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Gründe für die hohe Jugendarbeitslosigkeit sind die hohe Schulabbrecherquote, zu wenige einfache Jobs, der Zusammenhang zwischen langzeitarbeitslosen Eltern und später arbeitslosen Kindern und die Vererbung von Bildungsarmut. Foto: Daniel Karmann/dpa

© picture alliance / dpa

Arbeitsmarkt in Berlin: Viele Jugendliche ohne eine Perspektive

Zwar sinkt die Arbeitslosigkeit in Berlin – aber nicht bei den Jüngeren. Die Quote ist fast doppelt so hoch wie im Bundesschnitt.

Sie gehen nicht mehr zur Schule, machen keine Ausbildung, studieren nicht, haben keinen Job. Jeder achte Jugendliche unter 20 Jahren ist in der Hauptstadt als arbeitslos gemeldet – und was diese Mädchen und Jungen den ganzen Tag über tun, scheint niemand zu wissen. Obwohl das Problem seit vielen Jahren bekannt ist, fehlt es nach wie vor an Daten und Erklärungen dafür. „Die Zahl ist ziemlich hoch und natürlich wissen wir, da stimmt etwas nicht“, sagte Arbeitssenatorin Elke Breitenbach (Die Linke) am Donnerstag.

Trotz der Jugendberufsagenturen ist die Altersklasse der 15- bis 25-Jährigen sogar die einzige, in der die Arbeitslosigkeit in den vergangenen zwölf Monaten leicht gestiegen ist – von 9,2 auf 9,3 Prozent. Eine fast doppelt so hohe Quote wie im Bundesschnitt und wie etwa im Stadtstaat Hamburg. „Die generell positive Entwicklung schlägt sich bei den jungen Menschen hier nicht wieder“, sagt Bernd Becking, Chef der Arbeitsagentur Berlin-Brandenburg. Warum das so ist, müsse „nun analysiert werden“.

Fragt man Gabriele Schlimper, Geschäftsführerin des Paritätischen Wohlfahrtsverbandes Berlin, nach Gründen, nennt sie unter anderem die hohe Schulabbrecherquote, zu wenig einfache Jobs für Geringqualifizierte, den Zusammenhang zwischen langzeitarbeitslosen Eltern und später arbeitslosen Kindern, die Vererbung von Bildungsarmut. „Man muss aber auch dazu sagen, dass Berlin quasi die Summe aus zwölf Großstädten ist“, sagt sie. Außerdem sei schon einiges passiert, aber es müsse eben noch mehr geschehen, zum Beispiel in Form von Programmen wie dem „Hürdenspringer“, bei dem Mentorinnen und Mentoren sozial benachteiligten Schülern aus Neukölln helfen.

Berliner Azubis sind im Schnitt die Ältesten

Funktioniert es nicht, die jungen Menschen abzuholen, haben sie fast nur die Chance, prekäre Arbeit zu finden, oder sitzen im Jobcenter, machen eine Maßnahme nach der nächsten. „Vertane Zeit“, wie Breitenbach sagt. Die Unternehmen in der Hauptstadt wiederum merken, dass diese Gruppe dem Ausbildungssystem fehlt – neben denen, die lieber studieren wollen. Die Zahl der unbesetzten Stellen lag Ende September mit 1197 in etwa auf dem Vorjahresniveau. Gleichzeitig hatten 2348 Jugendliche bis dahin noch keinen Platz gefunden. Entgegen dem Trend der letzten Jahre stellten die Betriebe weniger Plätze zur Verfügung und weniger Bewerber versuchten gleichzeitig ihr Glück. Ein Problem für beide Seiten.

Alexander Schirp, Geschäftsführer der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg, fordert in diesem Zusammenhang, dass der Übergang von der Schule in den Beruf besser gelingen müsse. Mit Fördermaßnahmen würden die Betriebe doch bloß „reparieren, was vorher schon schiefgelaufen ist“. Auch von der Berliner Industrie- und Handelskammer (IHK) heißt es: Die Berufsorientierung in den Schulen müsse besser werden, wie auch das Deutsch- und Matheniveau der Absolventen. Die Arbeitssenatorin meint hingegen, dass das Angebot der betrieblichen Ausbildungsplätze noch unzureichend sei. „Hier geht es um soziale Verantwortung und die Zukunft vieler junger Menschen.“

Wenn sich Jugendliche doch noch überzeugen lassen, in Berlin eine Lehre zu machen, sind sie oft älter: im Schnitt 21 Jahre alt – so alt sind Lehrlinge nirgendwo sonst in Deutschland. In anderen Bundesländern sind sie in dem Alter bereits mit ihrer Ausbildung fertig. Ein weiteres Problem ist, dass mehr als jeder Dritte in Berlin seine Ausbildung wieder abbricht. Ein weiterer negativer Spitzenwert. Die Hälfte davon wechselt nur den Betrieb, die andere Hälfte lässt es ganz sein. Gesellt sich zu denen, die schon ohne Perspektive sind.

Flüchtlinge kommen oft übermüdet zur Arbeit

Unter den 20 816 Jugendlichen, die in den vergangenen Monaten nach einem Ausbildungsplatz in Berlin suchten, waren auch 1366 junge Geflüchtete, die als Bewerber alle Voraussetzungen für eine duale Ausbildung erfüllten. Ihre Lieblingsbranchen seien Mechatronik, Energie, Elektronik, Verkauf und das Gastgewerbe. Wenngleich die deutsche Sprache nicht mehr so sehr ihr Problem sei, würden einige sehr unter dem Lärm und den fehlenden Rückzugsmöglichkeiten in den Notunterkünften leiden. Vereinzelt hätten Betriebe deswegen schon Schlafräume eingerichtet, weil die Flüchtlinge morgens völlig übermüdet zur Arbeit gekommen wären, hieß es von der Handwerkskammer Berlin, die für dieses Jahr 180 Ausbildungsverträge mit Geflüchteten zählt.

Wie im Bundesdurchschnitt hat sich die positive Entwicklung des Arbeitsmarktes in der Region Berlin-Brandenburg allgemein fortgesetzt. Die Zahl der Erwerbslosen ist in beiden Bundesländern deutlich zurückgegangen und auf den niedrigsten Stand seit Beginn der Statistik in den neuen Bundesländern im Januar 1991 gefallen. Becking sagte, dass dies auch den ehemaligen Mitarbeitern der insolventen Fluggesellschaft Air Berlin zugutekomme. „Die Agenturen für Arbeit setzen alles daran, für die betroffenen Airberliner möglichst schnell neue Beschäftigungen zu finden“, sagte er. Die Arbeitslosenquote lag in Berlin zuletzt bei 8,6 Prozent, In Brandenburg bei 6,4 Prozent.

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