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Dubai? Nein, Barcelona. Auch die Spanier können spektakulär bauen.

© dpa

Barcelona: Stil ist oben

Barcelona wird von Billigtouristen heimgesucht. Die Stadt will andere Gäste – und ließ eine glänzende Luxusherberge bauen.

Ein Knopfdruck, und der Vorhang geht auf: Direkt vor dem Bett eröffnet er das Schauspiel, das Barcelona heißt. Der Strand der Barceloneta, die Türme am Olympiahafen, das Mittelmeer. Und über allem der Himmel, an dem hin und wieder ein paar Wolken vorüberziehen. Was immer wir in unserem Fabulous Room im 22. Stock des W-Hotels tun, ob wir in der Panoramadusche stehen, uns die Haare föhnen oder an einem der Drinks nippen, die man sich dank des bereitstehen Shakers mixen kann – immer liegt uns die katalanische Millionenstadt zu Füßen. Grandios sind auch die Rezepturen von Starkoch Carles Abellán, die man im „Restaurant Bravo24“ bestellen kann. Überhaupt geht es hier in jeder Beziehung hoch hinauf: Die „Eclipse“-Lounge im 26. Stock soll bei Electronic- oder House-Klängen britischer DJs Reiche, Schöne und jede Menge Schaulustige in Fiesta-Laune bringen.

Das Haus ist der erste europäische Ableger der zur amerikanischen Arabella Starwood gehörenden Hotelperlen, die für Lifestyle, Design und herausragenden Service stehen. Im Brautkleid per Hubschrauber zum Traualtar? Eine Geburtstagsfeier in 10 000 Meter Höhe? Alles, so suggeriert Starwood, kann organisiert werden.

Das W Barcelona versteht sich als neues Flaggschiff der Hotellandschaft der Mittelmeermetropole. Schon von Weitem sichtbar ist das 110 Meter hohe Gebäude des katalanischen Architekten Ricard Bofill, das die Barcelonesen aufgrund der Form einfach „El Vela“ – das Segel – nennen. Über einige Jahre hinweg wurde dafür Sand an der Hafenmole aufgeschüttet. Unzählige Lkw-Ladungen trugen dazu bei, dem Meer das erforderliche Stück Land abzutrotzen.

Wäre der Investor ein Privatmann oder eine Firma gewesen, es wäre ihm nie gelungen, so ein Projekt gegen die Behörden durchzusetzen. Dagegen sprechen nicht nur ökologische Gesichtspunkte. Vor allem verstößt es gegen die Ley de Costas, das spanische Küstengesetz von 1988, demzufolge eine hundert Meter lange Schutzzone am Meeresufer unverbaut bleiben muss. Zahlreiche Restaurants mussten in den neunziger Jahren dem Gesetz weichen. Aber die Hafenbehörde, die Besitzer des Gebäudes ist, setzte sich durch. Noch zur Eröffnung gab es wütende Proteste. „Das Gebäude ist visuelle Umweltverschmutzung und verkörpert die Immobilienblase, die die Mieten in der Altstadt in die Höhe getrieben hat“, protestierte eine der Aktivistinnen, die im vergangenen Oktober versuchten, dem Hotel vom Land und vom Wasser aus zu Leibe zu rücken.

Inzwischen sind sie verstummt. Ebenso wie die Stimmen der Surfer, die sich eine Zeit lang darüber beschwerten, das Hotelmonsterhabe ihnen Wind und damit Wellen weggenommen. Die einen haben resigniert, weil sie offensichtlich nichts ausrichten können, die Anwohner haben sich anscheinend mehr oder weniger mit dem Fremdkörper an ihrer Seite versöhnt – in der Hoffnung, dass in ihren Bars, Restaurants und Geschäften etwas vom Geld der neuen Touristen hängen bleibt und ein gewisser Glanz auf das traditionelle Viertel der kleinen Leute und Immigranten abstrahlt.

Derzeit machen es sich junge Paare, Familien oder Großstadtbohemiens aus England oder Übersee in dem Luxushotel bequem, in dem es ausgesprochen zwanglos zugeht. Während sie in der Lobby-Lounge an ihren aufgeklappten Laptops sitzen, sehen sie nicht unbedingt aus, als würden sie mehrere hundert Euro pro Nacht hinblättern, die den offiziellen Tarifen entsprechen. Vielmehr dürften viele von den geradezu ruinösen Dumpingpreisen profitieren, die Hotelbuchungsportale anbieten. Seitdem in Spanien die Krise zugeschlagen hat, befinden sich auch die Hotelpreise in Barcelona im freien Fall. Derzeit ist ein Zimmer mit Vier-Sterne-Komfort für weniger als fünfzig Euro zu finden.

Da mag Barcelona ruhig ein bisschen Dubai spielen – die Ähnlichkeiten des W-Hotels mit dem „Burj al Arab“ sind schließlich unverkennbar – , die Touristen haben mit denen der Golfregion rein gar nichts zu tun. In den Nobelherbergen mögen Geschäftsreisende, Messebesucher und Luxusreisende noch Geld lassen. Anderswo ist der Stadt indessen anzusehen, dass sie schon mal ein solventeres und erlauchteres Publikum begrüßen konnte.

Es genügt ein Gang über die Rambla, die Flaniermeile, die von der Plaça Catalunya zum Hafen hinunterführt. Vielgerühmt ob der schattigen Platanen, der liebenswerten Blumen- und Vogelstände neben den Zeitungskiosken, schiebt sich heute ein internationaler Mix aus feierlustigen Fußballtrikot-Trägern und zweifelhaften Schönheiten in zu engen Shorts und Tops am altehrwürdigen Opernhaus, an Gauklern und allen möglichen Selbstdarstellern vorbei. Viele dieser Touristen haben eine Bierflasche in der Hand oder einen Tetrapak mit Wein. Oft sind sie nur für 24 Stunden hier, machen die Nacht durch und steigen am frühen Morgen, ohne ein Hotel oder eine Pension betreten zu haben, wieder in den Billigflieger. Die Laden- und Barbesitzer – die ihrerseits oft genug ihr Geschäft mit überteuertem Fastfood und Ramschartikeln machen – dürfen dann am Morgen die Überbleibsel der vergangenen Nacht beseitigen.

„Die Rambla ist zum Albtraum geworden“, schrieb der honorige Journalist Joan de Sagarra kürzlich in der Tageszeitung „La Vanguardia“ und erzählt von zwei jungen Männern, von denen der eine vor ihm seinen Magen entleerte, der andere seine Blase. Andere berichten von Taschendieben oder Prostituierten. „Huren hat es hier immer gegeben, aber das waren Frauen, die durch irgendein Problem in diese Lage kamen. Heute ist dagegen alles heruntergekommen“, empört sich Apothekerin María Victoria Aguilar und setzt sich mit einer Nachbarschaftsinitiative für mehr Sicherheit und Sauberkeit ein. „Wir brauchen den Tourismus, aber nicht um jeden Preis“, heißt es in ihrem Manifest bezüglich des Ballermann-Publikums, das die Metropole nun heimsucht. Doch wen wundert’s? Lange hat Barcelona mit dem Party-Image Jagd auf vergnügungssüchtige Besucher gemacht. Nun wird die Stadt die Geister, die sie rief, so schnell nicht mehr los.

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ANREISE

Mit Air Berlin (ab Tegel) und Easyjet

(ab Schönefeld) geht es nonstop nach Barcelona. Der Ticketpreis ist stark abhängig vom Reisezeitraum. Für Mitte Mai fanden wir mit 183,98 Euro (inklusive ein Gepäckstück) den günstigsten Preis bei Easyjet, 259,90 Euro kostet es bei Air Berlin. Deutlich preiswerter wird es, wenn man jetzt etwa für den Herbst bucht. Es kann sich auch lohnen, auf den Internetseiten der Fluggesellschaften nach sogenannten Specials Ausschau zu halten.

Bei Flugbuchungen generell muss man derzeit wieder beachten, dass die Airlines Kerosinzuschläge nehmen.

DAS HOTEL

Ein Doppelzimmer im W Barcelona (Plaça Rosa dels Vents 1, Telefon: 00 34 / 932 95 28 00, Internet:

starwoodhotels.com) kostet offiziell ab 285 Euro. Doch über Hotelbuchungsportale lassen sich im Internet auch wesentlich günstigere Angebote finden. Der Eclipse-Club steht – ebenso wie das Restaurant Bravo24 – auch Nicht-Hotelgästen offen. Besonders schön ist es hier bei Sonnenuntergang.

ESSEN UND TRINKEN

Unweit des Hotels liegt das Hafenviertel Barceloneta, wo es viele einfache, aber gute Tapas- und Fischlokale gibt. Carles Abellán empfiehlt vor allem das Vaso de Oro (Balboa 7, die Telefonnummer lautet: 00 34/ 933 193 098).

REISEFÜHRER

Dorothea Maßmann: Barcelona. Mit Szene-Guide. Reihe Marco Polo, Oktober 2009, 9,95 Euro

AUSKUNFT

Tourespaña, Telefon: 018 03 / 00 26 47

(kostenpflichtig), Internet: spain.info

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