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Der neu gewählte US-Präsident Donald Trump (li), hier 2005 an der Wall Street, versetzt die Börsen derzeit in Jubelstimmung. Doch wie lange hält die Euphorie an?

© imago/UPI Photo

Aktien: Börsen-Boom nach Trumps Wahl

Statt wie vorhergesagt zu crashen, boomen die Märkte nach Trumps Wahl. Ist das nur ein Strohfeuer - oder wird die Euphorie anhalten?

An der Börse kommt es oft völlig anders als gedacht. Statt um fünf bis zehn Prozent zu crashen, wie es zum Beispiel Deutsche Bank und Hypovereinsbank für die Zeit nach einem Wahlsieg von Donald Trump für die großen Indizes vorhergesagt hatten, legte der Dow Jones in der Wahlwoche das beste Wochenergebnis seit 2011 hin und schwang sich auf ein neues Allzeithoch bei 18 934 Punkten. Aktuell steht er bei  18 867 Zählern. Im Schlepptau der US-Märkte stieg auch der Dax  um gut vier Prozent, drehte jedoch erneut kurz vor der seit vielen Monaten festen Hürde bei 10 800 Punkten ab. Auch der US-Dollar zog, anders als  vorhergesagt,  kräftig an – gegenüber Euro um sechs Prozent und gegenüber dem mexikanischen Peso um weit mehr als zehn Prozent. Geht die Trump-Euphorie an den Märkten nun weiter oder war es doch nur ein Strohfeuer? 

Negative Folgen durch die geplante Abschottung des Landes 

„Am Ende zählen die nackten Zahlen“, sagt Jens Herdack von der Berliner Weberbank. Die Schätzungen für die Unternehmensgewinne fielen „eben unter Trump zunächst sehr positiv aus“. So wolle Trump die Unternehmenssteuern von durchschnittlich 35 auf 15 Prozent senken, was die Gewinne „signifikant“  stützen würde. Hinzu kämen Multimilliarden-Dollar-Pläne zur Erneuerung der Infrastruktur.  Allerdings dürfe man auch die negativen Aspekte nicht außer Acht lassen, heißt es bei der Commerzbank. Zum einen seien die Steuersenkungen bisher nicht klar gegenfinanziert, zum anderen könne sich die geplante Abschottung des Landes, etwa durch Strafzölle auf Importe oder durch Migrationsstopp, zu Handelskonflikten und damit Risiken für das Wachstum der USA auswachsen, mahnen die  Commerzbank-Experten Bernd Weidensteiner und Christoph Balz in ihrem US-Ausblick.  Auch der japanische Fondsanbieter Nomura, die Hypovereinsbank und viele andere Finanzinstitute warnen, dass die jüngsten, massiven Bewegungen bei Aktien, Anleihen oder Währungen nur Reaktionen auf Spekulationen, nicht auf Fakten seien.  

Noch gleich Trumps Wirtschaftskurs einer Blackbox  

Dass Trumps Kurs noch weitgehend einer Blackbox gleicht und Nachrichten nur tröpfchenweise aus dem Trump-Tower sickern, werde die Märkte immer wieder bremsen, glaubt Robert Greil, Chefstratege von Merck Finck Privatbankiers. Dennoch haben die Investoren bereits mehrere Branchen als Gewinner des Machtwechsels herausgeschält: Banken, Bau- und Infrastrukturunternehmen, Rüstungsfirmen sowie Pharma und Biotech. Zu den Verlierern gehörten vor allem die großen Unternehmen aus dem Silicon Valley, von Facebook über die Google-Mutter Alphabet bis zu Apple und Netflix. Sie würden am stärksten unter Trumps Ankündigung leiden, Steuerschlupflöcher zu schließen und im Ausland erzielte Unternehmensgewinne nach Hause zu holen. Die Alphabet-Aktie etwa verlor seit der Wahl knapp fünf Prozent.  

Banken sind bisher die Wahlgewinner auf dem Parkett

Bisherige Wahlgewinner auf dem Parkett sind die Banken. Seit dem 8. November haben  die Bank of America 19 Prozent zugelegt, Goldman Sachs und Wells Fargo rund 17 und JP Morgan Chase gut elf. Auch auf europäische Werte färbte der Trump-Effekt ab: die Deutsche Bank schaffte 16 Prozent, Barclays 23  und französische Banken zwischen fünf und zehn Prozent.  Anders als Hillary Clinton, die die Finanzbranche enger an die Leine nehmen wollte, sprach sich Trump mehrfach für eine Deregulierung aus. Ein Dorn im Auge ist ihm vor allem das Dodd-Frank-Gesetz, das nach der Finanzkrise den Spielraum der Finanzwirtschaft einschränkte. Dass dabei auch die Auflagen für die Vergabe von Krediten stiegen und Firmen mit höherem unternehmerischem Risiko nur schwer an Geld kamen, missfällt Trump. Beobachter erwarten daher, dass manche Fessel für die Banken fallen könnte. Anleger in Scharen in Bankwerte getrieben hat laut Herdack ferner eine indirekte Folge des Präsidentenwechsels: mit der Hoffnung auf einen Konjunkturschub verbunden sei die Erwartung, Inflation und damit Zinsen könnten bald deutlich steigen und der Finanzindustrie höhere Gewinne bescheren. Die sehr niedrigen Sätze hatten die Abstände zwischen Soll – und Haben-Zinsen auf ein Minimum reduziert. Mitte Dezember entscheidet die US-Notenbank wieder über das Zinsniveau. Ablesbar ist die Erwartung steigender Zinsen vor allem an den Anleihen: Seit der Wahl stiegen die Renditen zehnjähriger  US-Staatsanleihen bei fallenden Kursen von 1,8 auf 2,3 Prozent. Auch die Rendite deutscher Zehnjähriger kletterte kurzfristig von 0,13 auf 0,322 Prozent, fiele mittlerweile jedoch wieder auf 0,275.    

Die Pharma-Branche bangt

 

Während Unternehmen der Gesundheitsbranche vor Hillary Clinton zitterten, galt Trump der Branche als das kleinere Übel. Zwar kündigte Trump an,  Re-Importe  von Medikamenten zuzulassen und so das Preisniveau zu drücken. Clinton plante jedoch, den Preisauswüchsen einen direkten gesetzlichen Riegel vorzuschieben. Bis zur Wahl krebste der Dow Jones US Health Care Index, der 94 große Pharma- und Biotech-Werte von Amgen über Pfizer bis zu Merck und Gilead enthält, auf Jahressicht etwa sechs Prozent im Minus. In den ersten Tagen nach der Wahl hievte ihn die Trump-Euphorie zunächst gut sechs Prozent höher, bevor er wieder leicht bröckelte. Harte Einbußen via Preisdruck, so die Hoffnung der Branche, seien vorerst nicht zu erwarten. Dass Trump die Gesundheitsreform Obamacare nun nicht mehr komplett streichen, sondern nur verändern will, beruhigte die Investoren zusätzlich. Am kräftigsten könnte sich auch hier Trumps Vorhaben auswirken, die im Ausland gebunkerten Gewinne nach Haus zu holen. Allein die sechs größten Pharmakonzerne  der USA halten   98 Milliarden Dollar liquide im Ausland – Geld, das nach Meinung des Investmentberaters Medical Strategy das Übernahmekarussell und damit die Kurse in Schwung bringen könnte.   

Waffenhersteller verlieren, die Rüstungsunternehmen gewinnen

Die Aktie von Smith & Wesson, dem größten Hersteller von Handfeuerwaffen in den USA, musste seit Trumps Wahl einen Abschlag von 15 Prozent verkraften – obwohl Trump als Befürworter liberaler Waffengesetze gilt. Der Grund: Viele Amerikaner erwarteten einen Wahlsieg von Hillary Clinton und damit schärfere Waffengesetze, deckten sich bereits vorher mit Waffen ein und bescherten Smith & Wesson ein 40- prozentiges Umsatzplus. Weil viele Anleger den Markt für vorerst eher gesättigt halten, wurden Gewinne realisiert.  Rüstungsfirmen legten dagegen satte Kurssprünge hin: der Rüstungs- und Elektronikkonzern Raytheon, der auch die Bundeswehr beliefert, schaffte sieben Prozent.  Lockheed Martin, Hersteller von Jagdbombern, zivilen Flugzeugen und Weltraumtechnik wie dem Hubble-Teleskop, sogar elf. Der Grund: Anleger erwarten, dass die neue Regierung das Budget des Verteidigungsministers deutlich erhöht. Branchenkenner vermuten Potenzial auch für europäische Rüstungswerte, da Trump einen stärker isolationistischen Kurs fahren und den NATO-Partnern mehr eigene Verantwortung übertragen wolle. Die Aktie von Rheinmetall etwa stieg seit der Wahl um sechs Prozent.

 Kursgewinne von bis zu 1400 Prozent für Schifffahrtsunternehmen

 

Eine Billion Euro, so forderte Trump im Wahlkampf, müsste in den kommenden Jahren in die Erneuerung der vielfach maroden Infrastruktur gesteckt werden. Die Vereinigung der US-Ingenieure schätzt den Investitionsbedarf  bis 2020 sogar auf 3,6 Billionen Dollar. Von den Investitionen in Straßenbau und der Erneuerung von Wasserrohren, Stromtrassen oder Brücken profitieren könnten Bau- und Stahlfirmen wie Nucor, Toll Brothers, der Baumaschinen-Konzern Caterpillar oder auch der texanische Anlagenbauer Jacobs Engineering, dessen Aktie seit der Wahl bereits um 21 Prozent gestiegen ist. Auch der Dax-Konzern HeidelbergCement, der ein Viertel seines Geschäfts in Nordamerika macht, ist „mittelfristig positiv gestimmt“.  Der höhere Bedarf an Rohstoffen und die Trump-Rallye an den Märkten haben auch Spekulanten angelockt. Absolute Performance-Sieger der vergangenen zwei Wochen sind Aktien von Schifffahrts-Unternehmen. Papiere wie Sino Global Shipping, Diana Containerships und winzige griechische Reedereien mit Nasdaq-Notierung wie Euroseas oder DryShips  verdanken der vagen Hoffnung auf bessere Geschäfte durch Trump Kursgewinne von bis zu 1400 Prozent. 

 

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