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Die größte Gefahr ist der Mensch: Im vergangenen Jagdjahr ließen knapp 590.000 Wildschweine ihr Leben.

© dpa/Gregor Fischer

Afrikanische Schweinepest: Bauernverband bläst zur massenhaften Wildschweinjagd

Aus Angst vor der Einschleppung der Afrikanischen Schweinepest verlangt der Bauernverband die Tötung Hunderttausender Wildschweine. Tierschützer protestieren.

Den Wildschweinen geht es an den Kragen. Aus Angst vor der Afrikanischen Schweinepest fordert der Bauernverband, 70 Prozent der Tiere in Deutschland zu erschießen. Schonzeiten sollen aufgehoben werden, fordert der Vizepräsident des Verbands, Werner Schwarz, auch weibliche Tiere (Bachen) sollten stärker bejagt werden. Das sehen die Jäger genauso. Sie möchten vor allem Bachen zur Strecke bringen, die jünger als zwei Jahre sind und besonders viele Frischlinge werfen. Auch Naturschutzgebiete sollen kein Jagdhindernis mehr darstellen, meint der Deutsche Jagdverband (DJV). „Noch ist das Virus nicht in Deutschland, doch je weniger Wildschweine pro Fläche leben, desto geringer ist im Ernstfall zumindest über Wildtiere die Ansteckungsgefahr“, sagt DJV-Präsidiumsmitglied Wolfgang Bethe.

Die Schweinepest kommt näher

Die Bauern fürchten sich vor der Afrikanischen Schweinepest, die von Schwein zu Schwein, aber auch durch kontaminierte Lebensmittel oder verseuchte Kleidung übertragen werden kann. Noch ist Deutschland nicht betroffen, doch das Virus kommt näher. 2007 wurde erstmals ein Fall in Georgien bekannt, bis 2014 breitete sich die Grippe von der Ukraine und dem Baltikum bis nach Polen aus. Im vergangenen Juni wurde der Erreger erstmals bei Wildschweinen in Tschechien nachgewiesen.

Tödlich für Schweine, ungefährlich für Menschen

Für den Menschen ist das Virus ungefährlich, für Haus- und Wildschweine ist es dagegen tödlich, einen vorbeugenden Impfstoff gibt es nicht. Der Bauernverband betrachtet die Ausbreitung nach Westen „mit größter Sorge“. Eine Einschleppung würde nämlich bedeuten, dass Deutschland kein Schweinefleisch aus der Tiermast mehr in Länder außerhalb der EU exportieren könnte. Doch diese Drittländer sind wichtig, weil die Schweinemäster dort Teile loswerden, die deutsche Verbraucher missachten, etwa Pfoten, Ohren und Schweinespeck.

Bauern befürchten einen Milliardenschaden

Als die ersten Fälle in der EU 2014 in Litauen auftraten, reagierten Russland und die Länder der Eurasischen Zollunion mit einem Embargo für alle EU-Schweinefleischprodukte. In Polen sank der Preis für Schweinefleisch daraufhin um bis zu 40 Prozent. Auch für Deutschland, zweitgrößter Schweinefleischexporteur in der EU hinter Spanien, hätte ein erneutes Exportverbot drastische Folgen. „Für unsere Schweinehalter könnten die Verluste geschätzt zwei bis drei Milliarden Euro im Jahr bedeuten“, warnt Schwarz. Für die gesamte Agrar- und Ernährungswirtschaft rechnet der Bauernverband mit Kosten in zweistelliger Milliardenhöhe. „Dies würden viele Betriebe nicht verkraften“, befürchtet Schwarz.

Zwischen 25 und 28 Millionen Hausschweine werden in Deutschland gehalten, schätzt der Bauernverband. Ist ein Tier erkrankt, muss der gesamte Bestand getötet werden.
Zwischen 25 und 28 Millionen Hausschweine werden in Deutschland gehalten, schätzt der Bauernverband. Ist ein Tier erkrankt, muss der gesamte Bestand getötet werden.

© imago/Marius Schwarz

Ein krankes Tier und der gesamte Bestand wird getötet

Ein infiziertes Tier reicht aus, um die Tötung des gesamten Bestands anzuordnen. Ist der Betrieb über die Tierseuchenkasse versichert, erhält er eine finanzielle Entschädigung, die den Wert der Tiere deckt. „Die wirtschaftlichen Folgeschäden sind jedoch viel größer“, erklärt Heinz-Josef Dieckhoff von der niedersächsischen Tierseuchenkasse. Nach Reinigung und Desinfektion des Stalls darf der Betrieb für mindestens drei Wochen nicht bewirtschaftet werden. Selbst wenn kein Tier erkrankt ist, sich der Betrieb aber in einer Risikozone befindet, kann die massenhafte Tötung als Präventivmaßnahme angeordnet werden. Besonders wachsam ist man in Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen, wo es zusammen mehr als 13.000 Betriebe mit rund 16 Millionen Schweinen gibt.

Tierschutzverband: Der Mensch ist schuld

Der Tierschutzverband hält den Massenabschuss von Wildschweinen für Panikmache. „Weniger Wildschweine bedeuten nicht zwangsläufig, dass es nicht doch zum Seuchenausbruch kommen kann“, gibt Verbandssprecher Marius Tünte zu bedenken. Nicht die Wildschweine seien das Problem, sondern der Mensch. „Weil Tausende Mastschweine in riesigen Hallen zusammengepfercht gehalten werden, wird die schnellere Ausbreitung von Krankheiten und Seuchen begünstigt“, sagt Tünte.

Ist für die verstärkte Jagd auf Wildschweine: Agrarminister Christian Schmidt (CSU).
Ist für die verstärkte Jagd auf Wildschweine: Agrarminister Christian Schmidt (CSU).

© Tobias Schwarz/AFP

Agrarminister Schmidt: "Intelligente Reduzierung"

Gehör finden die Tierschützer in der Politik mit ihrem Appell aber derzeit nicht. Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) hält eine „intelligente Reduzierung“ des Wildschweinbestands für zentral. In NRW werden Schonzeiten aufgehoben, Mecklenburg-Vorpommern hat für die nächsten zwei Jahre zwei Millionen Euro für die Reduzierung der Wildschweinpopulation bereitgestellt.

590.000 tote Wildschweine

Im vergangenen Jahr haben Deutschlands Jäger knapp 590.000 Wildschweine getötet oder verendet vorgefunden. Das ist der vierthöchste Wert seit Beginn der Aufzeichnungen vor rund 80 Jahren, heißt es beim Jagdverband. Wildschweine vermehren sich schnell. Aus 100 Schweinen werden nach Angaben des Verbands im Folgejahr 350, wenn man sie nicht jagt. Im Frühjahr, vor Beginn der Jagdsaison, gibt es in Deutschland regelmäßig rund 300 000 bis 450 000 erwachsene Tiere. Die Verbreitung der Schweinepest ist aber nicht allein ihre Schuld. Mindestens genauso gefährlich ist der Mensch. Ein an der Raststätte achtlos weggeworfenes Wurstbrot, das das Virus enthält, kontaminierte Fahrzeuge oder Schuhsohlen sowie Wurstpakete von osteuropäischen Erntehelfern aus ihrer Heimat können das Virus ausbrechen lassen.

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