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Diese Hochhäuser im Stadtteil Camden im Norden von London wurden am Freitagabend evakuiert.

© dpa

Update

Überprüfung nach Feuer in London: 34 Hochhäuser in Großbritannien sind brandgefährdet

Nach der Brandkatastrophe im Grenfell Tower werden zahlreiche Häuser überprüft, fünf Gebäude wurden am Freitagabend geräumt. Aber nicht alle Bewohner verließen ihre Wohnungen.

Nach der Brandkatastrophe im Londoner Grenfell Tower haben Experten an mindestens 34 Hochhäusern in Großbritannien leicht entflammbare Außenfassaden entdeckt. Das teilte die britische Regierung am Samstag in London mit. Betroffen seien unter anderem Manchester, Portsmouth und Plymouth. Bereits am Freitagabend wurden fünf Hochhäuser mit insgesamt 800 Wohnungen in der britischen Hauptstadt evakuiert.

Etwa 4000 Menschen mussten im Norden Londons ihr Nötigstes packen. Die Feuerwehr hatte dort erhebliche Sicherheitsmängel festgestellt: unter anderem brennbare Fassaden, Fehler bei der Isolierung von Gasleitungen und das Fehlen von Brandschutztüren. Die Betroffenen verbrachten die Nacht in Notunterkünften, Hotels oder bei Freunden.

Viele Bewohner der in der Nacht geräumten Häuser zeigten sich wütend über die plötzliche Aufforderung zur Evakuierung. „Das ist total verrückt. Was hätte eine weitere Nacht schon für einen Unterschied gemacht?“ fragte Melanie Tham. Der 19-jährige Ahmed Mohamed pflichtete ihr bei: „Es war ein totales Durcheinander. Wir hatten nur fünf Minuten, um unsere Sachen zu packen.“

Dutzende Bewohner weigerten sich

Mehr als 80 Bewohner weigerten sich, ihre Wohnungen in den Gebäuden im Stadtteil Camden zu verlassen. In Interviews sprachen Bewohner von einer Überreaktion. „Zwei frühere Brände in diesem Hochhaus sind doch leicht in Schach gehalten worden“, sagte ein Vater. Ein 94-Jähriger berichtete, dass er nicht ausreichend Tabletten mit sich genommen habe. „Ich habe für so etwas nicht mehr die Kraft.“

Der Hochhaus-Komplex soll einem BBC-Bericht zufolge von 2006 bis 2009 von derselben Firma saniert worden sein wie der Grenfell Tower. Die Arbeiten an den geräumten Gebäuden werden drei bis vier Wochen dauern, wie Georgia Gould vom Bezirksrat sagte. 650 Wohnungen sind den Angaben zufolge betroffen. Londons Bürgermeister Sadiq Khan schrieb auf Facebook von einer „Vorsichtsmaßnahme“ und bezeichnete die Räumung als den besten Weg, um die Bewohner zu schützen.

Premierministerin Theresa May hatte nach dem Brand des Grenfell Towers angekündigt, dass täglich etwa 100 Hochhäuser im Land überprüft werden. Nach der Räumung in Camden twitterte sie, ihre Gedanken seien bei den in Sicherheit gebrachten Einwohnern. Der Rat von Camden teilte mit, alle Bewohnern dürften in Begleitung der Feuerwehr noch ihre Habseligkeiten aus den Wohnungen holen.

Ermittler erwägen eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung

Ein defekter Kühlschrank hatte Scotland Yard zufolge das Feuer am 14. Juni im Grenfell Tower entfacht. Der Brand griff an der Außenfassade entlang rasch auf den ganzen 24-stöckigen Sozialbau über. Der Hersteller bestimmter Dämmplatten, die in der Fassadenverkleidung benutzt wurden, kündigte inzwischen an, dass sein Produkt künftig nicht mehr in Gebäuden über 18 Meter Höhe verwendet werden soll. Mindestens 79 Menschen kamen bei dem Brand ums Leben. Die tatsächliche Opferzahl könnte aber wesentlich höher liegen. Möglicherweise haben sich viele Menschen illegal in dem Sozialbau aufgehalten. Sechs Verletzte lagen am Samstag noch in Krankenhäusern.

Die Ermittler erwägen eine Anklage wegen fahrlässiger Tötung. Man sehe sich alle Unternehmen an, die am Bau und an der Sanierung des Grenfell Towers beteiligt gewesen seien, hieß es. Das Feuer dort hat 151 Wohnungen zerstört. 129 davon hätten sich in dem Hochhaus selbst befunden, 22 weitere in der unmittelbaren Umgebung, wie die Bezirksverwaltung von Kensington und Chelsea mitteilte. Die Bewohner von 363 Haushalten seien in Hotels innerhalb des Stadtteils oder in der Nähe untergebracht worden. (AFP/dpa)

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