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Kolos mit Geschichte. 50 Tonnen wiegt dieser bemooste Findling im Boitzenburger Wald. Die von Arnims trafen sich hier einst, um Verlobungen zu feiern.

© Ulrike Wiebrecht

Wandern in der Uckermark: Boitzenburg im Doppelpack

Rund um das Uckermarkstädtchen führen zwei Wanderwege, einer länger, einer kürzer. Doch beide haben ihren Reiz.

Wenn ein Paar heute heiratet, hat es meist schon eine Weile zusammengelebt und ausprobiert, ob die Beziehung funktioniert. Ganz anders in früheren Zeiten. Da verlobte man sich, bevor man sich endgültig das Jawort gab. Und beging das Versprechen für die künftige Ehe mit einer Zeremonie. Die von Arnims in der Uckermark feierten dies auf eine besonders originelle Weise: mit einem sechs Meter langen und fünfzig Tonnen schweren Findling, den sie im Wald von Boitzenburg freilegen ließen – als Sinnbild unverbrüchlicher Liebe.

„Wollt ihr im Leben glücklich sein? So trefft euch am Verlobungsstein. Und wie der Ring den Stein umschlingt/Seid beide ihr dann auch beringt/So tief und fest wie dieser Stein,/wird später eure Liebe sein“, prophezeien die Verse, die auf einem Schild neben dem Koloss stehen. Ob er den Paaren geholfen hat? Ob ihre Liebe tatsächlich gehalten hat? Der Verlobungsstein hat in jedem Fall die Zeit überdauert. Von Moos überwachsen ragt er wie ein Dickhäuter aus prähistorischer Zeit aus der Waldlandschaft und ist heute markante Station auf dem Wanderweg „Doppelter Boitzenburger“.

2009 vom „Wandermagazin“ zum schönsten Wanderweg in der Kategorie Tagestour gekürt, ist er gespickt mit Kuriositäten. Wobei das nicht für die gesamte Strecke gilt. Ohnehin ist sie mit über 26 Kilometer als Tagestour nur wirklich Trainierten zu empfehlen.

Großer oder Kleiner Boitzenburger?

Doch wie der Name schon sagt, besteht sie aus einem doppelten Wanderangebot, dem Kleinen und dem Großen Boitzenburger, die sich unabhängig voneinander bewältigen lassen und auch auf zwei Tage verteilt werden können. Wer es gemütlich angehen lässt, wählt den kürzeren, etwa zehn Kilometer langen Weg. Wie eine Acht windet er sich um Boitzenburg und ist in drei Stunden so gut zu schaffen, dass genügend Zeit für Besichtigungen, zum Baden oder zur Einkehr bleibt, etwa in der Mocca Milch Eisbar.

Für den Großen Boitzenburger (etwa 20 Kilometer) sollte man schon sechs Stunden ansetzen. Vor die Entscheidung gestellt, welche Tour es sein soll, werden ernsthafte Wanderer wahrscheinlich den Großen Boitzenburger wählen. Der sicher das intensivere Wanderlebnis birgt. Oder nicht? „Nein, ganz und gar nicht“, sagt Carsten Frerich vom Landgasthof „Zum grünen Baum“. „Wenn Sie nur eine der Touren machen wollen, würde ich Ihnen den Kleinen Boitzenburger empfehlen.“ Der sei viel interessanter, weil man dabei Architekturjuwele passiere.

Etwas skeptisch befolgen wir den Rat des Ortskundigen und machen uns auf den Weg. Erste Station ist die Klostermühle, die schon 1271 dafür sorgte, dass die Mönche Mehl zum Brotbacken bekamen. Später bescherte sie dem Ort elektrisches Licht. Heute ist sie ein funktionierendes technisches Denkmal. Zu besichtigen ist auch die historische Müllerwohnung von Willi Witte.

Der Apollo-Tempel lockt

Die Klostermühle, längst technisches Denkmal, funktionierte schon 1271.
Die Klostermühle, längst technisches Denkmal, funktionierte schon 1271.

© Ulrike Wiebrecht

Vom einstigen Kloster hat sich indes nur noch die Ruine erhalten. Erhaben ragt sie zwischen mächtigen Eichen empor. Ursprünglich lebten hier Zisterziensernonnen. Nach der Reformation übernahm dann Landvoigt von Arnim die Besitztümer. Wie so manches in der Gegend. Der Adelsdynastie begegnet man auf Schritt und Tritt. Nicht nur im Ort mit dem bombastischen Schloss, sondern auch im herrschaftlichen Jagdgebiet der Adelsfamilie mit dem Carolinenhain, benannt nach Anna Caroline von der Schulenburg, Gattin des Grafen von Arnim. Dichter Laubwald mit bis zu 900 Jahre alten Eichen, Buchen und Linden wächst hier, nicht nur ein Bach schlängelt sich hindurch, Libellen tanzen über dem glasklaren Schumellensee.

Nachdem wir den Verlobungsstein passiert haben, taucht die Erbbegräbnisstätte derer von Arnim auf. Steinerne Löwen flankieren die Treppe, die zu der halbkreisförmigen Anlage im neoromanischen Stil hinaufführt. 1887 von Dietloff Friedrich Graf von Arnim begonnen, fanden hier mehrere Generationen die letzte Ruhe – das jüngste Grab ist aus dem Jahr 2005. Auf der anderen Seite des Weges lockt uns kurz darauf der Apollo-Tempel, der von den von Arnims für Hochzeiten genutzt wurde. Nun bietet sich von dem 1855 erbauten Rundtempel aus ein fantastischer Blick auf Boitzenburg und Umgebung.

Die nächste Sehenswürdigkeit, die wir nach der Fasanenbrücke erreichen, hat allerdings die Natur beigesteuert: die sogenannte Baumehe in Form von zwei ineinander verschlungenen Stämmen einer Eiche und einer Buche. „Hier steht ja wirklich alles im Zeichen der Zweisamkeit“, sagt schmunzelnd ein einsamer Wanderer, der hier eine Verschnaufpause einlegt.

Mit dem Schloss blüht das ganze Dorf auf

Architektonischer Höhepunkt des „Kleinen Boitzenburgers“ ist schließlich das Schloss mit dem von Lenné gestalteten Landschaftspark am Amtsteich. 1276 als Wasserburg errichtet und später von den von Arnims zu einem der prächtigsten Adelssitze im Stil der Neorenaissance ausgebaut, wird es mit seinen verspielten Giebelchen und Türmchen oft auch als „Neuschwanstein des Nordens“ bezeichnet. Aber: Ist es nicht viel zu groß und pompös für das beschauliche Uckermark-Dorf? „Mag sein, aber inzwischen hat es sich als Kinder- und Familienhotel bewährt und ist mit seinem Rittersaal auch bei Hochzeitspaaren sehr beliebt“, erzählt ein Anwohner.

Mit dem Schloss blüht auch das ganze Dorf immer weiter auf. Nach der Kirche St. Marien hat der Marstall, wo die Grafen von Arnim einst ihre Pferde unterstellten, den Grauschleier abgelegt und sich in ein Erlebniscafé mit Schokoladenmanufaktur verwandelt.

Gleich nebenan hat ein mutiges Paar den 250 Jahre alten Landgasthof „Zum grünen Baum“ wiedererweckt. Zugegeben, von außen ist er noch nicht sehr ansehnlich. Umso wohnlicher sind die Innenräume, die mit Filmabenden, Gästezimmern und vor allem guter regionaler Küche locken. Besondere Spezialität ist der Boitzen-Burger, der sich auch in vegetarischer Form als überaus nahrhaft erweist.

Immer auf die Richtung achten

Tags drauf sind wir gespannt auf den angeblich weniger interessanten Großen Boitzenburger. Gewiss, anstelle von Kulturlandschaft stellt er mit seinen knapp 20 Kilometern und diversen Steigungen vor allem eine sportliche Herausforderung dar.

Doch er verspricht auch jede Menge Naturgenuss. Zwischen ausgedehnten Kiefernwäldern und der hügeligen Endmoränenlandschaft der Zerweliner Heide schweift der Blick über Felder und Weiden. Die einzelnen Etappen markieren kleine Weiler wie Zerwelin. Oder Berkholz mit seiner hübschen Feldsteinkirche. Genau auf halber Strecke bietet sich der Landgasthof Kokurin am Naugartener See zur Einkehr an.

Doch aufgepasst: Hier weist die ansonsten vorbildliche Ausschilderung in die falsche Richtung. Fast hätten wir es nicht gemerkt. Und aus dem doppelten wäre womöglich der dreifache Boitzenburger geworden!

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