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Hoorische, so heißen die eigenwillig geformten Kartoffelklöße. Foto: dpa

© picture alliance / dpa-tmn

Saarland: Haute Cuisine – auch für Franzosen

Kaum eine andere deutsche Region hat so viele Spitzenrestaurants wie das Saarland. Dabei existieren herzhafte Hausmannskost und raffinierte Sterneküche nebeneinander.

Herzhafte Hausmannskost und raffinierte Sterneküche – auf den ersten Blick gibt es wohl kaum größere kulinarische Gegensätze. Im Saarland existiert beides gleichberechtigt nebeneinander: Traditionelle Gerichte der Region wie Dibbelabbes oder Hoorische finden bei den in Essensdingen ohnehin sehr begeisterungsfähigen Saarländern ebenso Anklang wie die Kreationen der vielen experimentierfreudigen Sterneköche. In manchem Spitzenrestaurant schlägt der Chef de Cuisine sogar die Brücke und kocht raffiniert mit typisch saarländischer Note.

Kaum eine andere Region in Deutschland kann so viele gute Restaurants vorweisen wie das Saarland. Viele Spitzenrestaurants finden sich auf den vorderen Plätzen der einschlägigen Gourmetführer. Und auch die gutbürgerliche Küche kann sich sehen lassen, wie Susanne Renk von der Tourismus Zentrale Saarland hervorhebt: „Man kann im Saarland flächendeckend gut und günstig essen.“ Das liegt sicherlich mit daran, dass Restaurantbetreiber hier beste Voraussetzungen vorfinden. „Die Saarländer essen per se gerne“, erläutert Renk. Nicht umsonst lautet ein häufig benutztes Sprichwort in der Region „Hauptsach, gudd gess!“ - Hauptsache, man hat gut gegessen. Dabei hat die traditionelle Küche im Saarland einen Ursprung, der so gar nichts mit Haute Cuisine zu tun hat.

Sie hat sich laut Susanne Renk aus der traditionellen Bergmannskost entwickelt – und äußeren Zwängen, mit denen sich die Leute früher konfrontiert sahen. „Man musste mit einfachen Mitteln, die damals zur Verfügung standen, Mahlzeiten zubereiten, die nahrhaft waren und gut schmeckten“, erzählt Renk. Als einfach und deftig beschreibt auch Lothar Bungert vom Verband der Köche West die traditionelle Küche der Region: „Es musste einfach sein und vorhalten.“ Wichtigstes Nahrungsmittel war daher die Grumbeere, wie die Kartoffel hier genannt wird: Sie ließ sich leicht und günstig anbauen.

Auch heute sind daher in der regionalen Küche vor allem reichhaltige Kartoffelgerichte zu finden. Dibbelabbes, ein Kartoffelauflauf mit Speckwürfeln, ist eines von ihnen. Dazu werden Kartoffeln fein gerieben und in einem Geschirrtuch fest ausgedrückt, erläutert Renk. Dürrfleisch wird mit Lauch knusprig gebraten, die Masse dann zu den Kartoffeln gegeben. Eier, Salz, Pfeffer und Muskat werden untergerührt. Danach wird alles in einem Bräter unter Wenden kräftig gebraten, so dass viele Krüstchen entstehen.

„Das ist ein sehr herzhaftes und sättigendes Gericht.“ Hoorische sind längliche Kartoffelklöße, die mit Specksoße und Sauerkraut oder Salat serviert werden. Von einem Kilo Kartoffeln werden nach Bungerts Rezept 600 Gramm gerieben und eine Weile stehen gelassen, damit sich die Stärke absetzt. Die restlichen Kartoffeln werden als Salzkartoffeln gegart, anschließend gepresst und mit zwei Eiern und etwas Salz zu den geriebenen Kartoffeln gegeben. Die Masse dann zu länglichen Klößen formen und in Salzwasser garen. Ihren Namen erhielten die Klöße, weil sie außen uneben und „haarig“ aussehen, erzählt der Küchenmeister. „Sie schmecken allein oder auch zu Wild.“ Gefildde heißt eine weitere Kartoffelkloß-Variante, die laut Renk mit Leber- oder Fleischwurst gefüllt und gekocht wird. „Das ergibt einen fleischdurchzogenen Geschmack.“

Selbst die Spitzengastronomie des Saarlands setzt auf Regionales. Viele Küchenchefs verwenden ausschließlich Schweine-, Rind- und Lammfleisch sowie Gemüse regionaler Herkunft. Manche Köche setzen auch bewusst Hausmannskost wie Dibbelabbes und Hoorische auf die Karte. „Wir mischen da Gutes mit Traditionellem“, sagt Bungert.

„Die Traditionsküche kann natürlich den Sternebereich beeinflussen“, bestätigt Jörg Glauben, Sternekoch im Saarland-nahen Zweibrücken (Rheinland-Pfalz) und gebürtiger Saarländer. Außerdem habe die Sterneküche heute mehr Freiräume, traditionelle Dinge neu zu interpretieren. Er könnte sich zum Beispiel vorstellen, Knödel in feinerer Form zu servieren und sie „mit einem Augenzwinkern mit einem Hummer zu verheiraten“. Ebenso lasse sich ursprünglich deftige Gefildde statt mit Leberwurst mit Gänsestopfleber füllen und mit einer eleganten Schmelze mit Pinienkernen und Trüffeln kombinieren.

„Das kommt sehr gut an“, berichtet Glauben, der Küchenchef im Restaurant Tschifflik in Zweibrücken ist. „Die Gäste haben gerne auch mal einen rustikalen Einwurf in der Küche.“ Warum sich heute gerade im Saarland so viele Spitzenrestaurants finden, liegt laut Susanne Renk an der Grenznähe zu Frankreich. Die französische Kultur und Lebensart habe schon immer einen starken Einfluss auf die saarländische Küche gehabt. „Es gibt bei uns die Tradition, zum Nachbarn zu schauen“, bestätigt Glauben. Vieles haben sich die Saarländer dabei in französischen Küchen abgeguckt.

In Frankreich habe man schon früh einen höheren Qualitätsanspruch an Nahrungsmittel und Essen gehabt, ergänzt Ernst-Ulrich Schassberger von der Eurotoques-Stiftung Kulinarisches Erbe Europas. Das färbte offenbar ab – so sehr, dass inzwischen nicht mehr nur Saarländer zum guten Essen nach Frankreich fahren, sondern auch viele Franzosen aus demselben Grund ins Saarland kommen.(dpa)

Felix Rehwald

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