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Der Weihnachtsmann kommt mit den Geschenken.

© dpa

Weihnachten: Shopping im Netz hat etwas Infantiles

Schiebt man sich Geschenke in Zukunft nur noch von Cloud zu Cloud zu? Ein Plädoyer für ein traditionelles Weihnachtsfest.

Von Til Knipper

Man muss kein Theologe sein, um die Ironie darin zu sehen, dass sich ausgerechnet Weihnachten zum kommerziell am stärksten ausgeschlachteten Feiertag des Jahres entwickelt hat. Und man muss auch kein militanter Gegner der Digitalisierung sein, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass das Internet und E-Commerce dabei sind, diese Entwicklung des Weihnachtsfests weiter auf die Spitze zu treiben. Einher geht damit schon länger ein massiver Verfall der Kultur des Schenkens.

Nach einer aktuellen Studie haben sich in Deutschland 51 Prozent der Befragten vorgenommen, dieses Jahr alle ihre Weihnachtsgeschenke im Internet zu kaufen. Die Befürworter des Online-Weihnachtsbummels argumentieren mit der Bequemlichkeit, günstigeren Preisen, weniger Stress und dem größeren Angebot.

Aber fallen sie dabei nicht auf die Werbeversprechen von Amazon & Co. herein? So bequem ist es doch gar nicht, ständig Pakete bei Nachbarn, Änderungsschneidereien, Blumenläden oder direkt bei der Post abzuholen. Und die Qualität der Geschenke steigt auch nicht zwingend durch die Breite des Angebots. Kein Algorithmus ist so gut wie die Verkäuferin, die Geschmack, Interessen, Bedürfnisse und auch die finanziellen Möglichkeiten ihrer Stammkunden seit Jahren kennt. Das Problem ist nur, dass der Einzelhandel mit qualifiziertem Personal akut gefährdet ist. Experten prognostizieren, dass bis 2020 in Deutschland 30 Prozent der Läden des stationären Einzelhandels schließen werden, weil immer mehr Kunden ins Netz abwandern.

Etwas Überraschendes

Was die Kultur des Schenkens angeht, hat diese stark effizienzgetriebene Art des Weihnachts-Shoppings im Netz zugleich etwas Infantiles. Erwachsene Menschen, die online Wunschzettel erstellen, damit an Heiligabend bloß niemand enttäuscht wird. Der Akt des Schenkens verkommt zum reinen Warenaustausch, Überraschungen unerwünscht.

Dabei machen die doch gerade den Reiz der Bescherung an Weihnachten aus: Die Freude ist doch viel größer, wenn ich für meine Liebsten etwas Tolles gefunden habe, womit sie nicht gerechnet haben, weil sie sich dann erkannt und gewertschätzt fühlen.

Der Blick in die Zukunft erscheint allerdings düster: Denn durch digitale Dienste wie Streaminganbieter fallen schon jetzt ganze Geschenkekategorien wie Bücher, Filme und Musik weg. Oder warum sollte man jemandem, der einen Netflix-Zugang besitzt, noch einen Film schenken? Oder wer freut sich über ein neues Album seiner Lieblingsband, wenn er es über sein Spotify-Abo längst unbegrenzt häufig hören kann? Und ein Buch für den Kindle-Unlimited-Nutzer zu finden, der mit seinem E-Book-Reader auf mehr als eine Million Bücher jederzeit zurückgreifen kann, dürfte auch schwierig sein.

Und was ist das Ende dieser Entwicklung? Legen wir uns irgendwann Festplatten unter den vom 3-D-Drucker ausgespuckten Weihnachtsbaum? Oder schiebt man sich die Geschenke in Zukunft nur noch von Cloud zu Cloud zu?

Wenn zum Auspacken der Geschenke aber jeder auf Handy, Tablet oder Rechner starren muss, ist der Schritt, an Heiligabend schnell die beruflichen Mails zu checken, auch nicht mehr weit.

Dabei ist das doch das Tollste an Weihnachten, dass fast das ganze Land die Möglichkeit hat, zu Hause im Kreise von Familie und Freunden mal ein paar Tage abzuschalten.

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