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Panorama: Türkisches Konsulat unterrichtet 3000 Grundschüler

Nachfrage hat sich in wenigen Jahren verdoppelt / Kritiker fordern, dass der Senat Alternativen schafft / Kein türkisches Schulbuch kommt ohne Staatsfahne aus

Das Bedürfnis türkischer Eltern, ihren Kindern etwas von der Sprache und Landeskunde ihrer Heimat mitzugeben, ist auch in der dritten Einwanderungsgeneration ungebrochen: In den vergangenen Jahren hat sich die Nachfrage nach dem sogenannten Konsularunterricht der Türkei verdoppelt. Nach Angaben der Türkischen Botschaft nehmen rund 3000 Schüler an 100 Grundschulen daran teil. 2002 waren es laut Bildungsverwaltung nur 1500 Schüler.

Die starke Steigerung war bislang weder den türkischen Verbänden noch Berlins Bildungsexperten bekannt. Oftmals wissen nicht einmal die Grundschulleiter selbst, wie viele ihrer Schüler den Konsularunterricht besuchen. Auch die Bildungsverwaltung erhebt diese Zahlen nicht, seit sie 2002 die Finanzierung eingestellt hat. Für die Inhalte ist sie ohnehin nicht zuständig, denn nach einer EU-Richtlinie „über die schulische Betreuung der Kinder von Wanderarbeitnehmern“ wird der „muttersprachliche Ergänzungsunterricht in alleiniger Verantwortung der diplomatischen Vertretungen erteilt“.

Die CDU-Abgeordnete Emine Demirbüken-Wegner führt die große Nachfrage darauf zurück, dass die Eltern selbstbewusster geworden und dass die Angebote von staatlicher Seite zurückgegangen seien. Es gebe nun mal das Bedürfnis, „den Kindern ein Stück der eigenen Kultur mit auf den Weg zu geben“, so Demirbüken-Wegner. Bildungsbewusste Eltern wüssten zudem, dass die Kinder „eine Stabilisierung in der Muttersprache brauchen“. Sie verweist auf die Fortschritte, die es bei der Qualität der Konsularlehrer gegeben habe.

Dennoch hat Demirbüken-Wegner Vorbehalte, die der Vorsitzende des Türkischen Elternvereins und Sprecher des Türkischen Bundes, Safter Çinar, teilt. Sie sehen mit Sorge, dass die Konsularlehrer sich mit deutschen Gepflogenheiten oft nicht auskennen, da sie aus der Türkei nur für eine kurze Zeit hergeschickt werden. Das führe dazu, dass sie mit hiesigen Erziehungsstilen nicht vertraut seien. „Sie sind für die Türkei ausgebildet“, kritisiert Çinar. Die Kinder gerieten in Konflikte, wenn sie etwa vormittags liberal behandelt würden und nachmittags „stramm stehen müssen“.

Dass die Nachfrage nach dem Konsularunterricht so zugenommen hat, führt er – ebenso wie Demirbüken-Wegner – auf das geringe Berliner Angebot an staatlichem Türkischunterricht zurück. Er vermisst in Deutschland „den Respekt vor der Identität und Sprache der Kinder“. Dieser fehlende Respekt drücke sich auch darin aus, dass sich die Politik nie richtig um die zweisprachige deutsch- türkische Alphabetisierung gekümmert habe: Von den 17 Grundschulen, die einst damit begonnen hatten, seien nur fünf übrig geblieben. Diese Lücke habe das türkische Konsulat jetzt eben mit seinen Lehrern gefüllt.

Türkeikritiker sehen diese Entwicklung mit Unbehagen. Schließlich beginnen alle Schulbücher, die im türkischen Konsularunterricht benutzt werden, mit der türkischen Fahne und einer markigen Rede von Staatsgründer Atatürk, die in der Aussage gipfelt, dass es die „erste Aufgabe“ der türkischen Jugend sei, die Unabhängigkeit der Türkei „für immer zu bewahren und zu verteidigen“.

Zwar sind die Schulbücher ansonsten vor allem mit harmlosen typischen Lesebuchtexten gefüllt. „Aber niemand kontrolliert doch und niemand kann sagen, was diese vom türkischen Staat bezahlten Lehrer den Kindern sonst noch erzählen“, sagt ein armenischer Vater, der in Kreuzberg lebt und mit Sorge sieht, welche Folgen der umstrittene „Türkentumparagraf“ für seine Landsleute hat.

„Der Konsularunterricht würde sich erübrigen, wenn der Staat Alternativen böte“, meint Özcan Mutlu von den Grünen. Wie Berlins ehemalige Berliner Ausländerbeauftragte Barbara John empfiehlt er, dem Vorbild anderer Bundesländer zu folgen und Angebote mit hier sozialisierten Lehrern zu unterbreiten.

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