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Ein Junge sitzt vor den Trümmern eines eingestürzten Supermarktes im Stadtteil Tasquena im Süden von Mexiko-Stadt.

© German Eluniversal/El Universal via ZUMA Wire/dpa

Schweres Erdbeben: Die Mexikaner halten zusammen

Bei einem schweren Erdbeben rund um Mexiko-Stadt sind mehr als 220 Menschen ums Leben gekommen. Nach der Katastrophe zeigen die Menschen vor Ort große Solidarität und Hilfsbereitschaft.

Für viele Mexikaner scheint Twitter die letzte Hoffnung zu sein. Über den Nachrichtendienst verbreiten sie Fotos und Namen vermisster Angehöriger. „Freunde, helft! Eine Cousine ist verschwunden. Wir wissen nicht, ob sie in einem Gebäude war, das zusammenbrach. Aber sie hatte dort ein Vorstellungsgespräch.“ So lautet eins von zahlreichen Hilfegesuchen nach dem schweren Erdbeben, das Mexiko-Stadt am Dienstagmittag (Ortszeit) mit einer Stärke von 7,1 erschütterte.

Die Behörden versuchen derweil, die Schäden zu bemessen. Die Zahl der Toten lag am Mittwochnachmittag dem Innenministerium zufolge bei 226. Rund 700 Menschen wurden verletzt, viele davon schwer, weil sie von Trümmerteilen getroffen wurden. Zahlen, die die Behörden jedoch fast stündlich korrigierten.

Gebäude begräbt mindestens 32 Kinder

Mehr als die Hälfte der Toten ist in Mexiko-Stadt zu beklagen, ebenfalls viele Opfer gab es in den südlicheren Bundesstaaten Morelos und Puebla, wo das Epizentrum des Bebens lag. Von einer Rückkehr zur Normalität ist man vielerorts weit entfernt. In einer ersten Reaktion bat Mexikos Präsident Enrique Peña Nieto die Bevölkerung, am Mittwoch nicht zur Arbeit zu gehen, um die Straßen frei zu halten. Wie viele Mexikaner zeigte sich der Präsident betroffen von dem Einsturz einer Grundschule. Die „Escuela Rebsamen“ in Mexiko-Stadt begrub mindestens 32 Kinder und fünf Lehrer unter sich. Nach dem Beben drangen Hilferufe aus den Trümmern, verzweifelte Eltern und Anwohner halfen den Rettungskräften.

Neben der Schule stürzten mindestens 43 weitere Gebäude in Mexiko-Stadt ein, darunter komplette Bürogebäude in den zentralen Stadtvierteln Roma und Condesa sowie eine Textilfabrik, in der jedoch wie durch ein Wunder 14 Näherinnen überlebten. Vor den kollabierten Gebäuden wurden handgeschriebene Listen mit den Namen der Geretteten ausgehängt – und auch mit denen identifizierter Opfer.

Auf Videos, die in den sozialen Netzwerken geteilt werden, sind die Szenen des Bebens zu sehen: schwankende Hochhäuser, zusammenstürzende Betonbauten, eine große Explosion, die durch austretendes Gas ausgelöst wurde, eingeknickte Brücken und aufgerissene Straßen. Auch den internationalen Flughafen von Mexiko-Stadt beschädigte das Beben. Der Betrieb wurde ausgesetzt.

Jahrestag des Erdbebens von 1985

Völlig überraschend kam die Katastrophe nicht. Auf den Tag genau vor 32 Jahren, am 19. September 1985, zerstörte ein Beben mit der Stärke 8,0 große Teile Mexiko-Stadts, damals starben rund 10.000 Menschen. Spätestens seitdem weiß man um die Gefahr für die Metropole, in deren Großraum 20 Millionen Menschen leben. Und so entbehrt es nicht einer tragischen Ironie, dass zwei Stunden vor der Erschütterung am Dienstag eine Zivilübung stattfand, mit der die Bevölkerung auf ein Beben vorbereitet werden sollte.

Ausgelöst werden die seismischen Schocks in Mexiko durch eine tektonische Besonderheit: Ein Großteil des Landes liegt auf der nordamerikanischen Erdplatte, die sich westwärts bewegt. Aus der Gegenrichtung schiebt sich die Cocos-Platte darunter, die nordostwärts driftet. So kommt es zu heftigen Zusammenstößen. Schon vor zehn Tagen war ein schweres Erdbeben registriert worden. Dessen Epizentrum lag jedoch im Pazifik. Die Schäden hielten sich in Grenzen.

Vielleicht ist mit dieser mentalen Gewöhnung die enorme Solidarität zu erklären, welche viele Mexikaner jetzt zeigen. Tausende fanden sich schon kurz nach dem Beben an den Unglücksorten ein, um Trümmer zu beseitigen, Blut zu spenden, Medikamente und Wasser zu bringen oder einfach nur, um ihr Telefon zur Verfügung zu stellen. Kliniken öffneten ihre Türen unbürokratisch, ebenso boten Psychologen ihre Hilfe an. Übersetzer stellten sich Touristen zur Verfügung, Taxifahrer machten Gratisfahrten.

Während der chaotisch erscheinenden Aufräumarbeiten wurde immer wieder um Ruhe gebeten, um Hilfeschreie zu orten. Die Zeitschrift „Proceso“ schrieb, dass die Katastrophe das Gute in den Menschen zum Vorschein bringe – und die Versäumnisse der Behörden. Denn warum so viele Gebäude trotz schwerer Auflagen einstürzten, wird zu untersuchen sein.

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