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Carl Wright wurde im Burren, einer gigantischen Karstlandschaft, zum Landschaftsgärtner.

© Hella Kaiser

Gartenreise durch Westirland: Schönheit will wuchern

Unglaublich, was in Irlands Gärten alles an Bäumen hängt und aus der Erde sprießt. Hätte Monet hier gemalt, es wären Meisterwerke entstanden.

Der Mann spricht Klartext. „Dies ist der verrückteste Ort auf der Welt, um einen Garten anzulegen“, sagt Carl Wright. Und steht lächelnd inmitten einer üppigen Pflanzen- und Blütenpracht. Auf 4000 Quadratmetern hat der 58-jährige Ire ein kleines Wunder vollbracht. Hat dem ewig feuchten Klima getrotzt und vor allem dem felsigen Boden. „Tonnen und Tonnen von Erde habe ich herangeschleppt, damit hier überhaupt etwas wachsen konnte“, erzählt Carl.

Denn sein Garten liegt in einem Tal, inmitten der archaisch anmutenden Karstlandschaft des Burren im Westen Irlands. Die Charakteristik des Burren: Dicke Kalkschichten überlagern einander und haben über die Jahrtausende Bergkuppen, Höhlen und kahle Terrassen geformt. Im 17. Jahrhundert, bei der Rückeroberung Irlands, sollen Cromwells Offiziere über die Gegend gesagt haben: „Zu wenig Bäume, um einen aufzuhängen, zu wenig Wasser, um einen zu ersäufen, zu wenig Erde, um einen zu verscharren.“

Carl hatte den Platz an der Caher Bridge, einer uralten Bogenbrücke, 1996 entdeckt. „Ich entdeckte ein verlassenes Cottage mit kaputtem Dach, fast komplett unter Büschen und Gestrüpp begraben“, erinnert er sich. Zwei Jahre dauerte es, bis alles so weit renoviert war, dass er einziehen konnte. Seinen Job in der Tourismusbranche gab er auf und begann sein zweites Leben als Naturgestalter. „Es gibt so viele Gärten, die nicht in die Landschaft passen“, sagt Carl. Er wollte einen, der sich harmonisch einfügte. So säte und pflanzte er nur, was in Irland heimisch ist.

"Man kann hier keine weißen Mauern hinstellen"

„Diese Orchidee etwa“, sagt er und beugt sich zu einer kleinen rosafarbenen Blüte hinunter, die hinter einem Stein hervorlugt. Von den 28 in Irland heimischen Orchideenarten wachsen 24 im Burren. Auch die gelben Wasserlilien sind echte Irinnen. Verführerisch duften die weißen, erstaunlich großen Rosen. Farne in allen nur denkbaren Grünschattierungen dürfen sich – nahezu– ungehindert ausbreiten. „150 verschiedene Farnarten wachsen in Irland“, weiß Carl – und etliche davon eben in seinem Garten. Ganz zu schweigen von all den verschiedenen Flechten, die sich so wohlfühlen in der Feuchtigkeit.

Auf seinem ansteigenden Grundstück, dessen Grenzen zur Landschaft kaum erkennbar sind, hat Carl zahlreiche Steinmäuerchen aufgeschichtet. Aus den Feldsteinen schuf er auch einen Rundbogen, durch den man auf die malerische Brücke draußen schauen kann. Eine geniale Sichtachse, die Joseph Peter Lenné nicht besser hätte kreieren können.

„Der Westen Irlands ist grau“, sagt Carl. Und die Steine in seinem Garten passen dazu. „Man kann hier keine weißen Mauern hinstellen“, findet er. Das klappt nur unter dem knallblauen Himmel in Südeuropa oder Marokko. „Weiße Mauern bei einem grauen Himmel, das funktioniert einfach nicht.“ Aber auch zu viele verschiedene Blumenfarben wären im Burren fehl am Platz. Grün dominiert also, aber pinkfarbene, blaue oder gelbe Blüten dürfen rührend schöne Akzente setzen. Wie viel Kraft müssen diese Pflanzen haben, wenn sie so wenig Sonne brauchen?

Vom Himmel tröpfelt "liquid sunshine" herab

So zart, so blau. Immer wieder blitzt Buntes aus frischem Grün.
So zart, so blau. Immer wieder blitzt Buntes aus frischem Grün.

© Hella Kaiser

Natürlich war Carl auch schon in Monets Garten im französischen Giverny. „Es ist wunderbar dort“, sagt er und preist die verschwenderische bunte Blumenpracht. Aber: Monet sei eben nicht mehr dort. Und so hätte der Garten seine Seele verloren.

Den Caher Bridge Garden kann man sich ohne Carl überhaupt nicht vorstellen. Viele Stunden täglich verbringt er an seinem weitläufigen grünen Arbeitsplatz. So engagiert und geduldig er die kleine Besuchergruppe dort herumgeführt hat, so froh scheint er nun, als sie sich verabschiedet. Und er in Ruhe weiter werkeln kann, hier ein wenig stutzen, dort etwas auszupfen und anderswo neue Erde verteilen.

Eine Gartenreise durch Irland ist so überraschend wie betörend. Unglaublich, was hier alles an Bäumen hängt und aus der Erde sprießt! Neil Lockhart, Chefbotaniker bei der Nationalparkbehörde sagt: „Einzigartig ist, dass in Irland Blütenpflanzen von der iberischen Halbinsel, aus der Arktis oder sogar aus Nordamerika fröhlich nebeneinander wachsen.“

International geht es zweifellos zu im Riesenreich von Lorna McMahon. Denn High Rock Gardens in Oranswell nahe Galway ist nicht einfach ein Garten. Es ist ein über die vergangenen 40 Jahre gewachsenes Areal, in dem sich Besucher leicht verlieren können. 20 000 Quadratmeter Fläche gehören dazu, durch die verschlungene Pfade führen. Das Ganze ist in 17 verschiedene Sektionen unterteilt. Und damit man keine verpasst, gibt Lorna den Besuchern sogar einen Flyer mit einer „empfohlenen Route“ mit.

Hat man den Regen nicht gründlich satt?

Zwei Stunden mindestens muss man hier einplanen. Offene, lichte Bereiche gibt es, liebevoll angelegte Kräuterbeete, einen großen Teich und sogar einen dschungelartigen Wald. In dem ist man sicher, wenn mal wieder „liquid sunshine“, (flüssige Sonne) herabtröpfelt. „Hier in Westirland haben wir im Durchschnitt 70 Millimeter Niederschlag in einem Sommermonat“, sagt Lorna seufzend. In Dublin wären es nicht mal halb so viel. Dazu blase oft ein starker Wind. Lornas Pflanzen trotzen dem herausfordernden Klima. „Irgendwie halten sie es aus“, sagt die Gärtnerin und blickt zufrieden auf ihre Schützlinge. Sie macht Kompromisse. „Was in einem Jahr nicht gedeiht, schafft es vielleicht im Jahr darauf.“

Man nimmt Lorna ihre 78 Jahre nicht ab. Gärtnern hält wohl jung. Fast mädchenhaft wirkt sie, während sie neben einem der zahlreichen Felsbrocken in ihrem grünen Reich steht. Woanders hätte man wohl viele dieser Steine zu entfernen versucht, Lorna aber setzt die Brocken wie Kunstwerke in Szene. Glatt und blank werden sie in diesem feinen irischen Regen. Hat Lorna die so häufig niedergehenden Tropfen nicht gründlich satt? „Manchmal träume ich von einem Garten in Südfrankreich“, gibt sie zu. Und schüttelt gleich darauf lächelnd den Kopf. „Was wäre gewonnen? Dort hätte ich dann eben mit Trockenheit zu kämpfen.“

Während sich die Pflanzen in Lornas Garten frei entfalten dürfen, gelten für jene in einem viktorianischen Mauergarten strenge Regeln. Erst recht in Kylemore Abbey, einem Ensemble aus Schloss und Abtei. Der dazugehörige Garten mit Rabatten und Spalierbäumen wurde 1867 mitten im Torfmoor angelegt. 21 Gewächshäuser gab es mal in dem rund zweieinhalb Hektar großen Areal. Zwei davon wurden restauriert, auch das Haus des einstigen Chefgärtners. Inzwischen beherbergt es ein kleines Museum.

„Was ich suche, steht in alten Büchern“

Steinkunst. Durch diesen Bogen in Carls Garten blickt man auf eine alte Brücke.
Steinkunst. Durch diesen Bogen in Carls Garten blickt man auf eine alte Brücke.

© Hella Kaiser

Anja Gohlke ist ganz froh, dass sie hier nicht wohnen muss, so zentral am Arbeitsplatz. Denn seit einiger Zeit ist die Berlinerin „Head Gardener“. Acht festangestellte Gärtner stehen der Chefin zur Seite, dazu einige Praktikanten. Es ist ja jede Menge zu tun. Jahr für Jahr werden 50 000 Samen ausgesät und beständig Pflanzen gesetzt. Der Garten soll von April bis Oktober eine Augenweide sein. Das Besondere: Nur Sorten, die es bereits vor 1901 gab, sollen hier wachsen.

1901, das war das Todesjahr von Königin Victoria. Welche Pflanzen und Blumen dürfen also in die Erde von Kylemore? Anja muss das mühsam recherchieren. In alten Bibliotheksbüchern aus dem 18. Jahrhundert wird sie fündig, „die Suche im Internet bringt gar nichts“, sagt sie. Eine einzige Sorte Petunien ist für die Zeit vor 1901 belegt. „Wenn die dann wegen schlechten Wetters eingehen, haben wir ein Problem“, sagt die Berlinerin.

Manchmal haben Besucher Mitleid mit ihr

Sie könnte auch bei den „Irish Seed Savers“ fündig werden. 1991 wurde die Organisation ins Leben gerufen, um Irlands Pflanzenerbe zu schützen. Fast vergessene Gemüsesorten werden hier kultiviert, 80 wilde Apfelsorten gehegt, Kräuter gezogen. 15 Personen sind in dieser Non-profit-Organisation beschäftigt. Felice Rae ist eine von ihnen. „Ich liebe die Natur und bin so glücklich, dass ich hier arbeiten darf“, sagt sie. „Es ist ein Ort der Hoffnung in einer Welt voller mit Lügen und Fake News“, fügt sie hinzu.

Manchmal hätten Besucher allerdings Mitleid mit ihr, weil sie aufgrund des Regens doch wohl oft pitschenass werde bei der Arbeit. Felice lacht triumphierend. „Wenn mal die Sonne rauskommt, bin ich schon draußen, während andere, in ihren Büros eingesperrt, gar nichts von ihr merken.“

Bei einer Gartenreise ist man viel draußen. Und staunt, wie oft die Sonne dann doch durch die grauen Wolken blinzelt. Wie genial sie die Tropfen auf Blüten und Blättern zum Glitzern bringt. Hätte Monet hier gemalt, es wären Meisterwerke entstanden. Vielleicht noch schönere als in Giverny.

Tipps für Gartenreisen in Westirland

ANREISE

Nach Dublin kommt man nonstop mit Aer Lingus von Berlin-Tegel oder mit Ryanair von Schönefeld.

KLIMA

Mai/Juni und September/Oktober sind relativ beständig, im Juli und August kann es häufiger regnen.

ÜBERNACHTUNG

Traumhaft und ruhig in der Karstlandschaft des Burren gelegen: Gregans Castle Hotel, Ballyvaughan, DZ ab 270 Euro. Internet: gregans.ie

Zetland Country House Hotel, schönes Landhaus mit Pub, DZ 80 Euro, Cashel, Connemara, Internet: zetland.com

DIE GÄRTEN

Caher Bridge Garden, Fanore, County Clare, Kontakt: Carl Wright, Internet: discoverireland.ie/Arts-Culture-Heritage/caher-bridge-garden

High Rock Gardens, Kontakt: Lorna McMahon, Oranswell, Bushypark, Galway. Internet: ireland-guide.com/gardens/ardcarraig.7123.html

Kylemore Abbey & Vicorian Walled Garden, Connemara, Letterfrack, im Internet: kylemoreabbey.com

Irish Seed Savers Association, viele Pflanzen und Samen im Verkauf, Capparoe, Scarriff, County Clare (irishseedsavers.ie)

AUSKUNFT

Irland Information im Internet: ireland.com

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