den Jugendämtern an. In manchen Fällen müssten erst Lösungen für familiäre Probleme gefunden werden, bevor man an eine Job-Vermittlung überhaupt denken könne.

In Regionen, in denen viele Langzeitarbeitslose leben, sollen einige „Testpersonen“ zudem intensiver betreut werden. Sie müssten deswegen auch häufiger damit rechnen, zu Gesprächen eingeladen zu werden. Sollte kein Erfolg zu erkennen sein, plant Scheele einen sozialen Arbeitsmarkt: Für schwer vermittelbare Langzeitarbeitslose will die Bundesagentur dann öffentlich geförderte Jobs anbieten – vor allem dort, wo sich Bundesländer an der Finanzierung der Stellen beteiligen.

Arbeitslosenquote in Berlin bei 8,8 Prozent

Trotz seiner ambitionierten Haltung warnte Scheele vor überzogenen Erwartungen: „Wir haben Mittel im SGB II (Grundsicherung), aber die reichen nicht für größere Sprünge.“ Deswegen werde die Arbeitsagentur zunächst einmal in einigen ausgewählten Regionen starten. Wo genau, mit wie vielen Teilnehmern und zu welchem Preis, sagte er nicht.

Die Zahl der Arbeitslosen ist im Juli um 45.000 auf rund 2,5 Millionen gestiegen. Das ist dennoch der niedrigste Juli-Wert seit der Wiedervereinigung. Im Vergleich zum Vorjahr gab es 143.000 Erwerbslose weniger. Die Arbeitslosenquote stieg um 0,1 Punkte auf 5,6 Prozent. In Berlin waren 166.644 Arbeitslose gemeldet. Die Arbeitslosenquote betrug 8,8 Prozent. In Brandenburg lag sie bei 6,7 Prozent.

Die Zahl der Jobsucher steigt im Sommer üblicherweise an: Zum einen stellen viele Unternehmen wegen der Betriebsferien keine neuen Mitarbeiter ein, zum anderen melden sich viele junge Menschen nach dem Ende ihrer betrieblichen oder schulischen Ausbildung vorübergehend arbeitslos. Die um jahreszeitliche Einflüsse bereinigte Erwerbslosenzahl sank im Juli bundesweit um 9.000 auf 2,5 Millionen. Bei der BA sind derzeit 750.000 offene Stellen gemeldet – 76.000 mehr als vor einem Jahr. „Ich sehe dieses Jahr keine Trendwende am Arbeitsmarkt“, sagte Detlef Scheele noch und widersprach damit Einschätzungen von Bankenvolkswirten, die in den kommenden Monaten mit einer Abkühlung auf dem deutschen Arbeitsmarkt rechnen.

Ein Zukunftsthema sei die Qualifizierung

Der Arbeitsmarkt sei nach den Worten von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) weiterhin in „ausgezeichneter Verfassung“. Das Zukunftsthema sei die Qualifizierung der Menschen. „Wir brauchen eine flächendeckende Weiterbildungsberatung durch die BA und mehr Angebote, um Arbeitsplatzverluste durch Qualifikationsverluste zu vermeiden“, forderte sie. Mit einem sogenannten „Chancenkonto für Erwerbstätige“ wolle sie es Beschäftigten so leicht wie möglich machen, bei einer Qualifizierung oder Neuorientierung selbst die Initiative zu ergreifen. „Es soll ein finanzielles Polster für jeden Einzelnen sein und Mut machen, Neues zu wagen.“

Ganz anders klang Annelie Buntenbach, Vorstandsmitglied des Deutschen Gewerkschaftsbundes. Zu der stagnierenden Zahl der Langzeitarbeitslosen sagte sie nämlich: „Jetzt rächt sich, dass die Mittel für Eingliederung und Weiterbildung drastisch gekürzt wurden.“ Wer an einer Weiterbildung teilnimmt, müsse außerdem mindestens so gestellt sein, wie Ein-Euro-Jobber, indem er einen Zuschlag zur Hartz-IV-Leistung erhält. Wie solle er sonst motiviert sein, etwas zu tun.

Hätten 2010 noch 80.000 Empfänger der Grundsicherung an einer Weiterbildung teilgenommen, seien es 2016 nur noch 50.000 gewesen. In der Grundsicherung befinden sich zwei Drittel aller Arbeitslosen, aber nur 40 Prozent der geförderten Maßnahmen richten sich an sie. „Wenn nicht gegengesteuert wird, verfestigt sich die Langzeitarbeitslosigkeit immer mehr“, sagte Buntenbach. Und: Wird beim Thema Weiterbildung nur auf Beschäftigte und Arbeitslosengeld-I-Bezieher gesetzt, driften die Chancen der Menschen weiter auseinander.

Der frühere BA-Vorstand Heinrich Alt kritisierte kürzlich, zu viele Mitarbeiter in den Jobcentern seien mit dem Erstellen von Hartz-IV-Bescheiden beschäftigt und zu wenige mit der Jobvermittlung. Außerdem sei die Förderung oft nicht richtig zielgenau. „Der deutsche Sozialstaat“, sagte Alt, „bleibt noch immer unter seinen Möglichkeiten.“

Zur Startseite