zum Hauptinhalt
 Maître de Cuisine. Paul Bocuse 2012 in der Küche seines Restaurants.

© Jeff Pachoud/AFP

Zum Tod von Paul Bocuse: Der Jahrhundertkoch

Paul Bocuse galt als Papst der Spitzengastronomie. Der Franzose, der mit drei Frauen lebte, ist im Alter von 91 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Der Höhepunkt im Leben des großen Paul Bocuse lässt sich recht genau bestimmen. Es war der 25. Februar 1975, als Staatspräsident Valery Giscard d’Estaing ihn zum Ritter der Ehrenlegion ernannte. Bocuse kreierte aus diesem Anlass eine Trüffelsuppe unter einer Blätterteighaube, bereitete sie im Elysée-Palast zu und widmete sie dem Präsidenten: „Soupe des truffes VGE“. Bocuse, ein Handwerker aus der Provinz auf Augenhöhe mit dem Präsidenten der Republik – glückliches Frankreich. Der weltberühmte Koch ist am Sonnabend im Alter von 91 Jahren in Lyon gestorben. Die Suppe, die seit 1975 ununterbrochen auf der Speisekarte seines Restaurants in Collonges au Mont d’Or stand, wird es dort vermutlich aber auch weiter geben.

Auch Eckart Witzigmann lernte bei Bocuse

„Berühmtester Koch der Welt“, „Jahrhundertkoch“ oder „Papst der Köche“ – es gab keinen Ehrentitel, der dem Meister nicht gewidmet wurde. Schon mit neun Jahren kochte er am Herd im Restaurant seines Vaters – genau dort am Ufer der Saone, wo heute der Drei-Sterne-Palast steht. Zum Lernen wurde er in den Vierzigern zur Mère Brazier nach Lyon geschickt, später arbeitete er sechs Jahre an der Seite von Fernand Point in der „Pyramide“ in Vienne, bei einem Küchenchef also, der eine Generation vor ihm ähnliche Weltgeltung besaß. 1961 siegte er beim handwerklichen Wettbewerb „Meilleur Ouvrier de France“, 1965 wurde sein Restaurant mit dem dritten Michelin-Stern ausgezeichnet. Jungköche aus aller Welt drängten sich um seinen Herd, der junge Eckart Witzigmann gehörte zu ihnen. Bocuse war auch in dieser Hinsicht stilbildend, weil er sein Wissen ohne Einschränkung und eifersüchtiges Hüten von „Geheimrezepten“ großzügig weitergab.

Großes Talent - auch bei der Selbtvermarktung

Bocuse war ein herausragender Koch. Er hatte aber ein noch größeres Talent zur Selbstvermarktung, das er nicht nur für sich, sondern für den Stand der Köche insgesamt nutzte. Insofern ist er unbestrittener Ahnherr des internationalen Köchekults. Er forderte als erster, dass Küchenchefs ihr Restaurant auch besitzen müssten, um aus der Anonymität der Küche herauszutreten. Das gelang überraschend schnell: Die „Bande à Bocuse“ mit Paul Haeberlin, Alain Chapel, Louis Outhier und anderen großen Köchen wurde berühmt, durchweg mit drei Sternen ausgezeichnet. Aber sie alle arbeiteten weit weg von Paris, waren reine Regionalköche, die die Produkte und Traditionen ihrer Heimat feierten. In Deutschland gilt Bocuse als Erfinder der „Nouvelle Cuisine“ – ein Missverständnis, das vermutlich damit zusammenhing, dass der deutsche Verlag sein Kochbuch „Cuisine du Marché“, also „Küche des Marktes“, als „Die Neue Küche“ verkaufte. Neu war daran nichts, denn Bocuses Genie lag in der Entschlackung und Präzisierung regionaler Rezepte, sein Ziel bestand später auch eher darin, die traditionelle Lyonnaiser Küche vor dem Aussterben zu bewahren . Den stilistischen Befreiungsschlag schafften andere, die sich aber nicht ungern auf seinen klingenden Namen beriefen.

Er betrieb Bistros, produzierte für Supermärkte und entzog sich dem Kreativitätsgebot

Bocuse öffnete die Tür seiner Küche für Journalisten aus aller Welt und führte sie durch die Großmärkte von Lyon und Paris – maßstabsetzende Öffentlichkeitsarbeit, deren Grundidee heute die ganze Welt erfasst hat. Dass er selbst dort jeden Morgen einkaufte, war wohl eher die Ausnahme, und er konnte sich viel später sogar ein legendäres Bonmot leisten: Auf die Frage, wer denn koche, wenn er nicht anwesend sein, antwortete er: „Dieselben, die auch kochen, wenn ich da bin“. Der vor allem in Deutschland geschätzte Mythos vom Chef, der unbedingt selbst Hand an jeden Teller legen müsse, war nie seine Sache. Schon aus praktischen Gründen: Bocuse betrieb schon in den Siebzigern ein Bistro in Tokio, eröffnete 1982 zusammen mit Roger Vergé und Gaston Lenôtre ein Restaurant im Epcot Center in Orlando, dazu mehrere in Lyon, vermarktete kulinarische Produkte und brachte selbst gute Freunde gegen sich auf , als er sogar Konserven in Dosen für Supermärkte produzieren ließ. Auch im KaDeWe wurde über Jahrzehnte unter seiner Lizenz brav französisch gekocht. Am dritten Stern allerdings wurde nie gerührt, obwohl sein Restaurant gegenwärtig das einzige in der internationalen Top-Liga ist, das sich dem Kreativitätsgebot komplett entzieht und einfach die Klassiker auftischt, die Trüffelsuppe, den Wolfsbarsch im Blätterteig und die Stopfleberterrinen.

Auch sein Privatleben verlief ungewöhnlich

Und auch im Privatleben ließ Bocuse ungewöhnliche Maßstäbe gelten. In seinen Memoiren, veröffentlicht am 80. Geburtstag, offenbarte er, was die Branche nur geahnt hatte: Er lebte mit drei Frauen in drei Haushalten zusammen. Seit 1946 war er mit Raymonde verheiratet, mit der er die Tochter Francoise hatte, dazu 50 Jahre mit der Mutter seines Sohns Jerome und 35 Jahre mit einer dritten Frau. „Ich mache das, wovon jeder Mann träumt.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false