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Tod eines Asylanten: Was geschah in Zelle Nr. 5?

Er habe sich selbst angezündet, sagt die Polizei. Aber wie sollte das gehen, gefesselt, ohne Feuerzeug?, fragen andere. Vor sechs Jahren starb Oury Jalloh, Asylbewerber aus Afrika. Wie es dazu kam, blieb ungeklärt – und wird nun neu verhandelt.

Der Vertreter der Landesregierung hatte sein Beileid ausgesprochen und war dabei zu gehen, als er Holz splittern hörte. Die Menschen in der Kirche versuchten, den Sarg zu öffnen.

„In dem Zusammenhang war dann Schreien zu hören“, sagt der Landesvertreter, ein Abteilungsleiter aus dem Innenministerium von Sachsen-Anhalt. Schreien vor Entsetzen. Denn der Tote im Sarg war vollkommen verkohlt. Das hatten sie nicht gewusst.

Der Tote: Oury Jalloh, geboren 1968 in Kabala, Sierra Leone. In der letzten Phase des Bürgerkriegs entschloss er sich zur Flucht nach Guinea. Die Eltern lebten schon dort. Sie schickten den Sohn Oury weiter nach Europa. Dafür legten sie Geld zusammen. Als Oury aus Deutschland anrief, freuten sie sich.

Oury Jalloh stellte einen Asylantrag und bekam ein Bett im Asylbewerberheim Roßlau, Sachsen-Anhalt. Sechs Jahre später, am 7. Januar 2005, ist er tot. Verbrannt in Zelle fünf des Polizeigewahrsams Dessau, bei lebendigem Leibe.

Er habe sich selbst angezündet, sagte die Polizei.

Zwei Polizisten standen wegen Oury Jallohs Tod in Dessau vor Gericht und wurden freigesprochen. Der Vorsitzende Richter sagte: „Das, was hier geboten wurde, war kein Rechtsstaat, und Polizeibeamte, die in einem besonderen Maße dem Rechtsstaat verpflichtet waren, haben eine Aufklärung verunmöglicht.“

In der schriftlichen Urteilsbegründung fand sich von diesem Aufschrei nichts mehr. Fahrlässige Tötung gemäß Paragraf 222 Strafgesetzbuch sei nicht gegeben, stand da und: „Es konnte nicht festgestellt werden, dass der Tod Oury Jallohs objektiv vermeidbar gewesen wäre.“

Staatsanwaltschaft und Nebenklage beantragten beim Bundesgerichtshof die Revision. Anfang 2010 hob der BGH den Freispruch auf. Die Begründung sei lückenhaft und die Würdigung der Beweismittel nicht nachvollziehbar. Ab Mittwoch soll der Tod von Oury Jalloh komplett neu verhandelt werden. Diesmal vor dem Landgericht Magdeburg mit neuer Beweisaufnahme, neuen Zeugenbefragungen, neuen Sachverständigen. Allein der Hauptangeklagte ist derselbe: Dienstgruppenleiter Andreas S., und die Frage: Was geschah am 7. Januar 2005?

War es ein Unglück — oder gab es, wie Gabriele Heinecke, die Rechtsanwältin von Oury Jallohs Mutter, fragt, „einen Vorsatz, einen Menschen zu töten?“

Polizeirevier Wolfgangstraße in Dessau. Die Gewahrsamszellen befinden sich im Keller, die Leitstelle ist in der ersten Etage. Von den Beamten, die an diesem Tag hier Dienst haben, war keiner an Jallohs Todestag dabei. Einer erzählt, was er weiß: „Vom Grundsachverhalt war es ja so, wir hatten draußen ein Ereignis, bei dem Oury Jalloh festgestellt worden ist, es gab, ein Notruf war’s wohl, ja? Dass dort Frauen belästigt worden sind, und daraufhin kam Polizei zum Einsatz und hat den Sachverhalt vor Ort geklärt.“

Der 7. Januar 2005 war ein Freitag. Ein milder Morgen. Oury Jalloh hatte die Nacht in einer Diskothek verbracht. Allein. Er war betrunken.

Der Einsatzbefehl von 8 Uhr an die Funkstreife lautete: Fahren Sie in die Turmstraße, vier Frauen der Stadtreinigung fühlen sich von einem Afrikaner belästigt.

Als die Polizeistreife bei den Frauen der Stadtreinigung ankam, soll die vermeintliche Konfrontation schon beendet gewesen sein. Oury Jalloh stand einige Meter abseits und hielt sich an der Hauswand fest, erzählten die Frauen vor Gericht. Die Polizisten gingen auf ihn zu. „Ausweis“. Jalloh maulte. Dann: „Passport, Amigo“. Er wollte nicht. Sie nahmen ihn in den Schwitzkasten. Er trat um sich. Sie bugsierten ihn in den Pkw. Um 8 Uhr 30 kam die Funkstreife in der Wolfgangstraße an. Oury Jalloh wurde gleich in den Keller gebracht. Oben in der Leitstelle telefonierte Andreas S. mit dem Bereitschaftsarzt Dr. B.:

Polizei: „Wir bräuchten dich mal.“

Arzt: „Was haste denn?“

Polizei: „Na, eine Blutabnahme“

Arzt: „Na, dann mach ich das.“

Polizei: „Ja, pikste mal ’nen Schwarzafrikaner.“

Arzt: „Ach du Scheiße.“

Polizei: Lachen.

Arzt: „Da finde ich immer keine Vene bei den Dunkelhäutigen.“

Polizei: „Na, bring doch ’ne Spezialkanüle mit.“

Arzt: „Mach ich.“

Im Arztzimmer nahm Dr. B. die Blutprobe. Das Ergebnis: Blutalkoholwert drei Promille. Zuvor hatten zwei Polizisten Oury Jalloh durchsucht. Udo S. tastete seinen Oberkörper ab, Hans-Ullrich M. aus der Funkstreife seinen Unterkörper. Er fand ein paar Münzen, ein Handy und Papiertaschentücher. Kein Feuerzeug.

Um 9 Uhr 30 trugen drei Männer Oury Jalloh in die Zelle fünf und legten ihn auf einen Betonsockel mit Matratze. Es handelt sich um eine Sicherheitsmatratze mit Kunstlederbezug, schwer entflammbar. Die ganze Zelle ist gefliest, auch der Betonsockel. Vier fest montierte Metallgriffe, seitlich und am Fußende. Daran fesselten sie seine Hände und Füße mit Handschellen. Angeblich zum Schutz vor Selbstverletzung. Er soll seinen Kopf gegen die Wand geschlagen haben.

Mehr oder weniger regelmäßig ging jemand runter in den Gewahrsamstrakt. Wer gerade Zeit hatte, sah nach ihm und trug seinen Kontrollgang ins Gewahrsamsbuch ein. Über eine Gegensprechanlage zwischen Zelle und Leitstelle wurde Jalloh akustisch, der Flur vor den Zellen optisch überwacht. Zwei Kameras sendeten Bilder nach oben.

Wenn die Überwachung in Ordnung war, wieso ist er dann verbrannt?

Auch Lutz Becker hat versucht, diese Fragen im Kollegenkreis zu diskutieren. Lutz Becker ist ein Dessauer Polizist, der so nicht heißt, der seinen Namen nicht nennen will. Er hat Zweifel am Handeln der Kollegen. Fesselung sei unüblich, sagt er. Zumal bei einem Betrunkenen, er hätte sich erbrechen und daran ersticken können. Becker sagt: „Das Ganze ergibt keinen Sinn. Vielleicht waren Emotionen im Spiel. Wer weiß. Auf jeden Fall lief es nicht professionell ab. Und dann die Geschichte mit dem Feuerzeug. Als der Bürger durchsucht wurde, fand man keins. Wann hat man es gefunden? Drei Tage später. Ist das nicht merkwürdig?“

In der Leitstelle liegt ein Buch. Es ist das Tätigkeitsbuch, in dem alle Notrufe erstmal kurz mitgeschrieben werden.

Bis zwölf Uhr soll alles mehr oder weniger normal gelaufen sein, dann schlug der Brandmelder an. Feuer im Gewahrsam? Der zuständige Dienstgruppenleiter Andreas S. drückte das Signal mehrmals weg. Beate H., seine Kollegin, hörte über die Gegensprechanlage Jalloh nach Hilfe rufen. Minuten vergingen, dann schlug auch der Alarmmelder für die Zellenbelüftung an. Aus der Gegensprechanlage war ein lautes Geräusch zu hören, das Geräusch von lodernden Flammen. Trotz Feueralarm glaubte Andreas S. jedoch, einen Wasserrohrbruch zu hören. Beate H. forderte ihn zum Kontrollgang auf: „Nun geh endlich, beweg dich mal.“

Um 9 Minuten nach 12 gingen der Dienstgruppenleiter Andreas S. mit dem Kollegen Gerhard M., weil der zufällig gerade frei war, runter. Um 11 Minuten nach 12 öffnete Gerhard M. die Tür von Zelle fünf. Da lag Jalloh brennend auf der Matratze. M. konnte ihn nicht raus ziehen, weil er die Fesselschlüssel nicht dabei hatte. Andreas S. soll zurückgelaufen sein, die Schlüssel holen. Als er kam, war es zu spät. Gerhard M. versuchte, die Flammen mit einer Wolldecke zu ersticken, aber da war die Zelle schon so verraucht, dass die Rettungsversuche eingestellt werden mussten.

Zwischen dem ersten Alarm in der Leitstelle und dem Öffnen der Zellentür waren elf Minuten vergangen, rechnete der Staatsanwalt aus. Die Strecke zwischen Obergeschoss und Keller ist sonst in weniger als einer Minute zu bewältigen.

Andreas S. sei als Dienstgruppenleiter gar nicht für den Gewahrsamsinsassen verantwortlich gewesen, sagt Lutz Becker. „Der Dienstgruppenleiter ist der Vorgesetzte, er soll die Dienstschicht ‚führen’, er trägt die Gesamtverantwortung. Wird ein Bürger von einer Streife hereingebracht, wird ein Kollege abgestellt, gewissermaßen als Wachdienst. Er ist dann der Gewahrsamsbeamte. Von dem Moment an ist der für ihn zuständig und dafür unterschreibt er auch. Wenn kein Beamter frei ist, muss einer angefordert werden.“

Hatte Oury Jalloh keinen Gewahrsambeamten? Oder gab es einen, von dem keiner weiß?

Von 12 Uhr 20 bis 5 nach halb 1 waren die Feuerwehrmänner mit Löscharbeiten beschäftigt. Um 13 Uhr 45 wurde die Tatortgruppe der Polizeidirektion Stendal nach Dessau gerufen. Die Beamten trafen um 15 Uhr 30 im Revier ein, ließen sich informieren und betraten mit einer Videokamera den Gewahrsamsbereich. Jallohs Leiche lag noch dort. Der Mann mit der Videokamera sagte während der Aufnahme in das Mikrofon, der Gefangene in der Zelle habe sich selbst angezündet. Das war mehr, als er wissen konnte. Dann wurde die Leiche von den Fesseln gelöst. Von den Fingern und Zehen waren schon die Kuppen abgebrannt. Später wird man sie im Brandschutt finden, der zusammengefegt und zur Vorbereitung der Untersuchung in Stendal auf drei Tüten verteilt wurde. Die Kamera war dabei, nahm alles auf.

Noch am Nachmittag des 7. Januar begannen die Beamten der Polizeidirektion Stendal mit ihren Verhören. Zur wichtigsten Zeugin wurde Beate H., der aufgefallen war, dass der Dienstgruppenleiter mehrmals den Feueralarm weggedrückt hatte. Beate H. berichtete auch von einem Geräusch etwa eine halbe Stunde vor dem Alarm, also gegen halb zwölf. Wie von einem klappernden Schlüsselbund. Sie hörte Kollegen mit Oury Jalloh reden, konnte die Stimmen aber nicht zuordnen. Danach sei auch keiner raufgekommen, um den Kontrollgang ins Gewahrsamsbuch einzutragen. Eine Viertelstunde später hätte sie unten nachgesehen, aber da war niemand.

Außerdem berichtete Beate H. von einer Lache aus klarer Flüssigkeit, die sie auf dem Fußboden von Zelle fünf gesehen habe. Zwei andere Kollegen erinnern sich in dieser Vernehmungsphase auch daran. Vielleicht Urin? Oury Jalloh war gefesselt, er konnte nicht zur Toilette gehen. Nein, sagen alle drei unabhängig voneinander, das war kein Urin. Kontrollieren ließen sie die Flüssigkeit aber nicht.

Kurz nach dem Tod von Jalloh wurde Beate H. in eine andere Dienststelle versetzt. Es kam zu einem Gespräch zwischen ihr, Andreas S. und seinen Strafverteidigern. Danach zog sie ihre Aussage zurück. Fünf Wochen nach dem 7. Januar ließ sie sich wegen psychischer Probleme krankschreiben und begab sich in Behandlung. Auch der Mann mit der Videokamera ließ sich für zwei Monate krankschreiben. Noch am gleichen Nachmittag, im Anschluss an die Tatortbesichtigung. Wegen einer Allergie.

Wahrscheinlich hat Beate H. über die Gegensprechanlage Oury Jallohs Schreie gehört, meint Lutz Becker. „Das bleibt im Gedächtnis“, sagt er, „für immer.“ Vielleicht habe sie auch runtergehen wollen und jemand habe sie gehindert, sagt er. „Die Frage muss gestellt werden.“

Die Zelle ist inzwischen repariert. Wieder instand gesetzt. Auch die Metallbügel, an denen Insassen gefesselt werden. Meist nur an den Armen. In Ausnahmefällen auch an den Beinen. Warum Jallohs Füße angekettet wurden, darüber diskutierten Polizisten im Internet.

Die Staatsanwaltschaft ließ ein einfaches Röntgenbild von Jallohs Leichnam machen, aber keine Spezialaufnahme im Kernspintomografen. Die „intensiv geführten Ermittlungen“ hätten „eindeutig und zweifelsfrei“ „nicht den geringsten Anlass für Misshandlungen und knöcherne Verletzungen des Oury Jalloh ergeben“, steht in der Presseerklärung der Staatsanwaltschaft vom 24. März 2005. Die Familie traute dem nicht und schickte die Leiche des Sohnes im Zinksarg auf eigene Kosten zur Uniklinik Frankfurt am Main. Sie wurde in die MRT-Röhre geschoben. Man fand „knöcherne Verletzungen“ am Kopf, darunter einen Nasenbeinbruch.

Oury Jalloh muss furchtbare Schmerzen erlitten haben. Er muss mit den Handschellen gescheppert, gerufen und geschrien haben. Dabei hat er Ruß verschluckt. Die Gerichtsmediziner fanden Rußpartikel in Lunge und Magen, außerdem viel Adrenalin. Ein Beweis für Panik, für höchste Erregung in Todesangst.

In der Leitstelle war davon nichts zu hören? Alle technischen Einrichtungen waren in Ordnung laut Untersuchungsbericht der Polizei Stendal.

Nachdem der Brand gelöscht war und der Mann mit der Videokamera fertig gefilmt hatte, wurde der Brandschutt zusammengefegt, auf drei Tüten verteilt und durchgesehen. Ein Feuerzeug oder Reste eines Feuerzeugs sind niemandem aufgefallen. Man fand das Feuerzeug drei Tage später, am 10. Januar, in einer Teilmenge des Brandschutts, die in einem Spezialofen auf Brandbeschleuniger untersucht wurde. Nach der Untersuchung wurde der Inhalt der Tüte ausgeschüttet und inmitten des Schutts tauchte ein rotes Plastikfeuerzeug auf.

Das Feuerzeug war nur verschmort, nicht explodiert – obwohl der Brand 800 Grad erreicht hatte. Sogar der Markenname war noch zu erkennen: Tokai.

Eine ganze Stunde lang war gefilmt worden, doch die Bildspur der Aufnahme ist fast leer, nur die ersten vier Minuten und elf Sekunden sind zu sehen. Als der Kameramann in der Zelle filmen will, bricht der Film ab. Außerdem verschwunden sind: ein Verzeichnis mit den Namen aller 70 Personen, die an jenem Morgen im Revier waren. Und die Bilder der Flurüberwachung, die nach oben zum Monitor in der Leitstelle gesendet wurden.

Eine Flüssigkeitslache in der Zelle, die nicht untersucht wurde.

Ein Kontrollgang, der nicht eingetragen wurde.

Ein Feuerzeug, das erst nach drei Tagen entdeckt wurde.

Eine Videokamera, die nach vier Minuten aufhörte zu filmen.

Überwachungskameras, deren Bilder nicht sichergestellt wurden.

Im März 2005 erschien als „Hausmitteilung“ des Polizeireviers eine, wie es hieß, „objektive“ Darstellung der Ereignisse vom 7. Januar. Angefertigt hatte sie ein Vorgesetzter aus dem Polizeirevier. Er hatte alle Aussagen redaktionell bearbeitet und neu zusammengestellt. Damit wollte er das Wissen seiner Beamten auf den gleichen Stand bringen, gibt er als Zeuge im Prozess an.

Marco Steckel leitet die Beratungsstelle für Opfer rechter Gewalt in Dessau, Wittenberg und Anhalt-Bitterfeld. Mit seinem Team hat er jeden der 60 Verhandlungstage des Dessauer Landgerichts beobachtet, protokolliert und ins Internet gestellt. „Von Anfang an hatte ich immer das Gefühl, dass da gemauert wird und man die Öffentlichkeit sozusagen nicht gerne informiert, sondern nur auf Druck“, sagt Steckel.

Erst fünf Wochen nach dem Ereignis bestätigte die Polizeiführung, dass Oury Jalloh gefesselt und fixiert war.

In der schriftlichen Urteilsbegründung sind keine Informationen darüber zu finden, wie das Feuer entstanden ist. Gutachter hatten versucht, den Brand nachzustellen. Sie mussten dazu erst den Bezug der Matratze aufschneiden – sie hatte doppelte Nähte – den Schaumstoffkern herausholen, der sich dann anzünden ließ. Daraus folgerte der Richter, Jalloh habe mit dem Feuerzeug die Naht des Kunstlederbezugs der Matratze verschmort, um den Bezug öffnen zu können. Den Inhalt habe er dann herausgezogen und angezündet. Oder er habe eine schadhafte Stelle an der Matratze entdeckt, die Flamme darauf gerichtet und so den Schaumstoff durch den Kunstlederbezug hindurch in Brand gesetzt.

Aber war Oury Jalloh im Vollrausch fähig, das Feuerzeug so lange und zielgerichtet auf eine Stelle zu halten, ohne sich die Hand zu verbrennen? Diese Frage hat am 7. Januar 2010 die Richterin des Bundesgerichtshofs gestellt, die den Freispruch aufhob. Wer sich weh tut, wirft das Feuerzeug spontan weg. Es passiert einfach, ein Reflex. Außerdem: Brennt eine Flamme nicht immer von unten nach oben? Wie kann jemand eine Matratze anzünden, auf der er liegt? Gefesselt liegt. Es soll ein Plastikfeuerzeug gewesen sein, kein Hochleistungsbrenner.

Lutz Becker sagt, diese Fragen hätten sie auch im Kollegenkreis gestellt. Aber sie seien dann jedes Mal verstummt. Weil jeder dasselbe denke. Dass da jemand Feuerzeugbenzin drauf geschüttet hat. Er sagt: „Stellen Sie sich vor, jetzt käme raus, da hat die Person X nachgeholfen und das hätten wir schon vor Jahren wissen können. Dann müsste gefragt werden, wer hat das vermasselt und warum wurde das nicht geprüft. Dann käme jemand sehr stark in Erklärungsnot. Der Schaden wäre immens, auch intern.“ Er sagt, die ganze Hierarchie käme ins Wanken. Er sagt, es wäre ein Desaster.

Die Autorin erhielt für ihr MDR-Radiofeature „Verbrannt in Polizeizelle Nr. 5“ den Bremer Hörkino-Preis 2011.

Margot Overath

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