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Mode: Die Esmod schließt für immer: Das Ende einer Ära

23 Jahre lang war die Modeschule Esmod eine Berliner Institution. Damit ist es jetzt vorbei, am 1. Oktober musste sie schließen.

Eva Lauer (Name geändert) will nirgendwo anders hin. Am liebsten würde sie an der Esmod weiterstudieren, sich auf ihre Abschlusskollektion konzentrieren. Aber ihre Hochschule gibt es nicht mehr, am 1. Oktober hat die Esmod Berlin zugemacht. Am 28. September bekamen alle Studierenden eine E-Mail, der Hochschulbetrieb werde eingestellt, die Bachelorstudenten könnten ihr Studium an der ebenfalls privaten Modeschule AMD Akademie Mode & Design beenden. Auch der Master „Sustainability in Fashion“ soll übernommen werden, das muss noch vom Berliner Senat genehmigt werden.

Eva Lauer kann es noch gar nicht fassen. Sie hatte sich doch für genau diese private Schule entschieden – weil sie einen guten Ruf hatte, hervorragend international vernetzt war, weil Modedesign hier konzentriert gelehrt wurde, sodass man in ganzen sechs Semestern alles lernen konnte, was Designer brauchen, um in der Industrie anzufangen. Noch mal ein Studium an einer staatlichen Schule beginnen? Sie verdreht die Augen: „Das dauert viel zu lange!“

Dabei war die Stimmung im vergangenen April so gut wie lange nicht. Anfang des Sommersemesters schien die Esmod endlich auf einem guten Weg hin zu einer Kunsthochschule zu sein. Neue Dozenten von guten Universitäten unterrichteten dort, die Projekte waren spannend. Am 14. September wurden bei der Abschlussmodenschau die letzten Absolventen verabschiedet. Doch der Wandel von einer privaten Modeschule zu einer Kunsthochschule hat nicht funktioniert.

Im Frühjahr prüfte der Berliner Wissenschaftsrat mit einer Begehung, ob die Schule die endgültige Akkreditierung bekommen sollte. Im Juli dann kam der vernichtende Bescheid, dass die Esmod den wissenschaftlichen Maßstäben einer Hochschule nicht entsprach. Liest man die Argumentation, kann man die Entscheidung nachvollziehen. Angeführt wurden zu wenig Freiheit in Forschung und Lehre, zu wenige Professoren, die zu viel unterrichten, aber auch Mängel in der Studienorganisationen und im Prüfungswesen.

Wer die Esmod kennt, versteht auch, woran der Prozess gescheitert ist. Mit der Umwandlung in eine Kunsthochschule trafen zwei Welten aufeinander, die nicht zueinanderpassten. Der erste Schritt war noch leicht gemacht. Einen Master in Nachhaltigkeit gab es noch nicht, der fehlte in der Modeausbildung in Deutschland. Warum dann nicht gleich die ganze Schule akkreditieren? Der Berliner Senat unterstützte das Verfahren. Schließlich waren die Gründer und Geschäftsführer Silvia Kadolsky und Klaus Metz wichtige Protagonisten der Berliner Modeszene, hatten in der Vergangenheit oft ihre Kompetenz bewiesen und ihre internationalen Netzwerke für die Stadt genutzt. Die Esmod Berlin hatte sich über zwei Jahrzehnte einen guten Ruf erarbeitet, viele Absolventen haben sich mit ihren eigenen Labels in Berlin selbstständig gemacht und halfen mit, die Berliner Fashion Week zu etablieren.

2011 wurde die Modeschule unter Auflagen als Kunsthochschule akkreditiert

Doch die Konzentration, die bisher eins der Merkmale der Esmod gewesen war, wurde zum Problem. 2011 wurde die Modeschule unter Auflagen als Kunsthochschule akkreditiert. Seither bekamen Modedesignstudenten zum Abschluss kein Zertifikat mehr, sondern einen international anerkannten Bachelor. Zusätzlich wurden das Masterstudium und eine internationale Klasse mit Englisch als Unterrichtssprache eingerichtet. Bis zuletzt kamen die Studierenden aus aller Welt, von Slowenien über China bis Neuseeland.

Die Esmod hatte eine feste Struktur, die durch den Franchisegeber Esmod Paris vorgegeben war. Kadolsky und Metz eröffneten ihre Berliner Schule 1994 mit zwölf Schülern in einer Fabriketage in der Schlesischen Straße in Kreuzberg. Eigentlich bestand der Unterricht vor allem aus zwei Fächern, Modelismus und Stilismus. Schnitte an der Schneiderpuppe entwickeln und Mode zeichnen, darauf baute alles auf.

Die Studierenden brauchten viel Disziplin und Durchhaltevermögen, um an der Esmod bestehen zu können, besonders im ersten Jahr. Oft arbeiteten sie 50 bis 60 Stunden in der Woche, zeichneten Entwürfe, nähten Outfits, immer mit der Angst im Nacken, den Abgabetermin nicht einhalten zu können. Dazu kamen die hohen Studiengebühren von zuletzt rund 700 Euro im Monat.

An der Aufgabe, die den Studierenden an ihrem ersten Tag gestellt wurde, lässt sich der Unterschied zwischen der Esmod und anderen Hochschulen gut festmachen. Sie sollten auf ein Blatt Papier eine Figur zeichnen und die ersten Kleidungsstücke dazu. Diese Zeichnung wurde aufbewahrt und diente nach drei Jahren als Beleg, wie weit man es von dieser ersten dilettantischen Zeichnung zum Portfolio eines Modeprofis mit eigener Handschrift geschafft hatte.

Auf Disziplin war die Esmod aufgebaut. Es passte, dass sie 2006 in eine ehemalige Grundschule aus der Kaiserzeit umzog, ein strenges Backsteingebäude mit langen Gängen und separaten Eingängen für Knaben und Mädchen. Es entstanden Nähateliers, eine Strick- und Siebdruckwerkstatt, helle Unterrichtsräume. Dort sitzt jetzt Silvia Kadolsky in ihrem Büro. Gerade hat sie ihrem 18-köpfigen Team gesagt, dass es nicht weitergehen wird. Man sieht ihr an, die letzten zehn Tage waren die schlimmsten ihres Lebens. „Die Esmod war mein Lebenswerk“, sagt sie müde.

Mit der Akkreditierung veränderte sich auch Kadolskys Aufgabe. Vorher hatte sie sich um alles gekümmert, jetzt war sie vor allem dafür zuständig, die Gelder bereitzustellen. Für den Hochschulbetrieb gab es mit einem Kanzler, einem Präsidenten und neu berufenen Professoren feste Zuständigkeiten. Mit den verschärften Aufnahmekriterien veränderte sich auch die Studentenschaft.

Noch jetzt ist Silvia Kadolsky überzeugt, dass man bei jedem die Kreativität wecken kann, dass jeder das Handwerk lernen kann. Darauf baute das Prinzip auf, deshalb hatte die Schule andere Studierende als die Kunsthochschulen, für die man sein Talent mit einer sorgfältig zusammengestellten künstlerischen Mappe schon vor dem Studium unter Beweis stellen muss.

„Unsere Schule war auf dem Handwerk aufgebaut“, sagt sie. Und das wurde eingebläut, manche Absolventen sprechen von einem Bootcamp für Modedesigner. Kadolsky ist das voll bewusst: „Viele Studenten haben mich gehasst“, bekennt sie freimütig. „Aber nachher waren sie froh, so viel gelernt zu haben.“

Die Leitung holte Firmen für Wettbewerbe an die Schule

An der Esmod war die Motivation entscheidend. Wer wirklich wollte, wurde unterstützt oder auch mal geschubst. Die Leitung holte Firmen für Wettbewerbe an die Schule. Die Schule kam all jenen entgegen, die in drei Jahren möglichst viel darüber lernen wollten, wie man Mode macht, um sich dann in die Arbeit zu stürzen, wie das bei Designern wie Marina Hoermanseder, Kaviar Gauche, dem heutigen Adidas-Chefdesigner Dirk Schönberger und dem erfolgreichen Pariser Designer Damir Doma der Fall war. Ihre Ehemaligen hat Silvia Kadolsky alle parat. Ihr war es immer wichtig, dass sie ihre Absolventen unterbrachte: „Das gehörte dazu.“ Wer es geschafft hatte, wurde zum Aushängeschild.

Doch anstatt zuzunehmen, wie durch die Akkreditierung erhofft, hat die Zahl der Studierenden in den vergangenen Jahren abgenommen. Die Schule, die sich fast ausschließlich durch Studiengebühren finanzierte, sah sich mit schrumpfenden Umsätzen und steigenden Kosten konfrontiert.

Auch Eva Lauer erzählt von oft wechselnden Professoren, davon, dass das Studium nicht wirklich organisiert war, oft konnten die Studierenden nicht langfristig planen. Trotzdem fühlte sie sich gut betreut und mit der Schule verbunden. Das ist wohl auch der Grund, warum die Studierenden so lange stillhielten und mit den Problemen nicht an die Öffentlichkeit gingen.

Jetzt aber ist Eva Lauers Zeit an der Esmod vorbei. Oder, wie es Silvia Kadolsky ausdrückt: „Eine Ära ist zu Ende. Die Esmod schließt ihre Tore.“ Ihre Schule hat etwas geboten, das einer staatlichen Kunsthochschule nicht möglich ist: pragmatisch und effizient auf das knallharte Leben in der Modebranche vorzubereiten. Das wird in Berlin jetzt fehlen.

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