zum Hauptinhalt
Wischi, wischi, waschi. Die Waschbären sollten eher Tastbären heißen, weil sie ihr Futter im Wasser ausgiebig untersuchen.

© imago

Tierpark Berlin: Der Waschbär

Sie sind extrem anpassungsfähig, verbreiten sich rasant und bedrohen heimische Arten. Deshalb sollen Waschbären aus den Zoos bald ganz verschwinden.

Wenn Blicke töten könnten! Florian Sicks tritt an einen eisernen Mülleimer im Waschbärengehege des Tierparks heran und hebt den fast geschlossenen Deckel behutsam an. Kaum dringt das Licht ins Innere, blitzen den Säugetier-Kurator vier dunkle Augen an. Das Waschbärenpaar fühlt sich offensichtlich gestört. „Kein Wunder“, sagt Sicks und schließt den Deckel wieder, „die sind streng nachtaktiv.“ Zoo-Besucher müssen sich in Geduld üben, wollen sie die grauen Pelztiere mit dem geringelten Schwanz und der schwarzen Fellbinde um die Augen zu Gesicht bekommen. Bei aller Knuffigkeit: Publikumsliebling wird man so nicht. Sollte der Waschbär aus den Tierparks aber bald ganz verschwinden, hat das andere Gründe.

Ursprünglich stammt er aus Nordamerika. Spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg ist er jedoch auch in deutschen Wäldern heimisch. Am Edersee in Hessen wurden schon 1934 zwei Paare ausgesetzt. Als kurz vor Kriegsende eine Zucht in Wolfshagen von Bomben getroffen wurde, entkamen gleich 25 Waschbären. Seither verbreiten sie sich im Berliner Umland und anderen Teilen Deutschlands rasant.

Sind die Tiere wirklich so reinlich?

Das liegt nicht nur daran, dass hier natürliche Feinde wie Kojote und Luchs fehlen. Der Waschbär ist auch extrem anpassungsfähig. Zoologisch gilt der Kleinbär, der bis zu 85 Zentimeter lang und zehn Kilogramm schwer werden kann, als Raubtier. Doch frisst er Gemüse, Früchte und Samen genauso gerne wie Würmer oder Fische. Mit seiner feinen Nase und den sensiblen Vorderpfoten findet er immer genügend Nahrung.

Letzteren hat er auch seinen Namen zu verdanken: Waschbären kann man oft dabei beobachten, wie sie ihr Essen mit den Pfoten sauberrubbeln oder sogar im Wasser „waschen“. In Wirklichkeit wird die gefundene Nahrung auf diese Weise vor dem Verzehr genau untersucht. Gerade weil sie in Sachen Futter so flexibel sind, konnten sich die Tiere auch in Städten ansiedeln. Hier finden sie in Mülleimern, was sie brauchen.

In den letzten Jahren wurden allein in Deutschland jährlich rund 100 000 Waschbären erlegt. Laut Experten streift aber noch immer ein Vielfaches davon durch Europas Wälder. Ein Problem sei dies vor allem, weil die Einwanderer Nistplätze von Vögeln besetzen und die bedrohten Sumpfschildkröten fressen, sagt Florian Sicks. Um seine weitere Ausbreitung zu bekämpfen, setzte die EU den Waschbären vergangenen Juli auf den Index der invasiven Arten.

Im Tierpark steht das Reich der Waschbären auf dem Kopf

Das hat für die Zoos Folgen: Sie müssen ihre Gehege überdachen, um sie ausbruchsicher zu machen. Zudem dürfen Waschbären nicht mehr eingeführt oder gezüchtet werden. Die zwei Rüden und die Fähre im Tierpark denken zum Glück nicht mehr an Fortpflanzung. Mit zehn Jahren sind sie dafür zu alt. Wer will sich schon im Alter mit neuen Mitbewohnern rumschlagen?

Auch ohne Nachwuchs steht das Reich der Waschbären seit letztem Sommer Kopf: Die Azubis im Tierpark ersetzten die frühere Landschaft im Gehege durch ein Vorgarten-Idyll mit Kinder-Kletterhaus, Mülleimer und Weiher – ein Verweis auf die heutigen Großstadtgewohnheiten der Waschbären. Die drei Bewohner zeigten dafür wenig Verständnis. „Sie legten sich zum Schlafen nie ins dafür vorgesehene Holzhäuschen“, sagt Sicks. Vielleicht steckt hinter den entrüsteten Blicken, die ihm aus dem Eimer entgegenschießen, also doch mehr als nur der Zorn über die Störung.

WASCHBÄR IM TIERPARK

Lebenserwartung:  bis 15 Jahre

Interessanter Nachbar: Hauskaninchen

Florian Niedermann

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false