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Harte Arbeit. Diese Näherin hat den Einsturz der Textilfabrik in Rana Plaza überlebt.

© picture alliance / dpa

Arbeitsbedingungen in der Textilproduktion: Eine Frage des Preises

Woran können Kunden fair produzierte Kleidung erkennen? Eine Bestandsaufnahme drei Jahre nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Rana Plaza.

Emsiges Treiben schlägt einem entgegen, wenn man den Primark-Laden am Alexanderplatz betritt. Die Verkäufer haben viel zu tun, zahlreiche Kunden wollen sich zum Frühlingsbeginn mit neuer Garderobe eindecken. Die Produkte kommen in allen Farben und Formen, die Wahl ist da nicht einfach. Wenn man sich als Kunde nicht nur für Farbe, Schnitt und Stoff sondern auch für die Herkunft und Produktionsbedingungen der Kleidung interessiert, wird die Sache noch schwieriger. Der Verkäufer verweist an den Kundenservice-Tresen. Dort holt man erst den Supervisor und schließlich den Store Manager. Dieser verweist darauf, dass alle Informationen im Internet zu finden sind. Im Laden selbst gibt es keine Auskunft über Nachhaltigkeit, Code of Conduct oder Fairtrade-Siegel. Ähnlich ist es auch bei den Bekleidungsketten C&A und H&M. Auch sie verweisen auf Nachfrage auf ihre Websites. Dort findet man tatsächlich prominent platzierte Kampagnen und Informationen zur Lieferkette und Produktion. Die jeweiligen Versprechen zu Nachhaltigkeit und Fairtrade bleiben aber reine Selbstverpflichtung. Externe Kontrolle durch Siegel oder Zertifikate gibt es dagegen nicht. Doch wer glaubt, bei teureren Marken wie Hollister oder Max Mara wäre das besser, der irrt. Auch hier können Verkäufer keine verlässliche Auskunft geben und berufen sich auf ihre allgemeinen hohen Qualitätsstandards. Auf den Internetseiten findet man hierzu gar nichts – der Kunde wird schlicht mit seinen Fragen alleingelassen.

Aber auch jenseits von Verkäufern und virtuellen Informationen im Netz bietet der Einzelhandel der Kundschaft drei Jahre nach dem Einsturz einer Textilfabrik in Rana Plaza (Bangladesch) mit mehr als 1000 Toten ziemlich wenig Orientierungshilfen, wenn es um fairen Einkauf geht. Anhaltspunkte für ethisch „saubere“ Textilproduktion können laut Experten allenfalls Kleidersiegel liefern (siehe Kasten). Dagegen liefern Preise, Herkunftsland und Marken offenkundig keine adäquaten Informationen – eine Erklärung, warum.

PREISE

Wer für ein Kleidungsstück nur ein paar Euro ausgibt, muss sich über eines im Klaren sein: „Faire Produktion ist bei günstigen Preisen nicht möglich.“ Laut Kristina Klecko vom Verein Femnet lassen Verbraucherpreise von Textilien abgesehen davon aber nur wenig Schlüsse auf die Rahmenbedinungen der Produktion zu. Das gilt im Übrigen auch für höherpreisige Bekleidung. Bei ihr gehen viele Kunden allerdings davon aus, dass ihr hoher Verkaufspreis mit ebenso hohen sozialen oder ökologischen Standards bei der Herstellung einhergeht. „Das ist aber ein Trugschluss“, sagt Kirsten Clodius, Referentin der Kampagne für saubere Kleidung bei der christlichen Initiative Romero. Tatsächlich würden billige Textilien häufig in ein und derselben Fabrik gefertigt wie Kleidungsstücke, die später im Einzelhandel vergleichsweise teuer verkauft werden. Vom Verkauf von Textilien profitieren in erster Linie Händler und Zwischenhändler, wie beispielsweise ein Blick auf die Preiszusammensetzung eines einfachen T-Shirts zeigt (siehe Grafik). Während die Arbeitskosten, also die Löhne von Näherinnen und Nähern, mit einem Anteil von weniger als einem Prozent des Endpreises so gut wie gar nicht ins Gewicht fallen, liegt die Gewinnmarge des Verkäufers bei nahezu 60 Prozent.

HERKUNFTSLAND

Auch die Angabe eines Herkunftslandes auf Kleidungsetiketten ist für den Endkunden nicht aufschlussreich. Eine gesetzliche Kennzeichnungspflicht für Textilhersteller gibt es bislang nicht. Werde von den Produzenten dennoch ein Herkunftsland angegeben, sei dies häufig keinesfalls der Ort, an dem eine Textilie zugeschnitten und zusammengenäht worden sei, sagt Kirsten Clodius von Romero. Oft spiegele das Etikett ausschließlich einen winzigen Teil der in der Textilbranche üblichen fragmentierten Produktionskette wieder. Beispiel: Eine Bluse, die in Asien zusammengenäht wurde, trägt den Hinweis „Made in Spain“, weil in Spanien die Knöpfe angenäht wurden. Zur adäquaten Beurteilung der Herstellungsbedingungen in der Textilbranche sollten Verbraucher ihren Blick daher besser nicht auf einzelne Länder, sondern auf die Kleiderfabriken richten, sagt Clodius.

Kristina Klecko von Femnet warnt außerdem davor, sich von vermeintlich „sauberen“ Herkunftsländer auf dem Etikett blenden zu lassen. So seien faire, menschenwürdige Arbeitsbedingungen und Löhne mithin nicht einmal in europäischen Textilfabriken gegeben, sagt Klecko, und verweist etwa auf die Produktion in Osteuropa. Selbst in Italien, dem „Land der Mode“, seien beispielsweise in der Lederproduktion Atemwegserkrankungen infolge der Nutzung toxischer Chemikalien bei Arbeitern an der Tagesordnung.

MARKENKLEIDUNG

Manche Kunden kaufen ausschließlich Markenkleidung aus dem mittleren oder höherpreisigen Segment. Doch selbst der Kauf von vergleichsweise teuren Textilien ist kein Garant für die Einhaltung hoher sozialer Standards in der Produktion. Der höhere Preis sei entgegen der Annahme zahlreicher Kunden nicht die Folge menschenwürdigerer Verhältnisse in den Textilfabriken, sondern spiegele vielmehr höhere Marketingausgaben und Werbungskosten der Unternehmen wieder, sagt Kirsten Clodius. Einige Firmen haben sich mit Blick auf eine ethische Produktion selbst Verhaltenkodizes auferlegt, die aber je nach Unternehmen sehr unterschiedlich ausfallen. „Man muss schon genau hinschauen, was in den einzelnen Regelungen drinsteht“, sagt Romero-Referentin Clodius. Im Zweifel lohne es sich, bei den Unternehmen nachzufragen. Wichtig sei vor allem, ob und wie die Vorgaben kontrolliert würden. Häufig würden die Arbeitsbedingungen in den Textilfabriken von den Unternehmen bei sogenannten Sozialaudits unter anderem durch die Befragung von verschiedenen Mitarbeitern überprüft. Allerdings würden für die Audits häufig keine unabhängigen Dritten sondern in den Produktionsprozess Involvierte eingesetzt – ein Prozedere, dass die Ergebnisse der Untersuchungen nicht selten verfälsche. Dabei gibt es durchaus Organisationen, die unabhängige Kontrollen durchführen. So überprüfte die in Amsterdam ansässige Fairwear Foundation nicht nur die Arbeitsbedingungen in den Fabriken, sondern kontrolliere auch das gesamte Beschaffungsmanagement von Textilproduzenten. „Leider geben sich die wenigsten Unternehmen so transparent“, moniert Kirsten Clodius. Zum Teil wüssten Textilfirmen aber auch überhaupt nicht, wo ihre Kleider gefertigt werden: Vor allem in Asien beauftragen zahlreiche Unternehmen externe Agenten, die geeignete Produktionsstätten suchen.

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