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Das Konzept der Outdoor-Firma Patagonia: Kauft weniger Kleider!

Die Outdoor-Firma Patagonia fordert bewussten Konsum. Ein Gespräch mit Vize-Chefin Cara Chacon über die Verantwortung für Arbeitskräfte.

Ms Chacon, wie sollte Einkaufen in der Zukunft aussehen?

In den letzten Jahrzehnten hat sich unsere Kultur verändert: Man kann Tag und Nacht online Kleidung shoppen, die nicht einmal sechs Monate hält, weil die Farben ausbleichen oder der Stoff franst. Mit der neuen Mittelklasse in Indien, Brasilien und Asien gibt es nicht mehr genug natürliche Rohstoffe auf der Welt, um ausreichend Kleidung, übrigens auch Nahrung, für die wachsende Bevölkerung zu produzieren. Der wichtigste Punkt ist also: Kauft weniger und hochwertigere Kleidung und werft sie nicht in den Müll!

Was ist die Alternative?

Eine Initiative von uns heißt „Onewear“. Wir nehmen gebrauchte Kleidung zurück, reparieren und verkaufen die Sachen. Wenn das Stück zu abgetragen ist, recyceln wir es.

Wie sieht der Recyclingprozess aus?

Polyester wird eingeschmolzen, Baumwolle geschreddert. Einige Stoffe werden zum Untergrund für Spielplätze, Jeansfasern werden zum Dämmen von Häusern genutzt. Wir haben ein Team, das überlegt, was man machen kann, damit Kleidung nicht auf dem Müll landet.

Was bedeutet das für Patagonia?

In die meisten unserer Läden können Sie Kleidung zum Reparieren bringen und zuschauen, wie ein Loch geflickt wird. Als ich klein war, hat meine Mutter viel für mich genäht. Sie hat natürlich auch alles repariert und Socken gestopft. Das beeinflusst mich bis heute. Aber die Generation nach meiner Generation kennt das nicht mehr, die wirft weg.

Bedeutet Nachhaltigkeit, Naturfasern zu benutzen?

Die verantwortungsvollste Tätigkeit einer Firma, die Produkte umweltfreundlich und nachhaltig gestalten will, ist die Wahl des Materials – nämlich, schon benutztes zu verwenden. Wir verwenden recyceltes Polyester und recycelte Wolle, Kaschmir, Daunen, weil dann der ökologische Fußabdruck viel kleiner ist.

Ist es einfacher, für eine große Firma wie Patagonia, all das umzusetzen?

Wir sind in privater Hand, für uns ist es leicht. Für börsennotierte Unternehmen ist es schwierig, weil die Aktionäre Gewinne sehen wollen. Aber immer mehr Kunden schauen genau darauf, was Modeunternehmen machen, und diese Kunden werden gehört.

Hat das Auswirkungen auf den Massenmarkt?

Vor 20 Jahren hat niemand daran gedacht, Dinge zu reparieren oder verantwortungsbewusst hergestellte Kleidung zu kaufen. Heute ist das Bewusstsein dafür sehr groß geworden. Ich habe Hoffnung, dass sich das mit der nächsten Generation und dem Klimawandel noch weiter ändern wird. Weil der Klimawandel ein Risiko für das finanzielle Wohlergehen einer börsennotierten Firma ist, müssen alle Firmen eine Strategie entwickeln, wie sie damit umgehen.

Dabei ist auch die Produktion wichtig.

Lokal zu kaufen, ist immer gut, bei Lebensmitteln auch saisonal. Bei Kleidung ist das viel komplizierter. In den USA gab es eine riesige Textilindustrie, aber durch all die Handelsabkommen in den 90er Jahren wurden die meisten Produktionen nach Asien und Lateinamerika verlagert. Nun haben wir weder die Maschinen noch die Arbeiter. Wir stellen in den USA noch T-Shirts und Strümpfe her, aber in kleinen Mengen. Patagonia ist eine internationale Firma, wir verkaufen in China, Japan, Asien und Lateinamerika – so wird unsere Produktion in Übersee lokal.

Wie wichtig ist es, transparent zu sein? Sie haben über Untersuchungen in Taiwan berichtet, die ergaben, dass Arbeiter nicht gut behandelt werden.

Unsere wichtigste Botschaft ist: Wir sind authentisch. Das bedeutet, du musst über gute und schlechte Dinge sprechen.

So ist es in der Mode normalerweise nicht.

Aber das ist nicht das echte Leben, sondern Greenwashing. Wir müssen zugeben, dass wir nicht perfekt sind. Ein Beispiel sind die Gastarbeiter, die von den Philippinen, aus Indonesien und Vietnam kommen, um in Taiwan in den Webereien zu arbeiten. Sie müssen bei Arbeitsvermittlern viel Geld bezahlen, um Jobs zu bekommen, sie verschulden sich dafür. Das ist moderne Sklaverei, ein Thema, das die meisten großen Kleidungsfirmen unter den Teppich kehren. Aber als Marke hast du eine Verantwortung für die Leute, die deine Kleidung herstellen. Wir haben die Untersuchung öffentlich gemacht, um der Scham zu begegnen, damit man daran arbeiten kann.

Was tun Sie konkret für die Arbeiter?

Mit unserem Fair-Trade-Programm wollen wir darauf aufmerksam machen, wie viele Hände die Kleidung berührt haben, bevor sie beim Träger ankommt. Die meisten dieser Leute leben in Entwicklungsländern, wo die Bedingungen oft sehr schlecht sind. Mit dem Programm wollen wir versuchen, die Löhne zu heben. Patagonia bezahlt eine Prämie, die Belegschaft entscheidet, ob das Geld direkt als Bonus gezahlt wird oder indirekt in ein Projekt fließen soll.

Welches zum Beispiel?

Mein liebstes Beispiel ist Sri Lanka. Dort ist die Menstruation der Frauen ein Tabuthema. Die Arbeiterinnen haben nicht genug Geld für Hygieneartikel, die meisten gehen dann nicht zur Arbeit. So verliert die Fabrik Arbeitskräfte, und die Frauen verdienen kein Geld. Also geben wir ihnen Binden und Unterwäsche und machen Trainings, um das Tabu zu brechen. Auch für die Männer tun wir etwas, viele tragen keine Unterwäsche, das macht sie verlegen. Sie bekommen monatlich welche von uns, gleichzeitig mit den Frauen. Diese Dinge können ein Leben verändern und Menschen wirklich helfen.

Cara Chacon ist Vice President bei der amerikanischen Outdoormarke Patagonia und dort verantwortlich für die sozialen und ökologischen Belange – diese sind der Marke sehr wichtig.

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