zum Hauptinhalt
In enger Absprache. Arbeitsministerin Nahles und Finanzminister Schäuble arbeiten an einer Reform der Betriebsrenten.

© picture alliance / dpa

Altersvorsorge: Nahles und Schäuble arbeiten an einer Reform der Betriebsrenten

Das Rentenniveau sinkt. Um die Lücke zu schließen, will die Regierung nun die Betriebsrenten ausbauen. Doch dazu muss sie diese Form der Altersvorsorge deutlich attraktiver machen.

Arbeitsministerin Andrea Nahles macht Tempo bei der versprochenen Verbesserung von Betriebsrenten. Bis zum Sommer werde sie Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) einen konkreten Vorschlag vorlegen, sagte die SPD-Politikerin dem Tagesspiegel. „Im Moment sind viele kleine und mittlere Betriebe nicht in der Lage, ihren Mitarbeitern eine solche Altersvorsorge anzubieten. Das wollen wir ändern.“

Wie die Lösung aussehen könnte, ließ Nahles offen. Zwei Gutachten, die sich damit beschäftigen, liegen bislang unter Verschluss. Anfang 2015 hatte Nahles bereits ein „Sozialpartnermodell“ vorgeschlagen, um die Rentenabwicklung „gemeinsamen Einrichtungen“ der Tarifpartner zu übertragen und die Arbeitgeber von der Haftung befreien.

40 Prozent der Beschäftigten haben keine Betriebsrente

Die betriebliche Altersvorsorge wird immer wichtiger, um das sinkende Rentenniveau abzufangen. Doch viele Arbeitnehmer können sich bislang keine Hoffnungen auf eine Betriebsrente machen. 40 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten haben keine Anwartschaft auf eine Firmenrente. Das trifft vor allem Gering- und Niedrigverdiener, die später im Alter ohnedies zu kämpfen haben werden. Und während bei Großunternehmen betriebliche Rentenangebote gang und gäbe sind, sucht man bei kleinen und mittleren Betrieben oft vergeblich nach solchen Offerten.

Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD versprochen, das zu ändern. Die betriebliche Altersvorsorge soll ausgebaut werden. Nahles hat in ihrem Ministerium dazu auch eigens einen Arbeitskreis mit Vertretern von Arbeitgebern, Gewerkschaften und Experten gegründet, die sie bei der Reform beraten sollte.

Zwei Gutachten unter Verschluss

Anfang 2015 präsentierte die Ministerin einen ersten Vorschlag. Mit einem „Sozialpartnermodell“ Betriebsrente“ sollten tarifliche Regeln gestärkt und ein Opting-Out-Modell eingeführt werden. Damit würde jeder Arbeitnehmer eine betriebliche Altersvorsorge erhalten, außer er entscheidet sich ausdrücklich dagegen. Und neue Branchen-Pensionskassen und -fonds sollten die Haftung der Arbeitgeber für die Vorsorge reduzieren. Der Vorteil: Die Arbeitgeber hätten dann nur für ihre Beiträge, nicht aber für die Rendite der Vorsorge geradezustehen („pay and forget“).

Seither ist nach außen hin wenig passiert. Die Expertenkommission hat seit über einem Jahr nicht mehr getagt. Stattdessen berät Nahles seit einigen Monaten direkt mit Schäuble über Möglichkeiten der Reform. Grundlage dafür sind zwei Gutachten, die zwar fertig sind, sich aber noch unter Verschluss befinden: eines vom Finanzministerium über die steuerliche und finanzielle Optimierung der Betriebsrente und eines vom Arbeitsministerium über arbeitsrechtliche Aspekte. Vor der Sommerpause müssten die Vorschläge auf den Tisch, sagt Klaus Stiefermann von der Arbeitsgemeinschaft betriebliche Altersvorsorge. Nur dann sei die Reform noch dieses Jahr zu realisieren.

Doppelter Krankenversicherungsbeitrag und Anrechnung auf Grundsicherung

Einfach wird das nicht. Denn in ihrer jetzigen Form ist die Firmenrente für viele Arbeitnehmer und Arbeitgeber unattraktiv. Wer Grundsicherung bezieht, bekommt die Betriebsrente darauf angerechnet. Betriebsrentner müssen auf ihre Bezüge zudem Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung abführen – und zwar nicht nur den hälftigen Arbeitnehmerbeitrag, sondern den vollen. Das schmälert die Rendite gewaltig. Und besonders für Menschen mit niedrigem Einkommen wäre es wichtig, dass Arbeitgeber oder Staat einen ordentlichen Batzen zubuttern.

Dass es Überlegungen gibt, Geringverdiener direkt mit Betriebsrenten-Zuschüssen zu unterstützen, bestätigte vor kurzem Finanzstaatssekretär Michael Meister. Zudem denke man darüber nach, steuerliche Anreize und Freigrenzen zu vereinheitlichen, sagte der CDU-Politiker bei einer Tagung des Handelsblattes. Das Problem der Doppelverbeitragung in der Kranken- und Pflegeversicherung sei aber nicht so leicht zu lösen.

Damit sich die Firmenrente für Geringverdiener lohnt, müsse die die Anrechnung auf die Grundsicherung gestoppt werden, verlangt Kerstin Schminke vom Vorstand der IG Metall. Und statt der vollen Beiträge sollten Betriebsrentner nur den halben Satz zur Kranken- und Pflegeversicherung zahlen.

Laumann: Riester-Rente hat Erwartungen nicht erfüllt

„Wir brauchen einfache, transparente und kostengünstige Formen der ergänzenden Vorsorge“, drängt der Chef der Christlich Demokratischen Arbeitnehmerschaft (CDA), Karl-Josef Laumann. „Ich setze da vor allem auf die betriebliche Altersversorgung.“ Dort fielen weniger Kosten an als bei Privatvorsorge. Zudem könne man Erwerbsunfähigkeit so besser absichern.

Die Riester-Förderung habe „die in sie gesetzten Erwartungen nicht erfüllt“, sagte Laumann dem Tagesspiegel – trotz Förderquoten von 40 Prozent und mehr. „Die Zahl der Verträge dümpelt seit einigen Jahren bei 16 Millionen. Rund ein Fünftel der Riester-Verträge ist ruhend gestellt. – das heißt, da werden gar keine Beiträge eingezahlt. Und die, die es am nötigsten hätten, sorgen am wenigsten vor.“

Die Betriebsrentenreform müsse "vor allem die erreichen, die bisher nicht zusätzlich zur gesetzlichen Rente vorsorgen", sagte Laumann. Er sei aber auch "davon überzeugt, dass wir uns noch einmal über das Rentenniveau und die Rentenformel unterhalten müssen".

Um mehr Betriebsrenten anbieten zu können, verlangen die Arbeitgeber Zugeständnisse. Momentan trügen sie die Hauptlast der betrieblichen Altersvorsorge, klagt Alexander Gunkel, Mitglied der Hauptgeschäftsführung der Arbeitgeberverbände. „Auf sie entfällt 85 Prozent der Finanzierung.“ Um die betriebliche Altersvorsorge zu verbreitern, sei es notwendig, steuerliche, bürokratische und arbeitsrechtliche Hindernisse zu beseitigen.

Hoher Zinssatz für Pensionsrückstellungen

Bisher sehe das Steuerrecht trotz Niedrigzinsphase für Pensionsrückstellungen noch immer einen Zinssatz von sechs Prozent vor. „Für die Unternehmen ist das eine große Belastung, weil sie so einen großen Teil ihres Aufwands für betriebliche Altersvorsorge aus bereits versteuertem Einkommen finanzieren müssen“, sagte Gunkel dem Tagesspiegel. Und selbst kleine Betriebsrenten von 30 Euro im Monat müssten von den Unternehmen weitergezahlt werden und dürften nicht abgefunden werden.

Auch Opting-Out-Regeln sehen die Arbeitgeber kritisch. Viele Beschäftigte würden sich dann für einen Austritt entscheiden, warnt Gunkel. Vor allem, wenn es an guter Information und einem Arbeitgeberbeitrag fehle. „Man sollte ein solches Verfahren erst mal freiwillig ausprobieren statt eine Verpflichtung einzuführen“, meint der Arbeitgeberfunktionär.

Die Versicherer wiederum fürchten, dass das Geschäft an ihnen vorbeiläuft, wenn künftig die Tarifparteien eigene Vorsorgeeinrichtungen gründen. Gerade kleine und mittlere Unternehmen seien häufig nicht tariflich gebunden, gibt der Versicherungsverband GDV zu bedenken. „Die betriebliche Altersvorsorge ist schon heute hochkomplex. Ein zusätzlicher Durchführungsweg stiftet mehr Verwirrung, als dass er hilft.“

Zur Startseite