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Auf der Reise in die Zukunft. In Amsterdam macht sich die Jeansbranche Gedanken über ihr Produkt. Diese sind von Levi´s und sehen recht klassisch aus.

© promo

Mode: Zu Besuch bei den Denim Days: Amsterdam macht Blau

In keiner europäischen Stadt sind Jeans so allgegenwärtig: Jeder trägt sie, immer. Und einmal im Jahr kommt die Fachwelt hier zu den Denim Days – um das Geschäft sauberer zu machen.

In Amsterdam ist eigentlich immer Casual Friday. In dieser entspannten Stadt trägt jeder Jeans. Deshalb fällt es auch fast gar nicht auf, dass hier gerade die Denim Days stattfinden. Aber einmal im Jahr feiert sich die Stadt dann doch dafür, dass sie es geschafft hat, das „blaue Gold“ hierhergeholt zu haben. Auf der Fachmesse Kingpins treffen sich Fachleute, und auf der „Blueprint“ dürfen alle anderen Jeans färben, bedrucken und Spaß mit Hosen haben. Das Wort „Problem“ wird man nicht hören während der Denim Days Mitte April, dafür immer wieder „Nachhaltigkeit“. Es ist, als hätten sich alle Befragten verabredet, die Frage nach dem zurzeit wichtigsten Thema mit diesem einen Begriff zu parieren.

Dabei stehen Jeans wirklich nicht für einen grünen Lebensstil, sondern im schlimmsten Fall für einen besonders schmutzigen. Wer Jeans herstellt, verbraucht sehr viel Wasser, und zum Färben, Bleichen und Bearbeiten werden viele Chemikalien eingesetzt. „Wir wissen, dass wir eine dreckige Industrie sind, deshalb müssen wir sie jetzt saubermachen“, sagt Mariette Hoitink. Die Amsterdamerin ist quasi die Schutzheilige der Branche. Mit fliegenden Mantelschößen, ihren langen, silbergrauen Haaren und kratziger Stimme eilt sie voraus über die Messe Kingpins, die in einem ehemaligen Gasometer mitten in der Stadt untergebracht ist.

Vor gut 20 Jahren verlegten Firmen wie Levi’s und Pepe Jeans ihren Europasitz nach Amsterdam

Hier stellen Webereien, Färbereien und Hersteller aus, alle ausgesucht von Andrew Olah, der Kingpins 2004 in New York gründete und von Mariette Hoitink und ihrem Partner James Veenhoff 2014 nach Amsterdam gelockt wurde. Das wurde Olah leicht gemacht, denn seit den 1990er Jahren verlegten Firmen wie Levi’s oder Pepe Jeans ihren Europasitz nach Amsterdam. Daraus entstand eine wahre Gründungswelle: Marken wie G-Star, Denham the Jeanmaker und Kings of Indigo sind international erfolgreich.

Jeansbunker. In der G-Star-Raw-Zentrale werden Jeans entworfen.
Jeansbunker. In der G-Star-Raw-Zentrale werden Jeans entworfen.

© promo

G-Star hat sich sein Hauptquartier vom Architekten Rem Koolhaas an den Rand der Stadt bauen lassen, einen modernen Hochbunker, in dem rund 400 Mitarbeiter in verglasten Büros arbeiten. Direkt neben dem Kleiderarchiv mit meterlangen Stangen voller Armeejacken und alten Jeanshosen liegt das Atelier für Sonderprojekte. Hier entwirft ein japanischer Designer Jacken mit vier Ärmeln, die dann als Skulptur in den mit Stahl ausgelegten Fluren ausgestellt werden. Er näht auch die Anzüge für den Musiker Pharrell Williams, der seit ein paar Monaten Miteigentümer von G-Star ist.

Mitten in Amsterdam in einem schmucken Grachtenhaus verrät Jason Denham von Denham the Jeanmaker eine Sensation: Sein Team hat eine neue Jeans entwickelt, die noch besser sitzt! Die Hose hat nicht nur Seitennähte. An jedem Hosenbein läuft von der vorderen Tasche eine gebogene Naht über das Knie, sodass sich die Hose schon ohne Träger wie ein O formt. Der Brite kam vor 18 Jahren nach Amsterdam und findet: „Das ist die beste Jeansstadt der Welt.“

Die Stadt Amsterdam hat in einer Umfrage herausbekommen, dass ihre Männer an fünf Tagen die Woche in Jeans herumlaufen, Frauen an vier

Deshalb war es für Mariette Hoitink und James Veenhoff auch ganz logisch, vor zwei Jahren das House of Denim zu gründen, in einem alten Straßenbahndepot haben sie ihr Hauptquartier. Das sieht nicht von ungefähr aus wie eine moderne Kathedrale. In der weißen Halle hängen an der einen Wand dicke Rollen mit Denim, auf der anderen Seite stehen lange Reihen von neuen Industrienähmaschinen. Gerade näht ein Bartträger mit Mütze eine Hose zusammen. Weiter hinten stehen große Waschmaschinen.

Hier wird nicht nur über bessere Hosen nachgedacht, hier kann man sie auch studieren. Zusammen mit dem House of Denim gründeten Mariette Hoitink und James Veenhoff die Jeans School. Eefie Sonit ist im dritten Studienjahr. Sie sagt: „Ich trage sowieso jeden Tag Jeans, als ich Mode studieren wollte, lag es nah, etwas mit Jeans zu machen, dafür steht schließlich Amsterdam.“

Um zu verdeutlichen, dass praktisch jeder Einwohner auf ihrer Seite ist, hat die Stadt in einer Umfrage herausbekommen, dass ihre Männer an fünf Tagen die Woche in Jeans herumlaufen, Frauen an vier. Sie geben viel Geld aus für Jeans und haben mehr im Schrank als die restlichen Niederländer. Also lädt der Bürgermeister Eberhard van der Laan mal alle Jeansmacher zum Frühstück ins Rathaus ein oder fährt mit Mariette Hoitink zu den Produzenten in die Türkei und Marokko.

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So einfach ist das: Die Amsterdamer haben sich darauf geeinigt, blauzumachen, da sind sie in Europa und sogar weltweit konkurrenzfähig. Und sie haben erkannt, dass ihre Stadt ein Ort sein kann, wo sich alle treffen, um darüber zu sprechen, wie man die Welt ein bisschen besser machen kann. „Die Branchenprofis haben nicht miteinander geredet, also tun wir es“, sagt Mariette Hoitink. Als Lobbyistin denkt sie schon weiter: „Wäre es nicht schlau, ein so gutes Produkt zu machen, dass der Staat es subventioniert, als eine Art steuerfreie Jeans?“

Die 52-Jährige geht gezielt auf die Stände auf der Messe zu, wo Frauen das Sagen haben. Sie ist der Meinung, dass in dieser männerlastigen Branche von ihnen die meisten Veränderungen ausgehen werden.

Bei Tonello übernimmt gerade Alice Tonello die Geschäfte des Familienunternehmens. Die Italienerin führt die Wäscherei zusammen mit ihrem Vater. Sie benutzen keine Chemikalien wie Chlor und Bleiche, sie probieren neue Techniken aus wie das Bleichen mit Lasern. Stolz hält sie ein „Safe Garment“, also ein sicheres Kleidungsstück, in die Höhe, das genauso bearbeitet aussieht wie eine konventionelle Jeans. „Irgendwann wird es bei Kleidung genauso sein wie jetzt beim Essen: Man will genau wissen, was drin ist“, sagt Alice Tonello. Mariette Hoitink nickt heftig: „Genau so geht Nachhaltigkeit, die Geschichten hinter den Produkten sichtbar machen: Wo wird der Stoff gewebt, wo gefärbt und wo veredelt.“

Roter Faden. Während der Denim-Days wird überall genäht.
Roter Faden. Während der Denim-Days wird überall genäht.

© promo/Team Peter Stigter

Das findet auch Levi’s wichtig. Die Marktingchefin für Europa, Anit Van Eynde, zeigt während der Denim Days einen Film über ihr bestes Produkt, die 501. Darin dürfen die alten Zausel Jack, Tex und Wayne aus South Carolina erzählen, warum es der beste Job der Welt ist, Stoff für diese Hose zu weben. So nah dran am Produkt war man beim Weltmarktführer schon lange nicht. Das ist ganz im Sinn von Hoitink und passt genau in die wunderbare Jeanswelt von Amsterdam.

- Mehr zum Thema Mode im Modeblog des Tagesspiegel.

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