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Mal was anderes! Eine Bewerberin tanzte aus der Reihe und kam mit Sambafedern. Und Locken hatte sie auch noch.

© Prosieben

"Germany's Next Top Model" und die Folgen: Wenn alle Mädchen gleich aussehen

Lange glatte Haare, Mittelscheitel und immer dieselben Sätze: Die Modelcastingshow „Germany’s Next Topmodel“ bringt eine ganze Generation junger Mädchen auf Linie. Nur selten ist mal eins anders.

Da sitzen sie wieder, die drei Richter von Germany’s Next Topmodel, und urteilen über den perfekten Körper: „Wow, tolle Haare, Wahnsinn, deine langen Beine!“ Das Schlimmste, was den Mädchen am ersten Abend passieren kann, ist keine Reaktion. Über einen langen Laufsteg müssen sie zum Podest der Juroren, und wenn die nicht den Buzzer drücken, sind sie raus aus der Show und müssen versuchen, mit durchgedrücktem Rücken Haltung zu bewahren.

Einige von ihnen müssen sich immer wieder die Hände vor dem zum Kreischen weit geöffneten Mund halten. Sie können es selbst nicht glauben, dass sie es vom kindlichen Fan zur Kandidatin geschafft haben.

Man sieht es der Sendung an, dass inzwischen eine ganze Generation damit aufgewachsen ist. Immer stromlinienförmiger sind die Körper, die Haare lang und in der Mitte gescheitelt, die jungen Frauen diszipliniert schon beim ersten Walk, der tausendmal vor dem Spiegel geübt wurde, genau wie der zum „Duckface“ (Entengesicht) zusammengezogene Mund. Und auch wenn die Jurymitglieder immer wieder betonen, wie besonders ein Mädchen sei – am Ende geht es nur um die Anpassung an die Regeln. Wer seine Meinung sagt, wird von den anderen gedisst, wer sich nicht jeden Tag die Achseln rasiert, verachtet. Wer seinen Körper nicht geölt und nur mit einem Stoffstreifen zwischen den Beinen fotografieren lassen möchte, gilt als unprofessionell.

Warum werden schöne Mädchen gesucht - und nicht schlaue?

„Das ist die Modewelt von Heidi, und sie zeigt kein falsches Bild“, sagt Stevie Schmiedel. Sie hat vor vier Jahren wegen „Germany’s Next Topmodel“ die Organisation „Pinkstinks“ gegründet und protestiert gegen limitierte Geschlechterrollen, Sexismus in Medien und Werbung. Am Donnerstag feierte sie parallel zur Ausstrahlung der zweiten „GNTM“-Folge eine Party mit Modenschau, Diskussionen und Auftritten junger Rapperinnen im SO36 in Kreuzberg.

„Ja, wenn es andere Rollenvorbilder gäbe, zum Beispiel eine Show mit Brücken bauenden Ingenieurinnen in San Francisco. Dann sähe GNT nicht wie die einzige Chance für junge Mädchen aus, die Welt zu sehen. So wird Dünnsein mit Erfolg verknüpft“, sagt sie.

Seit die Show läuft, steigt die Zahl der unglücklichen Mädchen

Klar kann es Zufall sein, dass seit Beginn der Show die Zahl der Mädchen stieg, die mit sich unzufrieden sind. 2006 traf das laut einer Studie des Magazins „Bravo“ auf 30 Prozent der zwölfjährigen Mädchen zu. Inzwischen sind etwa 50 Prozent unzufrieden und jede Dritte fängt mit 13 Jahren an, ihr Gewicht zu kontrollieren. „Etwa zwei Prozent der Frauen fällt es leicht, ihr Gewicht zu halten“, sagt Schmiedel. Alle anderen quälen sich. Karriere machen die wenigsten der ehemaligen „Germany’s Next Topmodel“-Mädchen. Ein paar sieht man jede Saison auf der Berliner Fashion Week.

Beim Modelabel Riani durften sie im Januar mitlaufen. Lauten Jubel gab es allerdings erst, als das Plus-Size-Model Mona Engländer über den Laufsteg lief. Sie ist sehr hübsch, aber auffällig kleiner und viel dicker als alle anderen Mädchen. Kurz danach gab es noch einmal Applaus. Da lief die Transe Olivia Jones toll aufgebrezelt auf, aber größer und männlicher als alle anderen Mädchen. Die zwei Exoten jenseits der Norm sind für das Publikum nicht mehr als eine Gelegenheit, ihr Wohlwollen zu demonstrieren.

Jugendgefährdung? Wird nicht gesehen

Mit der Berufsrealtität eines Models hat das nichts zu tun, da gehört „Du bist zu dick“ und „Stell dich nicht so an“ zur Geschäftssprache, nicht nur im TV. Die Kommission für Jugendmedienschutz hat die Castingshow im vergangenen November auf Jugendgefährdung geprüft. Da sie nicht erkennen konnte, dass die Show die Entwicklung von Jugendlichen beeinträchtigt, können sich zwölfjährige Mädchen jetzt donnerstags wieder Berufsorientierung verschaffen.

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