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Groß, größer, Melchisedech. Michel Drappier wuchtet eine 30-Liter-Schampusflasche.

© Dagmar Krappe

Frankreich: Cuvée Collection Charles de Gaulle

Der ehemalige französische Staatspräsident wohnte privat an der „Champagner-Straße“.

Was macht Michel Drappier, wenn er nicht gerade die Figur in einem Kriminalroman abgibt? Genau das, was er auch in „Der Champagner-Fonds“, einem Werk des Berliner Autors Paul Grote, tut. Er produziert Champagner in seiner Kellerei in Urville in der französischen Region Côte des Bar.

Um 1152 ließ der Zisterziensermönch Bernard de Clairvaux die Keller anlegen, in denen heute die Champagnerflaschen des Hauses Drappier lagern. Vom Quart oder Piccolo über die Magnum- (1,5 Liter), Balthazar- (12 Liter) bis zur Melchisedech-Flasche (30 Liter). Seit 1808 gibt es das Champagnerhaus Drappier. 55 Hektar eigene und 40 Hektar gepachtete Weinhänge bewirtschaftet die Familie inzwischen in der siebten Generation.

„Für die Herstellung von Champagner werden nur drei Rebsorten in unterschiedlicher Zusammensetzung verwendet“, erklärt Michel Drappier während seiner Führung durch die Crayères. Klamm ist es in den Kreidestollen. Die Temperatur beträgt 12 bis 14 Grad. Ein paar Glühbirnen werfen ein rötliches Licht auf die schwarz-feuchten Wände. Tausende Flaschen des prickelnden Getränks warten in den Labyrinthen darauf, degorgiert (Entfernen des Hefepfropfens) zu werden.

Auf Schiefertafeln sind die Daten der hier ruhenden Champagner vermerkt. „Die Rotweintraube Pinot Noir (Spätburgunder) gibt dem Wein die Fülle, Pinot Meunier (Schwarzriesling oder Müllerrebe) die Fruchtigkeit und die Weißweintraube Chardonnay die Finesse“, erzählt der Weinbauer. Nur wenige Produzenten wie Drappier verwenden auch noch ein paar alte Traubensorten wie Arbane oder Petit Meslier. Zu 70 Prozent verarbeitet das Haus Pinot-Noir-Trauben. Auch General Charles de Gaulle kaufte gern bei Drappier. Stolz zeigt Michel eine eingerahmte Rechnung des legendären Staatsmannes.

In den langen Gängen stehen Rüttelpulte, in denen Magnumflaschen stecken. „Ein schwäbischer Kellermeister namens Anton von Müller erfand 1813 das Rüttelverfahren für die Flaschengärung, damit sich die Hefe im Flaschenhals sammeln kann“, erklärt Drappier. „Die Normalgröße von 0,75 Litern wird heute elektrisch gerüttelt. Dazu stehen die Flaschen in Drahtkäfigen, den Gyropaletten. Sie werden so lange gedreht und schräggestellt, bis die Flaschen auf dem Kopf stehen.“ Ab der 1,5-Liter-Flasche wird immer noch per Hand gearbeitet. „Ein guter Rüttler schafft 50 000 Flaschen am Tag“, weiß der Winzer und demonstriert das Drehen an mehreren Magnumflaschen: „Das ist die richtige Größe für zwei, wenn Madame nicht trinkt“, sagt er und grinst.

Die Altstadt von Troyes sieht wie ein Champagnerkorken aus

Erinnerung an den General.
Erinnerung an den General.

© Dagmar Krappe

Charles de Gaulle hatte seinen Landsitz an der „Route de Champagne“ 1934 erworben. „Seine jüngste Tochter Anne litt am Down-Syndrom und sollte sich hier freier entfalten können als in Paris“, berichtet Museumsführerin Françoise Harant. „Im Keller des Gebäudes wurde früher Bier gebraut, deshalb der Name ,La Boisserie‘.“ Das Gebäude wird weiterhin von den Nachfahren genutzt. Nur wenige Räume sind für Besucher zugänglich. „Sein Büro durfte schon damals niemand betreten“, sagt Harant, und das sei noch heute so. „Nur seiner Frau Yvonne war es erlaubt, dort Staub zu wischen.“

Vom Park des Anwesens haben Besucher den Blick auf die 2008 von Angela Merkel und Nicolas Sarkozy eingeweihte Gedenkstätte „Charles de Gaulle“, hinter der sich ein 44 Meter hohes Lothringer Kreuz in den Himmel reckt. Das Museum zeigt in französischer, englischer und deutscher Sprache die Geschichte Frankreichs und die Entwicklung der deutsch-französischen Freundschaft ab September 1958. Konrad Adenauer war bis zum Tod de Gaulles 1970 der einzige Staatsmann, der je auf dem Landsitz zu Gast war.

In der Champagne leben und lebten nicht nur Weinproduzenten und Staatsmänner, sondern auch Künstler und Philosophen. Im Jahre 2010 eröffnete in Essoyes ein Museum zur Familie des Künstlers Pierre-August Renoir. 1896 erwarb der Impressionist ein Haus im Geburtsort seiner Frau Aline Charigot, das heute im Besitz seiner Enkelin ist. Garten und Atelier können besichtigt werden. Das Ehepaar Renoir und seine drei Söhne ruhen auf dem Friedhof in der Nähe des Ateliers.

Langres, die Festungsstadt, thront 130 Meter über den umliegenden Tälern und ist von einer dreieinhalb Kilometer langen, begehbaren Befestigungsmauer aus dem 14. Jahrhundert umgeben. Ihr berühmtester Sohn ist der Philosoph, Schriftsteller und Theaterkritiker Denis Diderot. „Zum Ärger seines Vaters wurde er weder Messerschmied noch Kanoniker, sondern studierte in Paris Philosophie und Theologie“, sagt Stadtführerin Marjorie Beauer.

20 Jahre lang widmete er sich als Koautor seinem Lebenswerk – einer Enzyklopädie. Das Werk fand großen Zuspruch, der Kirche hingegen war es wegen verschiedener Äußerungen ein Dorn im Auge. 1884 wurde zum 100-jährigen Todestag Diderots in der Nähe seines Geburtshauses und des Cafés de Foy von 1792 ein Monument enthüllt. Geschaffen von Frédéric Auguste Bartholdi, dem Erbauer der New Yorker Freiheitsstatue. „Es war ein Skandal“, meint Beauer. „Diderot dreht der Kathedrale Saint Mammès den Rücken zu, und die Bücher liegen zu seinen Füßen.“

Die letzte Station auf der Champagnerroute ist Troyes. Auf dem Stadtplan sieht die Altstadt wie ein Champagnerkorken aus. Das Zentrum war einst von einer Stadtmauer begrenzt, die längst breiten Boulevards gewichen ist. Nicht prominente Einwohner, sondern die Textilindustrie, zehn Kirchen und imposante Holz- und Fachwerkhäuser haben die Stadt berühmt gemacht. In der Destillerie Saint Pierre gegenüber der St.-Peter- und Paul-Kathedrale bereitet Önologe Alexandre nicht Champagner, sondern seinen Schlehen-Cognac „Prunelle de Troyes“, den es in dem Ort bereits seit 1840 gibt. Ob der General jemals davon gekostet hat, ist leider nicht überliefert.

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