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"Seduction“ heißt der Bikini aus der aktuellen Saison von Maryan Beachwear, auf Deutsch: Verführung.

© Maryan Mehlhorn

Bademoden: Der schwierige Bikinikauf

Bademoden sind eine delikate Angelegenheit. Nirgends zeigt man sich so nackig wie an Strand und Pool – und will umso dringender gut aussehen. Über eine Verkaufsherausforderung und ein paar nützliche Fragen.

Einerseits empfiehlt sich wohl kaum ein Artikel so sehr für das Online-Shopping wie ein Bikini, weil das einem viel Verdruss in der Umkleide erspart, andererseits ist vielleicht gerade hier Beratung am allernötigsten.

Das jedenfalls ist schon von Berufs wegen der Eindruck, den Caroline Kratzsch in den 26 Jahren gewonnen hat, die sie in ihren drei Berliner „Körpernah“-Läden Bademoden verkauft. „Man macht sich nirgends so nackig wie im Bikini“, sagt sie. „Da will man möglichst schön aussehen.“ Darum müssten Bademoden viel mehr als Jacke und Hose zur einzelnen Frau passen – und weniger zu einem Trend. Das zu vermitteln, sei aber schwieriger geworden.

Die Kundin von heute ist dank Onlineshops und Modeblogs umfassend informiert. Manche wisse bis auf die Farbnuance genau, welches Modell sie wolle, wenn sie in den Laden komme, sagt Kratzsch. Und ein wenig hafte dem auch ein bestimmtes Bild an, das sie dann in der Umkleide beim Anprobieren sehen möchte, was ziemlich zuverlässig zu Enttäuschung führt. Wer sieht schon aus wie ein gephotoshopptes Fotomodel?

Außerdem seien die Frauen über die Jahre immer kritischer geworden – mit sich selbst. Das fange früher an und höre später auf. Schon 17-Jährige mäkelten an sich herum, und noch 70-Jährige wollten „top aussehen“. „Die Unzufriedenheit ist enorm groß“, sagt Caroline Kratzsch. „Die denken: Alle sehen so gut aus, nur ich nicht.“ Und dann kauft man Bikinis in der Regel ja auch noch, bevor man in den Urlaub fährt, wenn man also noch nicht sonnenbraun und brandungsgestählt ist. Und nicht alle Umkleidekabinen sind so rücksichtsvoll ausgeleuchtet wie im „Körpernah“-Laden.

Ein Bikini kann gar nicht "zu bunt" sein, dafür ist es zu wenig Stoff

Aber weil fast nichts nur schlecht ist, hat auch der Körperkult Positives gebracht. „Der veränderte Lebensstil mit mehr Sport und gesünderem Ernährungsbewusstsein“ habe zu besseren Figuren geführt, darum trügen wieder mehr Frauen ihren Bikini voller Selbstbewusstsein, heißt es etwa bei der Maryan Beachwear Group aus Baden-Württemberg. Das Familienunternehmen, das wie der Bikini gerade 70 Jahre alt wird, bringt pro Jahr zwei Mal neue Bademode raus. Mit seinen vier Marken (Lidea, Watercult, Charmline und Maryan Mehlhorn) summiert sich das auf jährlich bis zu 1000 neue Modelle. Ein Hersteller! Für die Shops wird so die Auswahl immer härter – und ebenso für die Kundin.

Probieren Sie doch mal dies, heißt es regelmäßig bei „Körpernah“, und es wird etwas in die Umkleide reingereicht, was gar nicht angedacht war. Klein statt groß, bunt statt uni. Überhaupt Farben! Viele hätten Angst vor Mustern: „Ist das nicht viel zu bunt?“, fragten die. Nein, denn merke: Ein Bikini kann gar nicht zu bunt sein, dafür ist er viel zu klein.

Caroline Kratzsch verkauft in ihren Berliner "Körpernah"-Boutiquen seit 26 Jahren Bademoden.
Caroline Kratzsch verkauft in ihren Berliner "Körpernah"-Boutiquen seit 26 Jahren Bademoden.

© promo

Der heißeste Tipp von Caroline Kratzsch für den möglichst schmerzfreien Bikinikauf lautet: Genau überlegen, was man betonen möchte. Was gefällt einem an sich selbst? Dekolleté, Busen, Beine, Bauch, Rücken? Und dann beherzigen, dass Rüschen und Muster Blicke anziehen – also nicht den etwas breit gewordenen Allerwertesten mit bunten Rüschen überdecken wollen. Und beim Oberteil unbedingt darauf achten, dass es wirklich passt. Tendenziell werde zu klein gekauft, sagt Kratzsch.

Das Oberteil ist ohnehin der Knackpunkt. Die Oberweiten der Frauen sind mit den Jahren immer üppiger geworden. Wurde in den 1950er Jahren am häufigsten nach Körbchengröße B gegriffen, gehen heute besonders C und D, auch E wird oft gekauft, und die Industrie denkt über eine Ausweitung der Größenskala bis L nach. Auch für die Bademodenindustrie eine Herausforderung. Allerlei Stütz- und Halteassistenten, vom unsichtbaren Bügel bis zur luftgefüllten Push-up-Einlage, sind schon am Markt, auch an Krebspatientinnen wird dabei gedacht, die ihre Amputation nicht zeigen wollen.

Wofür will ich den Bikini benutzen? Eine hilfreiche Frage

Und noch eine Frage kann die Kaufentscheidung erleichtern: Wofür werde ich den Bikini am häufigsten benutzen? Wer mit seinen Kindern am Strand spielen und Burgen im Watt bauen will, sollte nichts Weißes kaufen. Wer Aquagymnastik macht, sollte mehr als jeder andere etwas wählen, das auch bei energischem Durchswasserpflügen nicht verrutscht. Oder präsentiere ich meine Bademode an Bord eines Kreuzfahrtschiffs? Dann empfiehlt sich womöglich das Modell mit der aufwendig geflochtenen Rückenverzierung, die gerade furchtbar angesagt ist.

Die Kreuzfahrt-Mode ist die eleganteste und saisonal die früheste, weshalb die ersten Kollektionen jedes Jahres früher Kreuzfahrt-Kollektionen hießen. Das ist vorbei. Heute heißen die Preview, als gehe es um Kinofilme. Caroline Kratzsch zieht eine Augenbraue hoch. Und gleich wieder runter, denn es folgt ein dringender Appell: Pflegen Sie Ihre Bademoden ordentlich! Das heißt: Nach dem Benutzen waschen, nicht nur durchs Wasser ziehen. Chlor- und Salzwasser, Sonne, Schweiß und reingeschmierte Sonnencreme strapazieren die Lycrafasern ungemein, die den Stoff zusammenhalten und für die Form sorgen. Niemals mit Shampoo waschen, das belastet die Fasern zusätzlich, sondern am besten mit Spezialwaschmittel für Sportmode. So hat man länger was davon – und muss sich nicht so bald wieder in der Umkleide vor sich selbst erschrecken.

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