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Publikumsmagnet. In den vergangenen Jahren kamen mehr als 900.000 Besucher zur IAA.

© dpa

67. IAA: Zwischen Lack und Lügen

Die Internationale Autoausstellung (IAA) wird wie immer eine PS-geladene Neuheiten-Show. Die Branche sucht sich selbst zwischen Diesel und Digitalisierung.

Autofahren entspannt ungemein. Ein, zwei Stunden durchs Brandenburgische, über Alleen, Landstraßen, gerne auch ein Stück Autobahn – das beruhigt. Die Fenster und das Dach hat man geöffnet, damit die Gedanken hinaus- und der Sound des Motors hereinwehen können. Das Auto, ein VW, ist in die Jahre gekommen, fast so alt wie der durchschnittliche Pkw in Deutschland: neun Jahre. Aber der Zwei-Liter-Benziner läuft und läuft. Alles ist solide verarbeitet, wie man es kennt von deutschen Autobauern. Dafür hat man ein paar hundert Euro mehr bezahlt. Klar, in der Stadt braucht niemand 200 PS, so wenig wie einen Geländewagen. Aber auf der Landstraße sind Leistung und Drehmoment die reinste Verführung. Technik, die begeistert. So war es, und so wird es immer sein im Autoland. Audi, Porsche, BMW, Daimler – die deutschen Marken, die Erfinder des Autos, werden ihren guten Ruf nicht verspielen. Dachte man.

Hersteller wie Smart werfen auf der IAA gerne einen Blick in die Zukunft.
Hersteller wie Smart werfen auf der IAA gerne einen Blick in die Zukunft.

© Daimler AG

Doch dann kam die Dieselkrise, kamen Kartellvorwürfe gegen „unsere“ Hersteller, die Debatte um Fahrverbote und ein Ende des Verbrennungsmotors, eine neue Abwrackprämie. Die unglaubliche Nachricht vom millionenfachen Abgasbetrug bei Volkswagen platzte vor zwei Jahren in die Internationale Autoausstellung (IAA). Sie traumatisierte die Branche und empörte die Autonation. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wird am kommenden Donnerstag daran erinnern, wenn sie in Frankfurt die 67. IAA (14. bis 24. September) eröffnet. Die weltgrößte Automesse ist eine ideale Arena im Wahlkampf. Schließlich beschäftigt allein die deutsche Autoindustrie 900 000 potenzielle Wähler. Doch es gibt nichts zu feiern. Die Kanzlerin wird vielmehr ihre Gastgeber scharf kritisieren müssen, will sie nicht noch mehr Glaubwürdigkeit der Politik im Umgang mit Abgasgrenzwerten verspielen.

Autos verkaufen sich so gut wie nie

Das Auto, der Deutschen liebstes Schmuddelkind, hat die schwierigsten 24 Monate seiner 130-jährigen Geschichte hinter sich. Das Vertrauen der Kunden in die Verarbeitung ihrer VWs & Co., das immer auch ein Vertrauen in die Tugenden ehrbarer Ingenieure und Kaufleute war, ist beschädigt. Die Hunderttausenden Besucher, die bei der IAA auch in diesem Jahr erwartet werden, besichtigen eine Schau aus Lack und Lügen.

Nicht ins Bild passen will angesichts der öffentlichen Empörung allerdings, dass der Diesel-Skandal die Geschäfte der Autokonzerne aktuell kaum stört. Das wird nicht nur die PS-geladene Neuheiten-Show zeigen. Auch die Zahlen stimmen, Autos werden gekauft wie nie zuvor. Die Freude am Fahren ist den Deutschen trotz Vertrauenskrise nicht vergangen, den Traum von der Freiheit auf vier Rädern scheinen noch Millionen zu träumen. Zwar ist der Marktanteil des Diesels seit 2015 um ein Fünftel auf knapp 38 Prozent eingebrochen. Doch die Gesamtzahl der Neuzulassungen steigt, allein in diesem Jahr um drei Prozent. Mehr als 40 Prozent der Bundesbürger wollen sich in den kommenden 18 Monaten ein Auto kaufen.

Das Interesse an E-Autos ist immer noch gering

Die Diesel-Krise hat dabei keinen echten Sinneswandel eingeleitet. Das Interesse an Elektroautos oder anderen Alternativen zu Diesel und Benzinern ist nicht in dem Maße gestiegen, wie es die Dimension des Skandals hätte vermuten lassen. 2017 wurden bislang 14 000 reine E-Autos neu zugelassen, der Marktanteil auf der Straße liegt bei 1,3 Prozent. Statt die Neugier auf Neues hat der Diesel-Skandal eher Zweifel geweckt, ob die Konzerne auch bei der Elektromobilität die Wahrheit sagen – bei den Angaben zu Batteriereichweiten und den Kosten etwa, bei der Umweltbilanz und den Restwerten von E-Autos. Oder bei den ambitionierten Prognosen, wie viele Elektromodelle sie bald auf den Markt bringen wollen. So wird statt über Kilowattstunden weiter über Stickoxide diskutiert.

Der Appell der Unternehmen und ihrer Lobbyisten, den Verbrennungsmotor nicht zu früh abzuschreiben, ist unangemessen. Die große Mehrheit der Autokäufer will derzeit ohnehin nichts anderes als einen Verbrenner. Die Autobauer hingegen täten gut daran, nach zwei verschenkten Jahren schmutziger Vergangenheitsbewältigung, sich engagierter als bisher der Zukunft zuzuwenden.

Tesla ist mit dem Model 3 nicht bei der IAA

Keine Automesse setze den Schwerpunkt so stark auf Digitalisierung, Automatisierung und Vernetzung wie die IAA, behauptet Matthias Wissmann, der Präsident des Automobilverbandes VDA. Als Indiz verweist er auf die Beteiligung von Facebook, Google und anderer Konzerne aus der Datenwelt. Dass Tesla, der Hersteller des spannendsten Autos dieses Jahres, des Models 3, nicht zu den 1000 IAA-Ausstellern zählt, zeigt indes, wie selbstbewusst die gefährlichsten Angreifer der Deutschen geworden sind. Die Kalifornier demonstrieren immer noch am besten, wie man in der Elektromobilität aus dem iPhone-Phänomen Kapital schlagen kann (bei gleichzeitig millionenschweren Verlusten): Ein entspannter Mix aus Charisma, Design und Marketing hat Tesla zum begehrtesten Elektroauto der Welt gemacht. Obwohl technisch nicht perfekt, hat die Marke eine enorme Strahlkraft. BMW, Daimler und Volkswagen werden hart arbeiten müssen, wenn sie in Zukunft so attraktiv sein wollen.

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