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Bienen in Gefahr. Es gibt vieles, was den Insekten zusetzt - auch Pestizide.

© dpa

Streit um Agrargifte: Teilverbot von bienengefährdenden Pestiziden erwartet

An diesem Montag stimmt ein Brüsseler Ausschuss über drei Agrargifte ab. Deutschland könnte dabei den Ausschlag geben. Seit Jahren wird darüber gestritten, warum immer weniger Bienenvölker den Winter überleben.

An diesem Montag entscheidet ein Berufungsausschuss in Brüssel darüber, ob drei als bienengefährdend eingeschätzte Pestizide vom 1. Juli an für zwei Jahre in der Europäischen Union aus dem Verkehr gezogen werden. Bei einer ersten Abstimmung im März waren zwar 13 Staaten für das Moratorium, doch neun stimmten dagegen, fünf enthielten sich, darunter auch Deutschland. Deshalb reichte die Mehrheit nicht für ein zweijähriges Teilverbot der zwei vom Argrarchemiekonzern Bayer Cropscience erzeugten Produkte Clothianidin und Imidacloprid sowie das vom Syngenta-Konzern produzierte Thiamethoxam.

Der Streit über den Anteil der sogenannten Neonikotinoide am Bienensterben wird spätestens seit 2008 intensiv geführt. Damals starben 20 000 Bienenvölker am Oberrhein, weil Maissaatgut unzureichend mit dem Bayer-Beizmittel „Poncho“ (Clothianidin) behandelt worden war. Bayer und Syngenta argumentieren, dass ihre Pestizide nur dann Bienen und andere Bestäuber-Insekten gefährdeten, wenn sie nicht sachgemäß verwendet würden. Als Beweis dafür führen sie das Deutsche Bienenmonitoring ins Feld. Seit 2004 erheben Imker in verschiedenen Regionen Deutschlands Daten über ihre Bienenvölker. Vor der Winterruhe melden sie den Befall mit der Varroa-Milbe. Im Frühjahr melden sie den Forschern an der Universität Hohenheim, die das Bienenmonitoring koordiniert, wie viele Bienenvölker den Winter nicht überlebt haben.

Die durchschnittliche Verlustrate von Bienenvölkern hat bis vor etwa 20 Jahren bei rund zehn Prozent gelegen. Inzwischen überleben doppelt so viele Völker den Winter nicht, es hat auch Jahre gegeben, in denen die Imker ein Drittel ihrer Völker über den Winter verloren haben. Für dieses Frühjahr rechneten die Hohenheimer Forscher der Landesanstalt für Bienenkunde mit einem Verlust von 23 Prozent. So viele Bienenvölker hätten vor dem Winter einen erhöhten Varroa-Befall aufgewiesen, also mehr als sechs Milben auf 100 Bienen. Die Wirkung von Pestiziden in nicht tödlicher Dosis spielt bei der Untersuchung jedoch keine Rolle, kritisiert der Umweltverband BUND.

Das Deutsche Bienenmonitoring ist bis 2010 zur Hälfte von den betroffenen Agrarchemieunternehmen Bayer, Syngenta und BASF finanziert worden. Inzwischen zahlen das Landwirtschafts- und dem Forschungsministerium dafür.

Bis Sonntag hat die internationale Kampagnenorganisation Avaaz 2,6 Millionen Unterschriften für ein Teilverbot der Pestizide gesammelt. Greenpeace hat Anfang des Monats noch eine neue Studie dazu veröffentlicht. Im Januar hatte die EU-Lebensmittelbehörde Efsa vor Gefahren für die Bienen gewarnt. Inzwischen hat ein Sprecher von Agrarministerin Ilse Aigner (CSU) angedeutet, dass sich Deutschland bei der Abstimmung am Montag eine Zustimmung zum Kommissionsvorschlag „vorstellen“ könne. Bulgarien hat seinen protestierenden Imkern eine Zustimmung versprochen. Sollte die Abstimmung dennoch keine qualifizierte Mehrheit erbringen, könnte EU-Verbraucherkommissar Tonio Borg die Entscheidung an sich ziehen und das Verbot in Eigenregie anordnen.

Noch im März hatte das Agrarministerium argumentiert, der Kommissionsvorschlag zwinge Deutschland dazu, die Neonikotinoide für mehr Anwendungen wieder zuzulassen, als dies aktuell der Fall sei. Nach dem Bienensterben 2008 waren die Neonikotinoide zunächst ganz aus dem Verkehr gezogen worden - allerdings nach der Pflanzphase. Im Folgejahr gab es Teilzulassungen unter Auflagen. Lediglich die Beizung von Mais wurde verboten. Die EU-Kommission will die kommenden zwei Jahre nutzen, um die weiterhin offenen Fragen zum Bienensterben zu klären. Weder die Efsa-Studie noch die Studien des Wissenschaftlichen Dienstes des EU-Parlaments noch der Europäischen Umweltagentur haben eine glasklaren Beweis dafür erbracht, dass das Bienensterben vor allem auf den Pestizideinsatz zurückzuführen wäre. Doch alle drei Studien können einen Zusammenhang aucn nicht ausschließen. Da in Europa das Vorsorgeprinzip gilt, ergibt sich aus diesen Studienergebnissen eine Rechtsgrundlage für den Kommissionsvorschlag. Das UN-Umweltprogramm hat vor zwei Jahren in einer Studie abgeschätzt, welchen ökonomischen Schaden das mittlerweile weltweite Bienensterben mit sich bringt. Sieben von zehn der wichtigsten Nutzpflanzen würden von Bienen, Hummeln oder anderen Insekten bestäubt, heißt es in der Studie. Ohne die Bestäubungsleistung der Insekten würden die Ernten vor allem bei Obst und Gemüse weitaus niedriger liegen und hätten damit auch einen direkten Einfluss auf die Ernährungslage einer weiter wachsenden Weltbevölkerung. In der Unep-Studie werden die Einflussfaktoren auf die Bienengesundheit aufgezählt: Der vermutlich wichtigste ist das Schwinden der Lebensräume für Bienen. Die industrielle Landwirtschaft mit ihren Mais-Monokulturen hat in Berlin und Brandenburg dazu geführt, dass es inzwischen mehr Honig aus der Großstadt gibt als aus der umliegenden Agrarlandschaft. Weiter zählt Unep Parasiten wie auch die Varroa-Milbe auf, aber auch die Wirkung von Pestiziden. In Honig-Proben aus aller Welt sind verschiedene Pestizide nachweisbar. Wie sie genau auf die Bienenvölker und ihre Entwicklung wirken, ist jedoch nicht klar.

Die betroffenen Agrarchemiekonzerne haben im Januar mit einer eigenen Studie über den wirtschaflichen Nutzen der Neonikotinoide reagiert. Das sogenannte Humboldtforum, das überwiegend von Chemiekonzernen finanziert wird, kam zu dem Schluss, dass ein Verbot der Pestizide zu dramatischen Ertragseinbußen vor allem beim Raps und bei Sonnenblumen führen würden. Der BUND hat für das Jahr 2007 ermittelt, dass Bayer mit Clothianidin und Imidacloprid einen Umsatz um hohen dreistelligen Millionenbereich erzielt hatte: mit Clothianidin waren es damals 237 Millionen Euro, mit Imidacloprid waren es 556 Millionen Euro. Diese Zahlen stammen allerdings aus der Zeit, bevor Deutschland, Spanien, Slowenien und Italien Einschränkungen gegen den Einsatz der Pestizide erlassen hatten.

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