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Ist das schon Comic? Die Bleistiftzeichnung Wilhelm Buschs für den vierten Streich von Max und Moritz, entstanden 1963-64.

© Museum

Wilhelm Busch: Streich auf Streich - 150 Jahre Max und Moritz

Vor 150 Jahren brachte Wilhelm Busch die Streiche von Max und Moritz zu Papier. Eine Ausstellung feiert die Lausbubengeschichte als Vorläufer moderner Comics – auch der Tagesspiegel ist vertreten.

Über diese Entscheidung dürfte sich der Verleger Heinrich Richter später oft geärgert haben. Knapp 150 Jahre ist es her, da bot ihm ein damals 32-jähriger Autor und Zeichner namens Wilhelm Busch das Manuskript einer Lausbubengeschichte an. Buschs Vorgängerwerk, die humoristischen „Bilderpossen“, hatten sich jedoch nicht gut verkauft. Also lehnte Richter das neue Werk ab. Es landete bei dem Münchener Verleger Kaspar Braun – und bescherte dem einen Erfolg sondergleichen.

„Max und Moritz – Eine Bubengeschichte in sieben Streichen“ erreichte schon zu Buschs Lebzeiten 56 Auflagen und gilt heute international als Klassiker der Bildliteratur – und eine der Keimzellen der Kunstform Comic, wie jetzt eine Ausstellung in Hannover zu 150 Jahren „Max und Moritz“ illustriert.

So nah ist man dem Schöpfungsprozess von „Max und Moritz“ sonst nie

Deren größter Schatz sind die Originalzeichnungen Buschs, die in einem abgedunkelten Raum hängen und im Jubiläumsjahr drei Mal für kurze Zeit zu sehen sind. So sollen sie vor weiterem Verblassen geschützt werden. Busch stand damals am Anfang seiner Karriere und zeichnete auf billigem Material – mit entsprechenden konservatorischen Folgen, wie Direktorin Gisela Vetter-Liebenow beim Rundgang durch die Ausstellung im Wilhelm-Busch-Museum für Karikatur und Zeichenkunst erläutert.

Hier sieht man die beiden Racker so, wie Busch sie zum ersten Mal zu Papier gebracht hat. So nah ist man dem Schöpfungsprozess von „Max und Moritz“ sonst nie. Für die ab Ende 1865 in Buchform verbreitete Bildgeschichte musste Busch seine Zeichnungen seitenverkehrt in Holzdruckstöcke schneiden. Das Ergebnis waren zwar immer noch bemerkenswert dynamische Bilder. Die jetzt in Hannover zu sehenden Bleistiftzeichnungen wirken jedoch noch lebendiger und vermitteln durch die Kombination mit Buschs Handschrift das Gefühl, man schaue dem Meister bei der Schöpfung seiner Geschichten über die Schulter.

Vor allem jene Szenen, in denen es rasant zugeht, könnten sich so ähnlich auch in modernen Comics wiederfinden, wenngleich bei Busch Wort und Bild noch klar getrennt sind und es sich daher nicht um Comics im engen Sinne handelt. Dennoch: Wenn der Schneidermeister Böck durch das Zutun von Max und Moritz in einen Fluss fällt und von zwei Gänsen hinausgezogen wird („Dieses war der dritte Streich, doch der vierte folgt sogleich“), hat Busch daneben schwungvolle Bewegungsstriche gezeichnet, wie man sie heute vor allem aus Mangas oder Superheldencomics kennt. Und wenn die mit Schwarzpulver gefüllte Pfeife des Lehrers Lämpel explodiert und darunter „Rums!!“ steht, ist es zur Lautmalerei des Comics nur noch ein kleiner Schritt.

Ein deutscher Superheld - ein Jahr vor Superman!

Wieso die beiden Bösewichte über 150 Jahre lang so populär blieben? „Sie leben etwas aus, das man als Kind oder manchmal auch als Erwachsener gerne täte, aber sich nicht traut“, sagt Museumsdirektorin Vetter-Liebenow. Das führte bereits zu Buschs Zeiten dazu, dass Pädagogen davor warnten, dass diese Geschichten die Kinder verderben – so wie man es später auch den Comics nachsagte.

Erich Ohser / e.o.plauen: Schadenfreude auf eigene Kosten, 1934-36.
Erich Ohser / e.o.plauen: Schadenfreude auf eigene Kosten, 1934-36.

© Museum

Wie stark „Max und Moritz“ und andere hier zu sehende Bildergeschichten aus dem 19. Jahrhundert den sich in der Folgezeit entwickelnden Comic geprägt haben, aber auch wie sehr sich die Kunstform seitdem weiterentwickelt hat, das zeigen die an Buschs Werk anschließenden Räume des Museums. Mehr als 260 Zeichnungen und rund 100 Erstdrucke aus dem 19. Jahrhundert bis in die Gegenwart sind hier versammelt – eine beeindruckende, in dieser Kombination nie zuvor zu sehende Leistungsschau vor allem des deutschsprachigen Comics, die der Kurator Martin Jurgeit aus diversen Sammlungen zusammengetragen hat.

Das führt über US-Zeitungscomics, die wie die ab 1897 erscheinenden „Katzenjammer Kids“ direkt von „Max und Moritz“ inspiriert waren, bis hin zu den Arbeiten zeitgenössischer Zeichner wie Nicolas Mahler oder Flix, die mit ihren Strips für die „FAZ“ und den Tagesspiegel die Tradition am Leben halten. Zeitschriften waren lange ebenso wichtig, wie Beispiele von „Simplicissimus“ bis „Stern“ illustrieren. Darunter sind auch Kuriositäten wie der Comic „Famany – der fliegende Mensch“, der 1937 in der Zeitschrift „Die Gartenlaube“ erschien und einen fliegenden Helden zeigte – ein Jahr vor dem ersten Superman-Abenteuer in den USA.

Ralf König, Der bewegte Mann, 1986-87, S. 81 (Ausschnitt).
Ralf König, Der bewegte Mann, 1986-87, S. 81 (Ausschnitt).

© Museum

In Deutschland hingegen prägten später „Mecki“ und „Mosaik“, „Nick Knatterton“ und „Fix und Foxi“ die Entwicklung – von Dutzenden Klassikern sind bemerkenswert kunstvoll gezeichnete und getuschte Originale ausgestellt. Zusammengehalten wird das durch eine Entwicklungsgeschichte des deutschsprachigen Comics, in der Kurator Jurgeit zentrale Linien herausarbeitet. Dazu gehören Comics von Brösel („Werner“) und Walter Moers („Das kleine Arschloch“) ebenso wie die von Avantgardisten wie Anke Feuchtenberger sowie in letzter Zeit lange Comicerzählungen in Buchform, Graphic Novels genannt, als deren Wegbereiter unter anderem Ralf Königs „Der bewegte Mann“ präsentiert wird.

„Jeder denkt, die sind perdü!“

Andere Wege schlugen Zeichnerinnen wie Christina Plaka ein, die sich durch japanische Vorbilder inspirieren ließen und eine deutsche Manga-Kultur etablierten. Und im Internet wächst seit Jahren eine vielfältige Szene an Comicbloggern heran.

Isabel Kreitz: Die Sache mit Sorge, 2008.
Isabel Kreitz: Die Sache mit Sorge, 2008.

© Museum

Explizit Bezug auf Wilhelm Busch nehmen die meisten ausgestellten Zeichner schon lange nicht mehr. Aber ohne „Max und Moritz“, das macht die Ausstellung klar, sähe die moderne Bilderzählung anders aus. Der Cartoonist F.K. Waechter hat das mal in einem Bild ausgedrückt, das es im Museum als Postkarte gibt. Im ersten Panel sieht man die sterblichen Reste von Max und Moritz, wie sie am Ende der Geschichte von Meister Müllers Federvieh verspeist werden („Gott sei Dank! Nun ist’s vorbei mit der Übeltäterei!“). Im nächsten Bild zeichnet Waechter die beiden, wie sie den Enten frech aus dem Hintern schauen, dazu der Spruch: „Jeder denkt, die sind perdü! Aber nein! – Noch leben sie!“

„Streich auf Streich: 150 Jahre Max und Moritz – Deutschsprachige Comics von Wilhelm Busch bis heute“, bis 4. Mai, Wilhelm Busch – Deutsches Museum für Karikatur und Zeichenkunst, Hannover. Die Busch-Handschriften sind bis 23. März zu sehen, dann erneut bei einer Sammlungsausstellung ab Ende August sowie einer Kinderbuch-Ausstellung ab Oktober. Mehr zur Ausstellung und den damit verbundenen Sonderveranstaltungen auf der Website des Museums.

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